Aung San Suu Kyi bekennt sich nach einem UN-Besuch zu einer Wiederaufnahme der Rohingya. Fraglich ist, ob Myanmar das ernst meint – zumal die Flüchtlinge für ihre Bürgerrechte einstehen. Manche von ihnen nehmen tägliche Schikanen in Kauf, um ihrer Heimat nah zu bleiben.
Für die mehr als 5000 Rohingya-Flüchtlinge im sogenannten Niemandsland zwischen Myanmar und Bangladesch ist die Heimat so nah und doch so fern. Sie leben zwischen einem bewachten Grenzzaun Myanmars und einem kleinen Kanal, der die beiden Länder von einander trennt. Obwohl sie streng genommen auf myanmarischem Boden sind, steht der Zaun zwischen ihnen und ihren Dörfern. Eine schmale, wenige Meter lange Bambusbrücke führt nach Bangladesch.
„Wir können hier unsere Heimat sehen und riechen“, sagt Shamshul Alam, einer der Bewohner. Er erklärt damit auch, warum sie seit Monaten hier bleiben und nicht in die größeren Lager weitergezogen sind. Dort gibt es besseren Zugang zu Hilfsgütern und ärztlicher Versorgung sowie Orte, wo Kinder lernen und spielen können.
Eine Delegation des UN-Sicherheitsrats war vor wenigen Tagen da, um sich ein Bild der Lage der Rohingya zu machen. Nach einem anschließenden Gespräch mit Regierungschefin Aung San Suu Kyi in Myanmar bekannte sich diese zu einer Zusammenarbeit mit der UN für eine „sichere, würdevolle und freiwillige“ Rückkehr der Flüchtlinge. Zuvor hatte Bangladeschs Premierministerin Sheikh Hasina die Diplomaten gebeten, Myanmar zu drängen, seine Bürger wiederaufzunehmen.
Die beiden Länder hatten sich längst auf eine Rückführung der rund 700 000 Rohingya geeinigt, die seit Ende August aus Myanmar nach Bangladesch geflohen sind. Der Tag, an dem sie beginnen sollte, kam und ging allerdings, ohne dass etwas passierte – und liegt nun schon mehr als drei Monate zurück.
Die meisten Flüchtlinge wollen nicht ohne Garantien zurück in ein Land, wo ihre Dörfer niedergebrannt und ihre Angehörigen getötet worden sind. Die internationale Gemeinschaft soll für ihre Sicherheit sorgen und Myanmar ihre Bürgerrechte anerkennen – das sind zwei der 13 Bedingungen in einer Liste, die Rohingya-Vertreter der Sicherheitsratsdelegation übergeben haben.
So sehr er seine Heimat vermisst, findet auch Shamshul Alam, dass eine Rückkehr nur unter diesen Bedingungen infrage komme. Sonst verhindere nichts eine Wiederholung der Gewalt. „Wenn sie uns zwingen wollen, nach Myanmar zurückzugehen, wäre es besser, uns hier alle zusammenzutreiben und umzubringen“, sagt der 37-Jährige. „Besser, als wieder mit ansehen zu müssen, wie unsere Schwestern, Frauen und Mütter vergewaltigt werden.“
Beobachter bezweifeln zudem, dass Myanmar tatsächlich die Angehörigen der muslimischen Minderheit zurücknehmen will, die es gerade erst gewaltsam zu Hunderttausenden vertrieben hat. Noch immer kommen pro Monat ein paar Tausend Rohingya auf der Flucht vor Verfolgung und Gewalt in Bangladesch an.
„Unser Nachbarland hat vorsätzlich eine ethnisch-religiöse Säuberung an seinen eigenen Bürgern begangen“, betont Bangladeschs Informationsminister Hasanul Haq Inu. „Wir verhandeln also in Sachen Rückführung mit einer Täter-Regierung.“ Diese kooperiere nicht, sondern spiele auf Zeit. „Wir erwarten keine schnelle Lösung.“
Nach früheren Gewalt- und Fluchtwellen hat es bereits mehrmals Rückführungen der Rohingya gegeben. Der 78-jährige Rashid Ahamed ist nach 1978 und 1992 nun schon zum dritten Mal Flüchtling geworden, wie er erzählt. „Dies wird das letzte Mal sein“, erklärt der Bewohner des Niemandslandes. Von seinem Dorf, nur einen Kilometer von der Grenze entfernt, sei nichts mehr übrig. „Entweder wir bekommen unsere Bürgerrechte oder wir sterben hier in Bangladesch.“
Derweil harren die Flüchtlinge weiter in den staubigen Lagern in ihren Hütten aus Bambusstangen und Kunststoffplanen aus. Die Hitze in den kleinen, armseligen Behausungen ist unerträglich. In wenigen Wochen kommt der Monsun – und bringt mit großer Sicherheit Überschwemmungen, Erdrutsche, Tod und Krankheiten mit sich. Es bleibt den Rohingya nichts anderes übrig, als abzuwarten.
Gewissermaßen sind sie alle im Niemandsland. Bangladesch hat sie aufgenommen, will sie aber möglichst bald wieder loswerden. Sie dürfen den Grenzbezirk Cox’s Bazar, in dem die Lager stehen, nicht verlassen. Ressentiments gegen die Flüchtlinge nehmen in der lokalen Bevölkerung zu. Auch im ehemaligen Birma sind sie unerwünscht. Obwohl auf dem Gebiet des heutigen myanmarischen Bundesstaates Rakhine spätestens seit dem 19. Jahrhundert Rohingya leben, werden sie dort als illegale Einwanderer aus Bangladesch betrachtet. Sie stecken zwischen den beiden Ländern fest.
Als die Bewohner des Niemandslandes im vergangenen Jahr von Ende August an die Grenze überquerten, war der Zaun noch löchrig und heruntergekommen. Dann baute Myanmar ihn wieder auf und stationierte dort Soldaten – auf einer kleinen Anhöhe, wenige Meter von der Flüchtlingssiedlung entfernt. „Eine Zeit lang haben sie ständig Lärm gemacht, uns durch Lautsprecher gesagt, dass wir abhauen sollen, und mit Platzpatronen geschossen“, erzählt Nurul Islam. „Nun werfen sie jede Nacht mit Steinen auf uns.“
„Es macht uns verrückt, ständig die Armee zu sehen, die für das Töten, die Vergewaltigungen und die Brandstiftung in unserer Heimat verantwortlich sind“, sagt Shamshul Alam. Trotzdem wollen die Flüchtlinge weiter im Niemandsland ausharren, wie er erklärt: „Solange wir hier sind, gibt es Hoffnung, dass wir zurück können. Wir sind so nah dran.“ (dpa, Nick Kaiser, iQ)