Open Society Justice Initiative

Studie über Verbote religiöser Kleidung innerhalb der EU

Eine aktuelle Studie der Open Society Justice Initiative zeigt in wie vielen EU-Ländern bereits Verbote religiöser Kleidung existieren, in welchen Ländern noch darüber diskutiert wird und wie vielen Ländern solche Beschränkungen bisher gänzlich abgelehnt werden.

07
05
2018
Auschnitt Cover Forschungsbericht "Restrictions on Muslim Women's Dress in the 28 EU Member States: Current law, recent legal developments, and the state of play" der Open Society Justice Initiative

Eine aktuelle Studie der Open Society Justice Initiative zum Thema Verbote religiöser Kleidung innerhalb der EU, mit besonderem Fokus auf Kopftücher und Gesichtsschleier zeigt, dass fast ein Drittel der EU-Länder (8 von 28) Kopftuchverbote in irgendeiner Form durchgesetzt hat. In 6 dieser 8 Staaten gibt es ein nationales Verbot von Kopftüchern und religiöser Kleidung. Lokale Verbote religiöser Kleidung existieren in 5 Ländern. Noch stellen diese Länder also eine Minderheit in Europa dar. „Auch wenn einige EU-Länder die Beschränkungen gegen die Kleidung muslimischer Frauen zu einer nationalen Frage gemacht haben, zeigt dieser Bericht, dass es nicht die europäische Norm ist“, so Maryam H’madoun, Politikbeauftragte der Open Society Justice Initiative und leitende Autorin des Berichts. Weitere acht Staaten erwägen allerdings derzeit legislative Vorkehrungen für ein Verbot.

Der Bericht beschränkt sich nicht nur auf gesetzliche Verbote, sondern thematisiert auch Regelungen im privatwirtschaftlichen Bereich. In 13 von 28 EU-Ländern, also fast der Hälfte der untersuchten Länder, konnten Verbote oder Beschränkungen für das Tragen religiöser Kleidung in Unternehmen registriert werden. Dies sei nach Ansicht Malin Bjorks, Mitglied des europäischen Parlaments besonders besorgniserregend. „Wenn man Unternehmen grünes Licht gibt, um Kopftücher zu verbieten, öffnet man die Tür für weitere Diskriminierung gegen muslimische Frauen am Arbeitsplatz. Kein Unternehmen, Person oder Institution sollte das Recht haben, Frauen zu sagen, wie sie sich kleiden müssen. Es ist unser Körper und unsere Entscheidung“, so Bjork

Die Forderungen nach Kopftuchverboten gehören meist in die politische Rhetorik und Agenda von rechten und nationalistischen Parteien. Diese dominieren die aktuellen Debatten. Tatschlich realisiert wurden diese Verbote innerhalb der EU allerdings ausschließlich von etablierten Mehrheitsparteien. Seit den Terroranschlägen vom 11.September könne ein rasanter Anstieg an Kopftuchverboten beobachtet werden. Dieser korrespondiere mit der zunehmenden islamfeindlichen Agitation in Europa und entsprechenden Diskursen, heißt es in dem Bericht. In 22 Ländern gab es außerdem den Versuch das Tragen von Gesichtsschleiern zu verbieten. Allerdings in den seltensten Fällen erfolgreich.

Überhaupt keine Verbote, Beschränkungen oder auch nur Bestrebungen dieser im Hinblick auf das Tragen religiöser Kleidung gibt es aktuell lediglich in sechs EU-Ländern. Allerdings finde sich auch in den Ländern, in denen Verbote durchgesetzt oder diskutiert werden, viel politischer, zivilgesellschaftlicher und rechtlicher Widerstand.

Mitglieder des Europäischen Parlaments betonen die politische Relevanz dieses Berichts und zeigen sich besorgt angesichts der zunehmenden Islamfeindlichkeit. „Dieser Bericht ist sehr wichtig und zeitgerecht. Die Religions- und Glaubensfreiheit ist nach Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ein Grundrecht jedes Menschen. Verbote gegen religiöse Symbole wie das Kopftuch wirken sich negativ und unangemessen auf muslimische Frauen aus, die sowieso schon sehr starker Diskriminierung und Schwierigkeiten ausgesetzt sind. Verbote dieser Art stellen muslimische Frauen auch vor einer unfairen Wahl, da sie in bestimmten EU-Mitgliedsstaaten entscheiden müssen, ob sie ihre Religionsfreiheit oder ihr Recht auf Arbeit ausüben“, meint Soraya Post, europäische Parlamentarierin.

Das Europäische Netzwerk gegen Rassismus (ENAR) kritisiert außerdem, dass die meisten Verbote innerhalb der EU sich dem Anschein nach generell gegen religiöse Kleidung richten, aber primär das Kopftuch muslimischer Frauen anvisieren. „Es ist sehr auffällig, wie diese Verbote gegen religiöser Kleidung scheinbar alle Religionen betreffen sollen, sie sich aber offensichtlich gegen muslimische Frauen richten. Das „Neutralitätsargument“ ist zwar wichtig, wird aber oft nur als Ausrede für die Diskrimination muslimischer Frauen genutzt. Wir sehen, dass sich die Ergebnisse unseres Berichtes „Forgotten Women“ („Vergessene Frauen“ auf Deutsch) bestätigen: Frauen ertragen die volle Wucht der Islamfeindlichkeit in Europa im Schnittpunkt von Geschlecht, Ethnie und Religion“, so Julie Pascoet, Senior Advocacy Officer des Netzwerkes.

 

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
@Manuel Sie haben ein sehr einseitiges Bild von der islamischen Welt. Da ist einiges in Bewegung. Und die geht vor allem von den Frauen aus. Vor einigen Tagen war im "auslandsournal" ein interessanter Beitrag über den Iran, wie sich junge, moderne emanzipierte Frauen gegen den Kopftuchzwang auflehnen. Unterstützt werden sie dabei von einer Anwältin-- mit Kopftuch! Sie sehen, es schließt sich also keineswegs aus: Progressive Positionen und Kopftuch. Der Beitrag ist noch in der "ZDF-Mediathek." Vielleicht sehen sie mal rein. Natürlich werden diese Bestrebungen von Orthodoxen und Fundamentalsten bekämpft. Aber es gibt sie. Und was die Muslime bei uns her in Deutschland betrifft: Die meisten sind liberal.
11.05.18
13:36
grege sagt:
"Und die Muslime, die als Flüchtlinge zu uns kommen, sind Opfer von Kriegen, an denen wir gut verdienen. Sie flüchten im übrigen auch vor unseren Waffen." "Und ebenfalls richtig: Durch unsere Wirtschafts-und Rüstungspolitik produzieren wir Kriege und Flüchtlinge-- und fürchten uns dann wieder vor "Überfremdung" und der "Belastung unserer Sozialsysteme" wenn diese Leute vor unserer Tür stehen." Die Aussage ist ziemlicher Unsinn. Das Assadregime hat beispielsweise die Waffen vorwiegend im verbündeten Ruslland bzw. vorher in der Sowjetunion geordert, ebenso die jugoslawische Bundesarmee, vor der die überwiegend muslimischen Kosovaren und Bosnier geflohen sind. Entscheidend ist nicht die Herkunft der Waffen, sondern die Bereitschaft diese einzusetzen. Sobald westliche Staaten ein Waffenembargo verhängen, sind die Chinesen und Russen die ersten, die sofort diese Nachfrage kundenorientiert bedienen. Waffenembargos gegen muslimsiche Länder können auch als islamfeindlicher Akti angesehen werden. Schließlich würde man das Land eines Missbrauches dieser Waffen verdächtigen. Herr Disch hat sich mit einer analogen Aussagen in einem Thread ein wunderbares Selbsttor geschossen.
11.05.18
21:24
Margarete Aretz sagt:
Ordentliches Recht der EU/DE ist keine Hallacha, kein kanonisches Recht, Recht der EKD, auch keine Sharia. Für Erzeugnis von brauchbaren Gütern und Dienstleistung, ist Respekt. Staatsrechtlich sind die Organisation hier Religion welche Staatvertrag haben. Näheres geht aus den Steuerbescheiden hervor. Recht zu Glaubensbekenntnissen ist keine Staatspflicht. Religionsfreiheit ist in pluralistisch, demokratischen Staaten nicht das Recht auf gefundene, parteiliche Glaubenswahrheit, sondern das Recht die Wahrheit zu suchen, Beweisplficht zu erbringen. Religion ist religionswissenschaftlich uneindeutiger Begriff. Propheten ergeben sich weder mit Tanach, NT, noch mit Koran, weil fiktive Ereignisse jeweilig lange nach Geschehnisse nieder geschrieben wurden. Ehrpflicht besteht in Not! Gläubiger, ohne Bild-, Textrechte, Legitimation einer fiktiv überiridisch, übernatürlichern Urheberpersönlichkeit Gott, mit Wille, Plan, Ziel, hat in pluralistischen Demokratien kein Recht auf Zustimmungs-, Ehrpflicht für Glauben an Glauben. Aus dem formalrechtlich nichtigem Koran ist kein Kopftuch -Gesetz, für Frauen, zu entnehmen. Das hat ordentliches Gericht bereits festgestellt. Kopfbedeckung hat logische Begründung, bspw. -mit Wetterverhältnissen. -auf dem Bau, weil ein Ziegelstein auf dem Kopf Leben tötet. -in der Küche, wo tote Haare in die Suppe fallen können. -wenn Mensch im Gestank arbeiten muss, der in Haaren haften bleibt, nicht immer und überall Waschgelegenheit hat.
12.05.18
16:25
Johannes Disch sagt:
@grege (11.05.18, 21:24) Wir liefern Waffen in Krisengebiete, wenn auch nicht in jedes. Das macht es aber nicht besser. In Syrien geht die Türkei völkerrechtswidrig gegen Kurden vor-- mit deutschen "Leopard"-Panzern. Und auch den Saudis haben wir erst kürzlich wieder Waffen geliefert. Die haben der Bundesregierung versichert, sie würden sie nicht im Jemen einsetzen. Was wir den Saudis natürlich aufs Wort glauben. -- "Entscheidend ist nicht die Herkunft der Waffen, sondern die Bereitschaft, diese einzusetzen." (grege) Ja, so billig kann man sein Gewissen entlasten...
16.05.18
11:27
Saadet sagt:
@J.Disch Danke für Ihre sachlichen und klugen Ausführungen.
20.05.18
23:05
Johannes Disch sagt:
@Saadet (20.05.18, 23:05) Danke. Gern geschehen.
23.05.18
10:08
grege sagt:
@ Herr Disch das ist keine Entlastung von Gewissen, sondern eine nüchterne Tatsache. Schließlich wandert derjeinige in den Knast, der an der Waffe den Abzug getätigt hat und nicht der Waffenlieferant selber. Im übrigen nehmen Sie wieder einmal eine sehr krude Haltung ein. Auf der einen Seite haben wir den Islam kritiklos zu bewundern, auf der anderen Seite dürfen wir die muslimischen Staaten in wirtschaftlichen und sicherheitstechnischen Fragen nicht als gleichberechtigte Partner behandeln. Irgendwie beißen sich wieder einmal Ihre widersprüchlichen Forderungen.
24.06.18
14:35
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