Arbeitsgericht Berlin

Lehrerin darf nicht mit Kopftuch unterrichten

Das Berliner Arbeitsgericht entschied heute im Fall einer muslimischen Grundschullehrerin, dass sie nicht mit einem Kopftuch unterrichten dürfe. Das Neutralitätsgesetz sei nicht verfassungswidrig.

09
05
2018
Symbolbild: Arbeitsgericht, Kopftuchverbot © flickr / CC 2.0 / by hiwelo., bearbeitet IslamiQ
Symbolbild: Arbeitsgericht, Kopftuchverbot © flickr / CC 2.0 / by hiwelo., bearbeitet IslamiQ

Eine muslimische Lehrerin darf nicht mit Kopftuch an einer Grundschule in der Hauptstadt unterrichten. Das Berliner Arbeitsgericht wies am Mittwoch in erster Instanz eine Klage der Frau ab. Das Gericht erachtete das in Berlin geltende Neutralitätsgesetz nicht als verfassungswidrig. Die ausgebildete Pädagogin hat gegen das Land geklagt, weil sie mit Kopftuch nicht an einer Grundschule unterrichten darf. Eine Erörterung war für Mittwoch nicht mehr vorgesehen.

Das Neutralitätsgesetz in der Hauptstadt untersagt das Tragen von religiös geprägten Kleidungsstücken im öffentlichen Dienst. Die junge Frau hatte vor der Einstellung bejaht, dass sie das Gesetz kenne. Die Lehrerin wurde dann einem Oberstufenzentrum mit älteren Schülern zugewiesen, wo das Kopftuch erlaubt ist. Sie hätte in einer Willkommensklasse unterrichten müssen. Sie ist derzeit in Elternzeit.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (beide SPD) wollen an dem Gesetz festhalten. Der Grünen-Koalitionspartner findet das Gesetz hingegen nicht rechtskonform. Die Linke ringt noch um eine Position.

Die islamkritische Anwältin Seyran Ates vertrat in dem Streit die Bildungsverwaltung. Nach der mündlichen Verhandlung zu dem Fall hatte sie appelliert, religiöse Symbole weiter aus den Schulen herauszuhalten. Das Kopftuch stehe für große Konflikte.

2017 hatte eine muslimische Lehrerin mit Kopftuch beim Landesarbeitsgericht eine Entschädigung von 8680 Euro erstritten. Sie hatte argumentiert, sie sei wegen des Kopftuchs abgelehnt und diskriminiert worden. Das Gericht sah eine Benachteiligung, sprach jedoch von einer Einzelfallentscheidung. (dpa/iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Es ist großartig, dass allen Unkenrufe zum Trotz diese vorbildliche Berliner Norm nun ein Gütesiegel erhielt, die von allen exakt das Gleiche abverlangt. Nicht das Berliner Neutralitätsgesetz beeinträchtigt Karrierechancen, sondern uneinsichtiger ideologischer Dogmatismus. Die Organisation PEGIDA ist ein eingetragener Verein und durch das Grundrecht auf Vereinsfreiheit geschützt, so sehr ich und viele andere Menschen deren Auftreten und politische Ziele aus gutem Grund auch zutiefst ablehnen mögen. Den Anblick von PEGIDA-Demonstranten in Dresden muss jeder Bürger ertragen. Aus dem Grundrecht auf Vereinsfreiheit lässt sich allerdings nicht ableiten, dass Lehrer in PEGIDA-Shirts unterrichten dürfen. Da gibt es höherwertige entgegenstehende Interessen der Allgemeinheit, die eine Einschränkung des nach außen Tragens der Vereinszugehörigkeit jedenfalls rechtfertigen. Mit dem Kopftuch, religiösen Accessoires aus dem Online-Shop der Mormonen und orangen buddhistischen Mönchskutten ist es genauso bestellt. Privat ist so ziemlich jede Skurrilität und Absurdität, die einem vermeintlich göttlichen Auftrag zugeschrieben wird, durch die Religionsfreiheit gedeckt. Im Klassenzimmer bei Pädagogen hat das staatliche Neutralitätsprinzip Vorrang.
09.05.18
18:02
Johannes Disch sagt:
Nun, die Klägerin hat schon angekündigt, durch alle Instanzen zu gehen. Das Berliner Gericht hätte nach Art. 100 GG die Möglichkeit gehabt, den Fall gleich nach Karlsruhe zu geben. Das ist möglich, wenn das Gericht die Vermutung hat, ein Gesetz könnte vielleicht verfassungswidrig sein. Das Berliner Arbeitsgericht hat sich anders entschieden. Richter sagte aber auch deutlich, ein Urteil der ersten Instanz sei nur eine "gedankliche Durchgangsstation" und betreffe nur den Einzelfall. Eine allgemeine Regelung könne letztlich nur das Verfassungsgericht treffen. Dafür wird es auch Zeit, damit über dieses Gesetz endlich einmal Klarheit herrscht. Sonst verhandeln wir die nächsten Jahrzehnte noch Dutzende von Einzelfällen. Das ist für alle Beteiligten-- Schulen, den Berliner Senat und vor allem für die betroffenen Lehrerinnen-- unzumutbar.
09.05.18
21:07
Sven Anatoli sagt:
Ein wahres Wort ist hier zu lesen: Das islamische Kopftuch steht für große Konflikte. Und die gilt es abzuwehren.
09.05.18
21:09
Kritika sagt:
L.S. Kritika gratuliert der Anwältin Frau Seyran Ates und die demokratisch gewählte Volksvertetung der Stadt Berlin zu ihrem Sieg über eine unverbesserlichen, uneinsichtlichen islamischen KopftuchFrau. Propaganda Symbole zu Gunsten einer schillenden religiösen SplitterSekte haben in Schulen nichts zu suchen. Es ist ein wichtiger Schritt hin zu einer generellen KopftuchFreiheit in der Öffentlichkeit. Gruss, Kritika
09.05.18
22:47
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (Ihr Post 09.05.18:02) Warten wir mal ab, wie lange dieses Gütesiegel hält. Es ist nur ein Urteil der ersten Instanz, und der Richter selbst spricht davon, es handle sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung und das Urteil sei nur eine "gedankliche Durchgangsstation." Endgültige Klarheit könne nur das Verfassungsgericht schaffen. Auch die Anwältin der Winner-Seite-- Seyran Ates-- ist nach wie vor der Meinung, die Sache Karlsruhe vorzulegen wäre die sauberste Lösung. Dass wir 16 verschiedene Regelungen haben-- in jedem Bundesland eine andere-- macht die Sache schon kompliziert genug, erklärt sich aber durch unseren Förderalismus. Dass nun aber im selben Bundesland innerhalb kürzester Zeit derselbe Sachverhalt unterschiedlich bewertet wird, das ist absurd. Vergangenes Jahr entschied das Landesarbeitsgericht in Berlin-Brandenburg, dass eine abgelehnte Kopftuch-Lehrerin benachteiligt wurde und sprach ihr eine Entschädigung zu in Höhe von ca. 9000 Euro. Im selben Bundesland entscheidet grade mal ein Jahr später ein Arbeitsgericht völlig gegensätzlich. Das ist auf Dauer untragbar für alle Beteiligten. Ein Gesetz, das so viel Unfrieden stiftet ist wohl kaum als gelungen zu bezeichnen. Die "Berliner Morgenpost" titelte über das Urteil treffend: "Das Kopftuch: In Deutschland erlaubt - In Berlin verboten." Dieses Urteil in erster Instanz ist keineswegs ein Gütesiegel, und schon gar kein endgültiges. Es war einfach nur die erste Etappe auf einem längeren Weg. Ein Weg, der hoffentlich nach Karlsruhe führen wird.
10.05.18
12:53
Ute Fabel sagt:
@ Johannes Disch: Genauso wie das zuständige Berliner Arbeitsgericht habe auch ich keine Zweifel, dass das Berliner Neutralitätsgesetz verfassungskonform ist. Richtig ist, dass das Berliner Neutralitätsgesetz das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf freie Religionsausübung gemäß Art 9 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) berührt. Von diesem Grundrecht sind auch Kleidungsstücke, Haartracht sowie Zeichen und Symbole umfasst, die mit einer Religion assoziiert werden. Jedoch vertritt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seiner Rechtsprechung zur freien Religionsausübung nach Art 9 EMRK kein Absolutheitsprinzip: Seit 2. 9. 2004 ist es in Frankreich auch Schülern im öffentlichen Unterricht gesetzlich untersagt, auffallende religiöse Symbole zur Schau zu stellen, nachdem dies für Lehrer bereits seit 1905 verboten war. Der EGMR hat in den Urteilen Dogru und Kervanci gegen Frankreich (EGMR-Beschwerden Nr 27058/05 und 31645/04, beide vom 4. 12. 2008) Folgendes erkannt: Die Beschwerdeführerinnen sind Musliminnen. Nachdem sie wiederholt erfolglos aufgefordert worden waren, im Turnunterricht ihr Kopftuch abzunehmen, wurden sie aus der Schule ausgeschlossen, weil sie am Turnunterricht nicht aktiv teilgenommen und damit ihre schulischen Verpflichtungen verletzt hätten. In ihren Beschwerden an den EGMR rügten sie die Verletzung von Art 9 EMRK (Religionsfreiheit) und Art 2 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK (Recht auf Bildung). Für den Gerichtshof ist offensichtlich, dass ein Eingriff in die Religionsfreiheit vorliegt, dieser gesetzlich vorgesehen ist und mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung sowie der Rechte und Freiheiten anderer legitime Anliegen verfolgt. In einer demokratischen Gesellschaft könne es sich für das Zusammenleben als notwendig erweisen, die Religionsfreiheit einzelner Gruppierungen einzuschränken, um die Interessen der verschiedenen Glaubensrichtungen auszugleichen. Die innerstaatlichen Entscheidungsträger würden gerade in derart kontroversen Bereichen über einen erheblichen Entscheidungsspielraum verfügen. Der Eingriff in die Religionsfreiheit sei nicht nur aus Gründen der Sicherheit und der Gesundheit erfolgt. Er treffe alle Schülerinnen und Schüler unterschiedslos und bezwecke generell, die Laizität der staatlichen Schulen aufrechtzuerhalten. Es liege keine Verletzung von Art 9 EMRK vor (einstimmig). Eine gesonderte Prüfung der behaupteten Verletzung von Art 2 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK erfolgte nicht. Analog hat der EGMR in dem Urteil Sahin gegen die Türkei (EGMR-Beschwerde Nr 44774/98 vom 10. 11. 2005) entschieden. Die Abweisung einer kopftuchtragenden Medizinstudentin von der Universität Istanbul sei EMRK-konform.
10.05.18
13:29
Johannes Disch sagt:
@Urteilsbegründung Dieser Aspekt ist hoch interessant. -- Richter Boyer betonte, das Land Berlin hätte gar nicht anders handeln können, da es sonst gegen sein eigenes Gesetz verstoßen hätte. Das ist in sich schlüssig. -- Ein Ereignis scheint die Entscheidung offensichtlich stark beeinflusst zu haben: Die Teilnahme des Richters an der Antisemitismus-Demo in Berlin, wo er eine Kippa trug. Er schildert die Reaktionen. Diese waren vielfältig und durchaus unterschiedlich. Er bekam Zuspruch, aber auch Ablehnung. Dazu Richter Boyer: "Ein religiöses Symbol ist immer konfliktträchtig." Das ist richtig. Aber man kann damit unterschiedlich umgehen. Richter Boyer entschied sich dafür, dieses Konfliktpotential aus dem Klassenzimmer auszuschließen. Das kann man so machen. Es hätte aber auch die Möglichkeit gegeben, dieses Konfliktpotential zuzulassen und im Unterricht damit konstruktiv umzugehen. Wo sollen Schüler denn bitte den konstruktiven Umgang mit Pluralität und Konflikten lernen, wenn nicht in der Schule?? Das zeigt: Man kann die Dinge unterschiedlich sehen und daraus divergierende Schlüsse ableiten und unterschiedliche Urteile. Letzten Endes ist es immer Auslegungssache. Es ist eine Einzelfallentscheidung in erster Instanz. Ausschließlich eine "gedankliche Durchgangsstation", wie der Richter ausdrücklich betonte. Endgültige Klarheit über das Berliner Neutralitätsgesetz könne nur das Bundesverfassungsgericht bringen, so Richter Boyer. Man kann nur hoffen, dass das Berliner Neutralitätsgesetz bald dort landet, damit der Eiertanz um dieses umstrittene Gesetz endlich mal aufhört.
10.05.18
14:04
Johannes Disch sagt:
Der Punkt ist, dass dieses Berliner Neutralitätsgesetz gar nicht wirklich neutral ist. Es gibt Religionen mit Bekleidungsvorschriften und welche ohne. Das Christentum hat zufälligerweise halt keine. Das Judentum und der Islam aber schon. Und diese Vorschriften einzuhalten, das ist für orthodoxe Vertreter dieser beiden Weltreligionen wichtig. Somit diskriminiert dieses angebliche "Neutralitätsgesetz" in Wahrheit zwei religiöse Minderheiten in Deutschland. Und für muslimische Lehrerinnen führt es faktisch zu einem Berufsverbot. Es geht auch nicht nur um die Schule. Problematisch ist noch etwas ganz anderes: Nur 2 Tage vor der Urteilsverkündung wurde in Berlin eine Frau wegen ihres Kopftuchs angegriffen. Einige Tage vorher wurde ein Junge angegriffen, der eine Kippa trug. Inzwischen werden bei uns ständig Menschen angegriffen, nur weil sie etwas ganz selbstverständliches tun: Ihr Grundrecht auf Religionsfreiheit wahrnehmen. Wo könnte man das am besten thematisieren? Wo am besten den konstruktiven Umgang damit lernen? Genau: In der Schule. Die Schule ist kein neutraler Raum, sondern ein Spiegel der Gesellschaft, wo sich alle Konflikte abbilden. Insofern ist es pädagogisch betrachtet geradezu kontraproduktiv, das Kopftuch dort herauszuhalten. Innerhalb weniger Tage zwei nahezu identische Fälle und 2 völlig unterschiedliche Urteile: - Eine Beamtin des Jugendamts Kassel darf ihr Kopftuch im Dienst tragen, so das Verwaltungsgericht Kassel.(Bericht hier bei "islamiq" 04.05.18) Es muss für ein Verbot eine konkrete Gefährdung des Betriebsfriedens vorliegen, so das Gericht in der Urteilsbegründung. Diese sei im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Damit orientiert sich Kassel am Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2015, das ein pauschales Kopftuchverbot für verfassungswidrig erklärte. - Das Arbeitsgericht Berlin hingegen orientierte sich beim Fall der Lehrerin am Berliner Neutralitätsgesetz und untersagte das Tragen. Dieser Kuddelmuddel ist auf Dauer niemandem zumutbar. Weder den Schulen, noch den betroffenen Lehrerinnen, ganz davon abgesehen, dass er eine dauerhafte Belastung des Berliner Senats ist, wo die Koalitionspartner über dieses Gesetz völlig unterschiedlicher Meinung sind. Es wird Zeit, dass es in Karlsruhe landet, damit endlich Klarheit herrscht.
11.05.18
12:52
all-are-equal sagt:
Islamvertreter sollten muslimischen Frauen, die unterrichten wollen, aktiv Mut machen auf das Kopftuch zu verzichten. Aiman Mazyek hält Hidschab und Kopftuch für muslimische Frauen für nicht notwendig. Das hat er in der Vergangenheit schon öfters erklärt. Er nahm immer Bezug auf den 256. Koranvers der zweiten Sure „Kein Zwang in der Religion“. Warum sind er und andere Islamvertreter gerade nach diesem Urteil ganz still, wo es doch wichtig wäre sich im Interesse muslimischer Frauen klar zu positionieren?
11.05.18
18:58
Johannes Disch sagt:
Eines ist an der Urteilsbegründung des Richters ´widersprüchlich. Dass das Land Berlin nicht anders entscheiden konnte, da es sonst seinem eigenen Gesetz zuwidergehandelt hätte, das ist nachvollziehbar. Weniger nachvollziehbar ist die Aussage des Richters, das Gesetz wäre nicht verfassungswidrig und im nächsten Satz nachzuschieben, endgültig und zweifelsfrei könne das aber nur das Verfassungsgericht entscheiden. Warum hat er das dann selbst entschieden, statt es gleich nach Karlsruhe weiterzuleiten? Dass ist einem Gericht nach Art. 100 GG möglich, wenn Zweifel an der Verfassungskonformität eines Gesetzes bestehen. Nun, in Karlsruhe wird es bald landen. Die unterlegene Seite hat heute verdeutlicht, sie wird durch alle Instanzen gehen. Der Berliner Arbeitsrichter Boyer hätte diesen Weg abkürzen können. Nun wird er einfach nur ein bisschen länger.
11.05.18
21:45
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