Gibt es in der AfD eine Grenze des Sagbaren? Und wenn ja, wo genau verläuft sie? Rechts von Björn Höcke? Ein Schiedsgericht der Thüringer AfD lehnte seinen Rauswurf aus der Partei ab. Eine Gruppe Gemäßigter in der AfD will sich damit nicht abfinden.
Der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke darf trotz seiner umstrittenen Dresdner Rede zur deutschen Erinnerungskultur in der Partei bleiben. Das Thüringer Landesschiedsgericht der AfD wies einen Antrag des Bundesvorstands ab, den Gründer des rechtsnationalen Parteiflügels aus der Partei auszuschließen. Die Interessengemeinschaft „Alternative Mitte“, die Bürgerliche und Gemäßigte in der AfD vertritt, rief die Parteispitze auf, den Fall vor das Bundesschiedsgericht zu bringen.
Das Thüringer Schiedsgericht kam zu dem Ergebnis, dass durch die vom Bundesvorstand monierten Äußerungen «eine Wesensverwandtschaft Höckes mit dem Nationalsozialismus» nicht festzustellen sei, wie die AfD am Mittwoch in Erfurt mitteilte. Höcke habe mit seiner Rede vom 17. Januar 2017 nicht vorsätzlich gegen die Parteisatzung verstoßen.
Der alte AfD-Bundesvorstand – damals noch unter der inzwischen ausgetretenen Parteichefin Frauke Petry – hatte seinen Antrag auf Parteiausschluss im Februar 2017 unter anderem mit Höckes Ruf nach einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ begründet sowie mit seiner Kritik an angeblichen Karrieristen in der Partei.
Mit Alexander Gauland und Jörg Meuthen stehen seit Anfang Dezember zwei Männer an der Parteispitze, die Höcke unterstützen. Gauland sagte am Mittwoch: „Wir haben das Schiedsgerichtsurteil nicht zu kommentieren. Über das weitere Vorgehen wird im Bundesvorstand beraten werden.“ Meuthen erklärte, an mehreren Passagen der Dresdner Rede sei „deutlicher Tadel angezeigt“. Trotzdem sei er persönlich dagegen, das Verfahren gegen Höcke weiterzuverfolgen.
Die „Alternative Mitte“ verlangte am Mittwochabend, das Bundesschiedsgericht entscheiden zu lassen. Der Bundesvorstand wurde aufgefordert, „hier ein klares Zeichen zu setzen und den Rechtsweg voll auszuschöpfen.“ In einer Mitteilung hieß es weiter: „Zum Einen trägt dies der Wichtigkeit des Themas Rechnung, zum Anderen birgt nur dieser Weg die Chance, den inneren Frieden in der Partei herzustellen und zu erhalten.“
Allerdings gilt es nach Angaben aus Parteikreisen als eher unwahrscheinlich, dass sich in der neuen Parteispitze eine Mehrheit dafür findet, den Fall vor das Bundesschiedsgericht zu tragen. Auch ob sich der Bundesvorstand in seiner nächsten Sitzung am 22. Juni überhaupt mit dieser Frage befassen wird, steht noch nicht fest.
Bundesvorstandsmitglied Steffen Königer sagte: „Wenn ich an Höckes Stelle wäre, würde ich mir den Freispruch erster Klasse vom Bundesschiedsgericht holen.“ Der Vorsitzende der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, Oliver Kirchner, erklärte dagegen: „Björn Höcke ist und bleibt damit ein unverzichtbarer Teil der AfD.“
Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka erklärte, ihn wundere die Entscheidung nicht. „Warum sollte diese Partei jemanden ausschließen, dessen nationalistische, rassistische, antisemitische und völkische Parolen das geistige Fundament der AfD sind?“ Das Urteil des Schiedsgerichts unterstreicht nach Lischkas Ansicht: „Die AfD ist auf Typen wie Höcke angewiesen.“ Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz wertete das Urteil als Zeichen, dass „die Gruppe der Völkisch-Nationalen in der sich weiter extremisierenden Partei“ immer stärker werde. (dpa, iQ)