Überall im Land werden Fahrradkurse für geflüchtete arabische Frauen angeboten, so auch im Brandenburgischen Fürstenwalde. Das Angebot wird von vielen Frauen gerne genutzt.
Fatien Hayajneh erinnert sich noch genau daran, wie sie sich als kleines Mädchen selbst das Radfahren beibrachte. Es war auf dem Dachboden ihres Elternhauses in einem kleinen Dorf in Jordanien. Mit einer Hand stützte sie sich an der Mauer ab, mit der anderen umklammerte sie den Lenker. „Die Mauer hilft mir noch heute manchmal“, sagt sie und lacht.
Die 35-Jährige arbeitet beim arabischen Verein „Al Tariq“ im Brandenburgischen Fürstenwalde. Gemeinsam mit rund 20 Frauen steht sie auf dem Verkehrsübungsplatz der Stadt im Landkreis Oder-Spree. Heute wird sie gemeinsam mit weiteren ehrenamtlichen Helfern geflüchteten Frauen das Radfahren beibringen.
Jörg Raue hat dafür auf dem Platz einen Parcours aufgebaut. Es geht für die Radlerinnen durch eine mit Holzklötzchen aufgestellte S-Form, danach links um einen Busch. „Am Ende wartet noch ein Slalom und ein Bremstest“, erläutert der Vorsitzende der Verkehrswacht Fürstenwalde-Erkner. Der Mann in Jeans und gelber Weste ist zurückhaltend. Frauen mit Kopftüchern auf Rädern seien ihm hier noch nie begegnet. „Normalerweise üben hier Viertklässler für die Fahrradprüfung“, sagt Raue.
In Fürstenwalde findet der Kurs für arabische Frauen zum ersten Mal statt. Mit-Organisatorin Gabi Moser vom Kirchenkreis Oderland-Spree hat sich mit Lernvideos und Handbüchern vorbereitet. Die Idee zu dem Kurs kam ihr 2015 bei einer Fahrradwerkstatt in Berlin-Heinersdorf, zu der auch viele in dem Stadtteil untergebrachte Geflüchtete kamen. Von ihrer Idee erzählte Moser Hayajneh. „Ich war sofort begeistert von der Idee“, sagt Hayajneh. Sie hatte selbst schon einmal versucht, Frauen das Radfahren beizubringen. „Das gab einige blaue Flecke“, erinnert sich die 35-Jährige. Schnell hatte sie genügend Frauen für den Kurs zusammen.
„Viele empfinden das Fahrradfahren als ein Stück persönliche Freiheit“, sagt Moser. Gerade hier auf dem Lande müsse man lange Strecken zurücklegen, ob zum Einkaufen oder um die Kinder von der Schule oder dem Kindergarten abzuholen.
In vielen arabischen Ländern seien Frauen auf Fahrrädern nicht gerne gesehen, weiß Helferin Ayse. So auch in ihrem Heimatland Syrien. Die gelernte Apothekerin ist vor dem Bürgerkrieg in ihrem Land geflohen und lebt seit zwei Jahren in Fürstenwalde. „In den Städten Syriens kann man auch meistens nicht fahren“, sagt Ayse. Die Straßen seien oft für Fahrräder ungeeignet.
„Das Schwierigste für die Frauen auf dem Fahrrad ist das Gleichgewicht“, weiß Moser. Während Kinder eher Probleme mit der Koordination hätten, sei es für die Frauen schwierig, sich auf den Rädern zu halten.
Sawsan Younis fährt heute zum zweiten Mal in ihrem Leben Fahrrad. „Ich möchte damit meine Kinder von der Schule abholen“, sagt sie. Zielgerade steuert die 45-jährige Syrerin ihr Rad über den Platz. Plötzlich wirft ihr Gabi Moser eines der Holzklötzchen vor den Reifen. Younis tritt in die Bremse. Steht. „Super gemacht!“, ruft Moser ihr zu. Doch Younis ist schon wieder auf dem Weg zum nächsten Hindernis. Ihr Kopftuch flattert im Fahrtwind.
Fahrradkurse für Geflüchtete werden mittlerweile in vielen deutschen Städten angeboten. Auch die Radfahrschulen des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) bieten Kurse in München oder im saarländischen Völklingen an, berichtet ADFC-Sprecherin Floriane Lewer. Auf der Internetseite des ADFC gibt es Infomaterial und Lernvideos für interessierte Kursveranstalter. Ein Flyer mit den wichtigsten Verkehrsregeln gibt es in sechs verschiedenen Sprachen zum Download, darunter in Farsi, Arabisch und Französisch.
Auch der Potsdamer Verein „Hand in Hand“ bietet regelmäßig Fahrradkurse für arabische Frauen im Frauenzentrum in der Schiffbauergasse und im Staudenhof an. Bei jedem Kurs sind syrische Trainerassistenten dabei, die Arabisch und Deutsch sprechen. „Die Kurse sind gut besucht“, erzählt Frauke Havekost. Manche der Frauen hätten sich schon ihr eigenes Rad gekauft.
Laut dem Brandenburger Sozialministerium lebten zum Stichtag 31. Januar dieses Jahres 19 188 Menschen in den Flüchtlingsunterkünften des Landes. Allein im vergangenen Jahr nahm das Land etwa 4500 Asylsuchende auf. Ob die Zahl stark ansteigen wird, wenn im Sommer ein Familiennachzug möglich wird, sei noch nicht abzuschätzen, heißt es im Ministerium. (dpa/iQ)