Religionsfreiheit in Deutschland

„Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen“

Der neue und erste Religionsfreiheitsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Grübel (CDU), will das Bewusstsein für die Diskriminierung von religiösen Minderheiten stärken. Viele Vorgaben habe er nicht, sagte Grübel im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin.

24
05
2018
Wie sieht es aus mit Religionsfreiheit in Deutschland? ©metropolico.org auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.
Wie sieht es aus mit Religionsfreiheit in Deutschland? ©metropolico.org auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.

Herr Grübel, wie sind Sie zu diesem Amt gekommen?

Grübel: Das Amt kam eher zu mir. Aber ich bin ein gläubiger Katholik. Mir ist Religion wichtig und ich kann verstehen, welche Bedeutung Religion für andere hat. Zudem ist mir während meiner Zeit als Staatssekretär im Verteidigungsministerium das Thema Religionsfreiheit mit Blick auf die Verfolgung von Christen, Jesiden und anderen religiöse Minderheiten im Irak begegnet.

Sie sind der erste Amtsinhaber. Weshalb wurde dieses Amt gerade jetzt eingerichtet?

Grübel: Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit wird zunehmend eingeschränkt. Erhebungen zufolge können bis zu drei Viertel der Menschen ihr Recht auf Religionsfreiheit nicht frei ausüben. Vor wenigen Jahren galt dies etwa für Christen in 108 Ländern weltweit, mittlerweile sind es 128.

Welche Aufgaben hat der Religionsfreiheitsbeauftragte?

Grübel: Der Koalitionsvertrag macht kaum Vorgaben. Er verlangt, den Regierungsbericht zur Religionsfreiheit alle zwei Jahre fortzuschreiben. Ich bin also ziemlich frei in der Gestaltung. Zum einen will ich über die Gemeinsamkeiten von Religionen aufklären, etwa zwischen dem Islam und dem Christentum, Vorurteile abbauen und mehr Bewusstsein für das Thema schaffen. Anderseits will ich klar benennen, wo das Menschenrecht auf Religionsfreiheit nicht gewährt wird.

Welche Länder oder Regionen bereiten Ihnen die größten Sorgen?

Grübel: Durch die Radikalisierung im Islam werden religiöse Minderheiten, aber auch Muslime selbst stark bedrängt. Christen gelten dann oft als Bürger zweiter Klasse. Die Diskriminierung reicht von Problemen beim Bau von Gotteshäusern bis hin zur Zeugenaussage vor Gericht. Religionsstreitigkeiten sind aber auch Brandbeschleuniger in Konflikten oder werden aus Machtgründen missbraucht.

Wo sehen Sie vorrangig Ihre Aufgabe?

Grübel: Mit Blick auf ein konkretes Engagement drängt sich die Nachkriegsordnung im Nordirak auf, wo es zahlreiche bedrohte traditionsreiche christliche Kirchen sowie Jesiden und andere Minderheiten gibt. Ich war unlängst dort. Ziel muss sein, den interreligiösen Dialog und einen Aussöhnungsprozess zu gestalten, bei dem alle Religionen einbezogen werden. Keine Religion darf aussterben, Gotteshäuser müssen wieder aufgebaut werden, dafür brauchen religiöse Minderheiten Sicherheit. Flüchtlinge sollen die Chance zur Rückkehr erhalten.

Fehlt es an öffentlichem Bewusstsein für das Drama der Christenverfolgung?

Grübel: Leider wird unglaublich viel über den „Islamischen Staat“ berichtet, aber wenig über die Opfer. Wir müssen sie wesentlich stärker in den Fokus stellen. Bei vielen Deutschen ist hier aber Interesse durch die Betreuung von Flüchtlingen geweckt worden.

Wie steht es um andere Regionen und bedrohte Gruppen, etwa die muslimische Minderheit der Rohingya in Myanmar?

Grübel: Sie sind räumlich weiter entfernt. Die Betroffenheit ist demnach geringer, und wir können dort auch weniger auf bestehende Projekte zurückgreifen. Aber im Herbst will ich nach Myanmar und Bangladesch reisen. Der Konflikt ist stark religiös geprägt und die muslimische Minderheit wird massiv bedrängt.

Sollten Flüchtlinge, die einer religiösen Minderheit angehören, in Deutschland mehr Möglichkeit erhalten, ihre Gemeinschaft besser zu leben und ihre Kultur im Exil zu erhalten?

Grübel: Das sollte man sicher unterstützen, sofern es nicht die Integration behindert. In Baden-Württemberg gibt es etwa eine starke jesidische Gemeinschaft, in der dies gut gelingt. Wichtig ist aber auch die Möglichkeit zur Rückkehr in die Heimat, sonst übernehmen andere die Dörfer und Städte.

Ursprünglich sollte Ihre Stelle im Außenamt eingerichtet werden. Weshalb sind Sie nun im Entwicklungsministerium (BMZ)? Zumal Religionsfreiheit keine Frage der Entwicklung eines Landes ist …

Grübel: Im BMZ hat mein Amt ein Alleinstellungsmerkmal. Im Außenamt wäre es eines von vielen Menschenrechtsthemen. Zudem gibt es im BMZ bereits ein Referat für Kirchen, und es gibt viele Projekte, an die wir im interreligiösen Dialog anknüpfen können. Selbstverständlich ist es aber ein Querschnittsthema, das auch andere Ressort betreffen kann, neben dem Außenamt etwa das Bildungs-, Verteidigungs- oder Wirtschaftsministerium. Dieser Austausch wird spannend.

Würde eine Anbindung an das Parlament Ihnen nicht größere Freiheiten geben? Sie müssten weniger auf diplomatische Vorbehalte Rücksicht nehmen.

Grübel: Ich fühle mich hier durchaus frei und bin ja auch Parlamentarier. Sicher überlegt man mehr, ob man die eigene Regierung scharf kritisiert, aber im Konfliktfall muss ich dem Auftrag meines Amtes folgen.

Planen sie auch die Zusammenarbeit mit den Kirchen?

Grübel: Die Kirchen sind zentrale Ansprechpartner und Akteure.

Die Union hatte am ersten Bericht kritisiert, dass er zu formal sei. Wie sind Ihre Vorstellungen?

Grübel: Ich möchte nicht nur berichten, sondern auch Schwerpunkte setzen, Empfehlungen aussprechen, kurz viel stärker werten. Hinzu kommt ein systematischer Länderbericht. Hier wird es sicherlich spannend, wie die Debatte innerhalb der Bundesregierung läuft.

Wo könnte es Probleme geben?

Grübel: Nehmen sie Wirtschaftsinteressen mit China, oder die Beziehung zur Türkei. Da kann es Interessenskonflikte geben.

Worauf wollen Sie sich im Bericht stützen?

Grübel: Er soll eine breite und solide Grundlage haben. Ich möchte Berichte des Außenamtes, die religionspolitischen Sprecher der Fraktionen, den Menschenrechtsausschuss, Religionsgemeinschaften, Experten und natürlich Betroffene einbeziehen. Es soll ein inklusiver Prozess werden, den ich durch öffentliche Veranstaltungen ergänzen möchte.

 Muss Deutschland mehr Verantwortung übernehmen?

Grübel: Ja.

Wie steht es um die Religionsfreiheit in Deutschland?

Grübel: Im internationalen Vergleich scheint es uns sehr gut zu gehen. Aber man muss genau hinschauen: Es gibt antisemitische Übergriffe und auch Antiislamismus*.

Und bei der Kopftuch-Frage?

Grübel: Grundsätzlich gilt, dass man Religionszugehörigkeit auch öffentlich bekennen können muss. Darüber hinaus ist es eine vielschichtige Abwägungssache. Bei jungen Mädchen ist es meines Erachtens eine pädagogische Frage.

Wie bewerten sie die AfD-Aussage, der Islam sei eigentlich keine Religion?

Grübel: Der Staat hält sich mit Recht zurück, Religion positiv zu definieren. Wenn der Religionscharakter grundsätzlich abgesprochen wird oder diffamierende Pauschalvorwürfe erhoben werden, dann gibt es hier einen Konflikt.

Das Interview führten Anna Mertens und Christoph Scholz (KNA)

*nicht die Wortwahl der IslamiQ-Redaktion. 

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
Einen "Antisemitismusbeauftragten", nun noch einen "Religionsfreiheitsbeauftragten"--- klingt nach ABM-Maßnahmen für unterbeschäftigte Politiker.
24.05.18
17:29
Harousch sagt:
Na endlich spricht mal ein Parlamentarier das Wort aus: Antiislamismus, ein Begriff der prinzipiell als realitätsfern galt, gerade bei vielen Misanthropen, wobei Islamfeindlichkeit wohl die wesentlich vorteilhaftere Bezeichnung gewesen wäre. Dafür braucht man dann wahrscheinlich weitere Anläufe. Wie heißt es so schön: Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. Erstaunt bin ich dennochdarüber, dass gerade diese Position mit einem Christdemokraten besetzt wurde. Dabei sind die bayrischen Spitzenpolitiker auf dem rechten Auge ja gerne blind. Hoffentlich ist es kein Blindgänger!
24.05.18
18:52
Frederic Voss sagt:
Hier wird nach der Religionsfreiheit in Deutschland gefragt. Und besonders diejenigen, die ständig und lautstark mit erhobenem (Islam-)Zeigefinger diese Freiheit einfordern, müssen es sich schon gefallen lassen, wenn sie selber nach der Religionsfreiheit in ihren ureigensten Mutterländern bzw. islamischen Gottesstaaten gefragt werden. Denn dort steht es in Wahrheit miserabel und ganz übel um diese Religionsfreiheit. Sie wird dort mit Füßen getreten und diktatorisch verweigert. Daher müssen die postulierenden Fragesteller erst einmal Farbe bekennen und richtig Verantwortung übernehmen für die Einhaltung der Menschenrechte in allen islamisch gelenkten Ländern und Gottesstaaten.
25.05.18
23:53
Johannes Disch sagt:
Deutschland muss vor allem wieder etwas selbstverständliches gewähren: Das Grundrecht auf Religionsfreiheit. Und nicht versuchen, mit fadenscheinigen juristischen Konstruktionen und fragwürdigen Landesgesetzen ("Berliner Neutralitätsgesetz") diese permanent einzuschränken.
26.05.18
18:17
Prinzessin Rosa sagt:
Hahaha Religionsbeauftragtet, das ich nicht lache....dad klang ja eher nach Kirchenbeauftragten!!! Uhhh, also die Rohingya sind ja viiiiiieeerrl weiter weg, und der Irak ist um die Ecke oder was??? Vollspacko , heißt inkompetent, und tschüss, heul mein Steuergeld!!!
27.05.18
3:41
grege sagt:
Das Interview wurde sehr oberflächlich gehalten, in dem mehrere Themen gestreift worden sind. Daher ist die Aussagekraft der Inhalte eher bescheiden.
27.05.18
16:21
Johannes Disch sagt:
@Frederic Voss (25.05.18, 23:53) Der immer wiederkehrende Verweis auf die Zustände in anderen Ländern führt in die Sackgasse. Es geht um die Zustände bei uns. Wir können die Gewährung von Grundrechten nicht von Zuständen in anderen Ländern abhängig machen. Unsere Grundrechte gelten für jeden, der bei uns lebt, unabhängig davon wie es in seinem Heimatland ausseht.
28.05.18
7:51
Markus sagt:
@Harousch Ist Markus Grübel bayerischer Politiker und trotzdem in der CDU und nicht der CSU? Über Blindheit auf irgendeinem Auge brauchen Moslems übrigens nicht zu klagen. Die Verbrechen der islamischen Hamas werden auch gerne von Moslems ignoriert.
28.05.18
10:49
Andreas B sagt:
@Frederic Voss Ein Bürger unseres Landes muss sich keineswegs nach der Religionsfreiheit in vermeintlich muslimischen Ländern fragen lassen und schon gar nicht müssen sie Verantwortung für das Handeln von Diktatoren übernehmen, die vom Westen teilweise gestützt werden oder wurden. An der fehlenden Demokratie in der sog. islamischen Welt sind oft nicht die Msulime schuld, sondern die Politik des westens.
28.05.18
10:52
grege sagt:
Nicht wenige, auch hier lebende Muslime, neigen gerne zu einem Überlegenheitsdünkel ihrer Religion gegenüber anderen Kulturen bzw. Religionen. Insofern ist der Einwand von Herrn Voss schon berechtigt. Die Zustände in den meisten muslimischen Ländern sind alles andere als beispielhaft, was dem Überlegenheitsdenken solcher Muslime widerspricht. In vielen islamischen Ländern sind aus freien Wahlen oder Protesten gegen die Obrigkeit islamistische Parteien als stärkste hervorgegangen. Diese Parteien haben vielfach auch nicht gerade zur Weiterwenticklung ihrer Länder beigetragen, ebenso wie vormalige säkular-totalitären Regime. Eine Mitverantwortung der Bürger ist hier schon erkennbar, so dass hier außenstehende Staaten wieder einmal die Wahl zwischen Pest und Cholera haben. Eine Pauschallschuld an dem gesamten Westen ist daher völlig deplaziert.
29.05.18
21:48
1 2