Der neue und erste Religionsfreiheitsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Grübel (CDU), will das Bewusstsein für die Diskriminierung von religiösen Minderheiten stärken. Viele Vorgaben habe er nicht, sagte Grübel im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin.
Herr Grübel, wie sind Sie zu diesem Amt gekommen?
Grübel: Das Amt kam eher zu mir. Aber ich bin ein gläubiger Katholik. Mir ist Religion wichtig und ich kann verstehen, welche Bedeutung Religion für andere hat. Zudem ist mir während meiner Zeit als Staatssekretär im Verteidigungsministerium das Thema Religionsfreiheit mit Blick auf die Verfolgung von Christen, Jesiden und anderen religiöse Minderheiten im Irak begegnet.
Sie sind der erste Amtsinhaber. Weshalb wurde dieses Amt gerade jetzt eingerichtet?
Grübel: Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit wird zunehmend eingeschränkt. Erhebungen zufolge können bis zu drei Viertel der Menschen ihr Recht auf Religionsfreiheit nicht frei ausüben. Vor wenigen Jahren galt dies etwa für Christen in 108 Ländern weltweit, mittlerweile sind es 128.
Welche Aufgaben hat der Religionsfreiheitsbeauftragte?
Grübel: Der Koalitionsvertrag macht kaum Vorgaben. Er verlangt, den Regierungsbericht zur Religionsfreiheit alle zwei Jahre fortzuschreiben. Ich bin also ziemlich frei in der Gestaltung. Zum einen will ich über die Gemeinsamkeiten von Religionen aufklären, etwa zwischen dem Islam und dem Christentum, Vorurteile abbauen und mehr Bewusstsein für das Thema schaffen. Anderseits will ich klar benennen, wo das Menschenrecht auf Religionsfreiheit nicht gewährt wird.
Welche Länder oder Regionen bereiten Ihnen die größten Sorgen?
Grübel: Durch die Radikalisierung im Islam werden religiöse Minderheiten, aber auch Muslime selbst stark bedrängt. Christen gelten dann oft als Bürger zweiter Klasse. Die Diskriminierung reicht von Problemen beim Bau von Gotteshäusern bis hin zur Zeugenaussage vor Gericht. Religionsstreitigkeiten sind aber auch Brandbeschleuniger in Konflikten oder werden aus Machtgründen missbraucht.
Wo sehen Sie vorrangig Ihre Aufgabe?
Grübel: Mit Blick auf ein konkretes Engagement drängt sich die Nachkriegsordnung im Nordirak auf, wo es zahlreiche bedrohte traditionsreiche christliche Kirchen sowie Jesiden und andere Minderheiten gibt. Ich war unlängst dort. Ziel muss sein, den interreligiösen Dialog und einen Aussöhnungsprozess zu gestalten, bei dem alle Religionen einbezogen werden. Keine Religion darf aussterben, Gotteshäuser müssen wieder aufgebaut werden, dafür brauchen religiöse Minderheiten Sicherheit. Flüchtlinge sollen die Chance zur Rückkehr erhalten.
Fehlt es an öffentlichem Bewusstsein für das Drama der Christenverfolgung?
Grübel: Leider wird unglaublich viel über den „Islamischen Staat“ berichtet, aber wenig über die Opfer. Wir müssen sie wesentlich stärker in den Fokus stellen. Bei vielen Deutschen ist hier aber Interesse durch die Betreuung von Flüchtlingen geweckt worden.
Wie steht es um andere Regionen und bedrohte Gruppen, etwa die muslimische Minderheit der Rohingya in Myanmar?
Grübel: Sie sind räumlich weiter entfernt. Die Betroffenheit ist demnach geringer, und wir können dort auch weniger auf bestehende Projekte zurückgreifen. Aber im Herbst will ich nach Myanmar und Bangladesch reisen. Der Konflikt ist stark religiös geprägt und die muslimische Minderheit wird massiv bedrängt.
Sollten Flüchtlinge, die einer religiösen Minderheit angehören, in Deutschland mehr Möglichkeit erhalten, ihre Gemeinschaft besser zu leben und ihre Kultur im Exil zu erhalten?
Grübel: Das sollte man sicher unterstützen, sofern es nicht die Integration behindert. In Baden-Württemberg gibt es etwa eine starke jesidische Gemeinschaft, in der dies gut gelingt. Wichtig ist aber auch die Möglichkeit zur Rückkehr in die Heimat, sonst übernehmen andere die Dörfer und Städte.
Ursprünglich sollte Ihre Stelle im Außenamt eingerichtet werden. Weshalb sind Sie nun im Entwicklungsministerium (BMZ)? Zumal Religionsfreiheit keine Frage der Entwicklung eines Landes ist …
Grübel: Im BMZ hat mein Amt ein Alleinstellungsmerkmal. Im Außenamt wäre es eines von vielen Menschenrechtsthemen. Zudem gibt es im BMZ bereits ein Referat für Kirchen, und es gibt viele Projekte, an die wir im interreligiösen Dialog anknüpfen können. Selbstverständlich ist es aber ein Querschnittsthema, das auch andere Ressort betreffen kann, neben dem Außenamt etwa das Bildungs-, Verteidigungs- oder Wirtschaftsministerium. Dieser Austausch wird spannend.
Würde eine Anbindung an das Parlament Ihnen nicht größere Freiheiten geben? Sie müssten weniger auf diplomatische Vorbehalte Rücksicht nehmen.
Grübel: Ich fühle mich hier durchaus frei und bin ja auch Parlamentarier. Sicher überlegt man mehr, ob man die eigene Regierung scharf kritisiert, aber im Konfliktfall muss ich dem Auftrag meines Amtes folgen.
Planen sie auch die Zusammenarbeit mit den Kirchen?
Grübel: Die Kirchen sind zentrale Ansprechpartner und Akteure.
Die Union hatte am ersten Bericht kritisiert, dass er zu formal sei. Wie sind Ihre Vorstellungen?
Grübel: Ich möchte nicht nur berichten, sondern auch Schwerpunkte setzen, Empfehlungen aussprechen, kurz viel stärker werten. Hinzu kommt ein systematischer Länderbericht. Hier wird es sicherlich spannend, wie die Debatte innerhalb der Bundesregierung läuft.
Wo könnte es Probleme geben?
Grübel: Nehmen sie Wirtschaftsinteressen mit China, oder die Beziehung zur Türkei. Da kann es Interessenskonflikte geben.
Worauf wollen Sie sich im Bericht stützen?
Grübel: Er soll eine breite und solide Grundlage haben. Ich möchte Berichte des Außenamtes, die religionspolitischen Sprecher der Fraktionen, den Menschenrechtsausschuss, Religionsgemeinschaften, Experten und natürlich Betroffene einbeziehen. Es soll ein inklusiver Prozess werden, den ich durch öffentliche Veranstaltungen ergänzen möchte.
Muss Deutschland mehr Verantwortung übernehmen?
Grübel: Ja.
Wie steht es um die Religionsfreiheit in Deutschland?
Grübel: Im internationalen Vergleich scheint es uns sehr gut zu gehen. Aber man muss genau hinschauen: Es gibt antisemitische Übergriffe und auch Antiislamismus*.
Und bei der Kopftuch-Frage?
Grübel: Grundsätzlich gilt, dass man Religionszugehörigkeit auch öffentlich bekennen können muss. Darüber hinaus ist es eine vielschichtige Abwägungssache. Bei jungen Mädchen ist es meines Erachtens eine pädagogische Frage.
Wie bewerten sie die AfD-Aussage, der Islam sei eigentlich keine Religion?
Grübel: Der Staat hält sich mit Recht zurück, Religion positiv zu definieren. Wenn der Religionscharakter grundsätzlich abgesprochen wird oder diffamierende Pauschalvorwürfe erhoben werden, dann gibt es hier einen Konflikt.
Das Interview führten Anna Mertens und Christoph Scholz (KNA)
*nicht die Wortwahl der IslamiQ-Redaktion.