Religionsfreiheit in Deutschland

„Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen“

Der neue und erste Religionsfreiheitsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Grübel (CDU), will das Bewusstsein für die Diskriminierung von religiösen Minderheiten stärken. Viele Vorgaben habe er nicht, sagte Grübel im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin.

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05
2018
Wie sieht es aus mit Religionsfreiheit in Deutschland? ©metropolico.org auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.
Wie sieht es aus mit Religionsfreiheit in Deutschland? ©metropolico.org auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.

Herr Grübel, wie sind Sie zu diesem Amt gekommen?

Grübel: Das Amt kam eher zu mir. Aber ich bin ein gläubiger Katholik. Mir ist Religion wichtig und ich kann verstehen, welche Bedeutung Religion für andere hat. Zudem ist mir während meiner Zeit als Staatssekretär im Verteidigungsministerium das Thema Religionsfreiheit mit Blick auf die Verfolgung von Christen, Jesiden und anderen religiöse Minderheiten im Irak begegnet.

Sie sind der erste Amtsinhaber. Weshalb wurde dieses Amt gerade jetzt eingerichtet?

Grübel: Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit wird zunehmend eingeschränkt. Erhebungen zufolge können bis zu drei Viertel der Menschen ihr Recht auf Religionsfreiheit nicht frei ausüben. Vor wenigen Jahren galt dies etwa für Christen in 108 Ländern weltweit, mittlerweile sind es 128.

Welche Aufgaben hat der Religionsfreiheitsbeauftragte?

Grübel: Der Koalitionsvertrag macht kaum Vorgaben. Er verlangt, den Regierungsbericht zur Religionsfreiheit alle zwei Jahre fortzuschreiben. Ich bin also ziemlich frei in der Gestaltung. Zum einen will ich über die Gemeinsamkeiten von Religionen aufklären, etwa zwischen dem Islam und dem Christentum, Vorurteile abbauen und mehr Bewusstsein für das Thema schaffen. Anderseits will ich klar benennen, wo das Menschenrecht auf Religionsfreiheit nicht gewährt wird.

Welche Länder oder Regionen bereiten Ihnen die größten Sorgen?

Grübel: Durch die Radikalisierung im Islam werden religiöse Minderheiten, aber auch Muslime selbst stark bedrängt. Christen gelten dann oft als Bürger zweiter Klasse. Die Diskriminierung reicht von Problemen beim Bau von Gotteshäusern bis hin zur Zeugenaussage vor Gericht. Religionsstreitigkeiten sind aber auch Brandbeschleuniger in Konflikten oder werden aus Machtgründen missbraucht.

Wo sehen Sie vorrangig Ihre Aufgabe?

Grübel: Mit Blick auf ein konkretes Engagement drängt sich die Nachkriegsordnung im Nordirak auf, wo es zahlreiche bedrohte traditionsreiche christliche Kirchen sowie Jesiden und andere Minderheiten gibt. Ich war unlängst dort. Ziel muss sein, den interreligiösen Dialog und einen Aussöhnungsprozess zu gestalten, bei dem alle Religionen einbezogen werden. Keine Religion darf aussterben, Gotteshäuser müssen wieder aufgebaut werden, dafür brauchen religiöse Minderheiten Sicherheit. Flüchtlinge sollen die Chance zur Rückkehr erhalten.

Fehlt es an öffentlichem Bewusstsein für das Drama der Christenverfolgung?

Grübel: Leider wird unglaublich viel über den „Islamischen Staat“ berichtet, aber wenig über die Opfer. Wir müssen sie wesentlich stärker in den Fokus stellen. Bei vielen Deutschen ist hier aber Interesse durch die Betreuung von Flüchtlingen geweckt worden.

Wie steht es um andere Regionen und bedrohte Gruppen, etwa die muslimische Minderheit der Rohingya in Myanmar?

Grübel: Sie sind räumlich weiter entfernt. Die Betroffenheit ist demnach geringer, und wir können dort auch weniger auf bestehende Projekte zurückgreifen. Aber im Herbst will ich nach Myanmar und Bangladesch reisen. Der Konflikt ist stark religiös geprägt und die muslimische Minderheit wird massiv bedrängt.

Sollten Flüchtlinge, die einer religiösen Minderheit angehören, in Deutschland mehr Möglichkeit erhalten, ihre Gemeinschaft besser zu leben und ihre Kultur im Exil zu erhalten?

Grübel: Das sollte man sicher unterstützen, sofern es nicht die Integration behindert. In Baden-Württemberg gibt es etwa eine starke jesidische Gemeinschaft, in der dies gut gelingt. Wichtig ist aber auch die Möglichkeit zur Rückkehr in die Heimat, sonst übernehmen andere die Dörfer und Städte.

Ursprünglich sollte Ihre Stelle im Außenamt eingerichtet werden. Weshalb sind Sie nun im Entwicklungsministerium (BMZ)? Zumal Religionsfreiheit keine Frage der Entwicklung eines Landes ist …

Grübel: Im BMZ hat mein Amt ein Alleinstellungsmerkmal. Im Außenamt wäre es eines von vielen Menschenrechtsthemen. Zudem gibt es im BMZ bereits ein Referat für Kirchen, und es gibt viele Projekte, an die wir im interreligiösen Dialog anknüpfen können. Selbstverständlich ist es aber ein Querschnittsthema, das auch andere Ressort betreffen kann, neben dem Außenamt etwa das Bildungs-, Verteidigungs- oder Wirtschaftsministerium. Dieser Austausch wird spannend.

Würde eine Anbindung an das Parlament Ihnen nicht größere Freiheiten geben? Sie müssten weniger auf diplomatische Vorbehalte Rücksicht nehmen.

Grübel: Ich fühle mich hier durchaus frei und bin ja auch Parlamentarier. Sicher überlegt man mehr, ob man die eigene Regierung scharf kritisiert, aber im Konfliktfall muss ich dem Auftrag meines Amtes folgen.

Planen sie auch die Zusammenarbeit mit den Kirchen?

Grübel: Die Kirchen sind zentrale Ansprechpartner und Akteure.

Die Union hatte am ersten Bericht kritisiert, dass er zu formal sei. Wie sind Ihre Vorstellungen?

Grübel: Ich möchte nicht nur berichten, sondern auch Schwerpunkte setzen, Empfehlungen aussprechen, kurz viel stärker werten. Hinzu kommt ein systematischer Länderbericht. Hier wird es sicherlich spannend, wie die Debatte innerhalb der Bundesregierung läuft.

Wo könnte es Probleme geben?

Grübel: Nehmen sie Wirtschaftsinteressen mit China, oder die Beziehung zur Türkei. Da kann es Interessenskonflikte geben.

Worauf wollen Sie sich im Bericht stützen?

Grübel: Er soll eine breite und solide Grundlage haben. Ich möchte Berichte des Außenamtes, die religionspolitischen Sprecher der Fraktionen, den Menschenrechtsausschuss, Religionsgemeinschaften, Experten und natürlich Betroffene einbeziehen. Es soll ein inklusiver Prozess werden, den ich durch öffentliche Veranstaltungen ergänzen möchte.

 Muss Deutschland mehr Verantwortung übernehmen?

Grübel: Ja.

Wie steht es um die Religionsfreiheit in Deutschland?

Grübel: Im internationalen Vergleich scheint es uns sehr gut zu gehen. Aber man muss genau hinschauen: Es gibt antisemitische Übergriffe und auch Antiislamismus*.

Und bei der Kopftuch-Frage?

Grübel: Grundsätzlich gilt, dass man Religionszugehörigkeit auch öffentlich bekennen können muss. Darüber hinaus ist es eine vielschichtige Abwägungssache. Bei jungen Mädchen ist es meines Erachtens eine pädagogische Frage.

Wie bewerten sie die AfD-Aussage, der Islam sei eigentlich keine Religion?

Grübel: Der Staat hält sich mit Recht zurück, Religion positiv zu definieren. Wenn der Religionscharakter grundsätzlich abgesprochen wird oder diffamierende Pauschalvorwürfe erhoben werden, dann gibt es hier einen Konflikt.

Das Interview führten Anna Mertens und Christoph Scholz (KNA)

*nicht die Wortwahl der IslamiQ-Redaktion. 

Leserkommentare

gregek sagt:
Aber der Autor hat Recht. Wir haben sehr liberales Sysem mit einem Ausmaß an Religionsfreiheit, die in anderen Ländern ihres Gleichen sucht. Nicht umsonst sind Millionen von Moslems lieber hier in dieses Land geströmt als in irgendwelche muslimische Länder. Diese Tatsache,die aufgrund medialer Zerrbilder leider ausgeblendet wird, sollte auch mal hervorgehoben werden.
30.05.18
18:00
Harousch sagt:
@ Islamliebhaber jene die es nicht zugeben wollen Im Grunde genommen ist doch die CSU nichts anderes als der verlängerte rechte Arm der CDU in Bayern. Was die „Moslems“ irgendwo in der Walachai angeht, kümmerts mich recht wenig, weil ich ausschließlich die Verantwortung für mein eigenes Handeln und höchstens noch für die Handlungen meiner Kinder die Kosequenzen zu tragen habe. An dieser Stelle richte ich eine Frage an alle Hetzer und Islamkritiker, die eigentlich nur Islambewunderer sind, denn wie sonst kann man sich die unermüdliche Engagements erklären: Bevor Sie mit erhobenem Zeigefinger auf die Muslime hier zu Lande zeigen und Ihnen die Mitverantwortung an Handlungen anderer Menschen aus islamischorietierten Kontexten andernorts unterstellen , sollten Sie nicht lieber auf Ihre anderen drei Finger schauen, die auf Sie selbst gerichtet und Ihre Mittäterschaft an dem folgenden Fall beispielhaft implizieren? Karl Denke ("Papa Denke", "Kannibale von Münsterberg") ermordete zwischen 1903 und 1924 in seiner Wohnung in Münsterberg (heute: Ziebice in Polen) mindestens 30 Menschen, zumeist Landstreicher. Er tötete seine Opfer, verarbeitete und aß ihr Fleisch, das er zudem – in Pökelsalz haltbar gemacht – auf dem Wochenmarkt in Breslau verkaufte. Über seine Taten führte er Buch. Sein 31. Opfer, das schwer verletzt fliehen konnte, war bereits vermerkt. Denke beging in der Haft Selbstmord. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fand die Polizei Hinterlassenschaften, die auf 42 Opfer schließen lassen – darunter Hosenträger und Schnürsenkel aus Menschenhaut. Mit Stolz verkünde ich Ihnen und Ihren Gleichgesinnten, dass diese Art der Argumentation und Rechtfertigung von widerwärtigen Misständen innerhalb der „deutschen“ Gesellschaft höchstens die Schwachsinnigkeit desjenigen offenbart und erneut verdeutlicht, dass schöne Kleider, gestylte Haare, Schlips und Kragen auch ein Schulabschluss keine Garantie für eine vernunftbasierte Weltanschauung sein kann. Gottfried Keller wäre maßlos enttäuscht über die Borniertheit, Stumpfsinnigkeit, Unbedarftheit, Wertlosigkeit, Vernageltheit, Widersinnigkeit, Ungebildetheit, Untalentiertheit und Stupidität solcher Exemplare menschlicher Abstammung. Dem Hamid aus Rambo III kann jedoch niemand etwas vormachen. Salamaleikum!
02.06.18
17:09
Harousch sagt:
@grege und co Eventuell bemühen Sie Ihren leicht in schieflage geratenen Intellekt auf die folgende Tatsache: Deutschland trägt als plurale Gesellschaft die Verantwortung für unterschiedliche Miseren weltweit. Die Liste ist lang und beginnt vor einigen Jahrhunderten. Dass die Geflüchteten Menschen bei uns zu Lande eine finanzielle, ärztliche und sonstige Versorgung empfangen, ist etwas worauf wir Alt- und Neodeutsche auch mal stolz sein können. Menschlichkeit, Nächstenliebe, Gegenseitige Hilfe in Not usw. sind keine Todsünden. Viel eher Misgunst, Faulheit, Geiz, Wolllust, Hochmut, Jähzorn, Völlerei, also viele Dinge, die die konsumorientierte Gesellschaft gerne zur Staatsreligion gemacht haben möchte.... Achtung Paukenschlag......Posaunengedröhhhhn (Die Fastenzeit lässt den rechtgeleiteten Menschen die Zeichen des gegenwärtigen Wertezerfalls erkennen...) Wenn man die Zahlen aufgenommener geflüchteter junger Familien mit relativ jungen Kindern ins Augenmerk rückt, fällt ebenfalls das zukünftige Potential zukünftiger Steuerzahler* innen auf. Die Handwerksbetriebe suchen händeringend nach Azubis, weil die ansässigen Kinder relativ verwöhnt aufgewachsen sich in einem handwerklichen Betrieb nicht wohlfühlen werden und sowieso alle aufs „Ginasiun“ gehen wollen. Gerade hier tun sich Chancen für weniger verwöhnte geflüchtete Jugendliche auf, wovon die gesamte „deutsche“ Gesellschaft profitieren wird. Hinzukommen die Nachkommen der Gastarbeiter, die mittlerweile größtenteils gut integriert ebenfalls nach Berufen in höheren Einkommenssektoren greifen. Es gibt gewisse Berufsfelder in denen Altdeutsche eher die Minorität darstellen, weil die Neodeutschen Ihnen auf etlichen Ebenen den Rang ablaufen, was nicht immer Standovationen zur Folge hat.....Vergleiche CSU AfD NPD und andere Volksverräter... Das ist kein Wunschdenken, sondern Realität. Die Statistiken der Handwerkskammern sprechen Bände.
02.06.18
17:42
Kritika sagt:
at Harousch Wenn Sie geschwiegen hätten, wäre Sie weise geblieben. Grusslos Kritika
07.06.18
23:37
Saadet sagt:
@Kritika Ich ahne, Sie möchten gerne Goethe zitieren. Ihr Unwissen ist Ihnen bei Ihrem intellektuellen Spagat leider in die Quere gekommen. Es ist ein Epilog, den ich zufälligerweise vor einiger Zeit in diesem Forum zitiert hatte: „Einst ging ein Gelehrter aus einer Gesellschaft. Man fragte Ihn, wie es denn war und er sagte: Wären es Bücher, ich hätte sie nicht gelesen.“ Also immer schön am Ball bleiben und nicht nachlassen. Es macht auch gar nichts, dass Sie Harousch Worte bedauerlicherweise so überhaupt nicht verstanden haben. Trotzdem geben Sie Ihren Senf dazu. Mutig!
09.06.18
19:40
Manuel sagt:
@Saadet: Sagt eine, die ein Problem mit dem Existenzrecht Israels hat, wirklich sehr glaubwürdig, Ihr vorgeschobenes Toleranz-Getue.
14.06.18
18:16
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