In Berlin wird immer wieder um das Kopftuch gestritten. Nun hat das Arbeitsgericht zwei Klagen abgewiesen und das Neutralitätsgesetz für verfassungskonform erklärt.
Das Berliner Arbeitsgericht hat zwei Entschädigungsklagen von Lehrerinnen mit Kopftuch abgewiesen. Die Frauen hatten geltend gemacht, sie seien wegen ihrer Religion benachteiligt worden. Das Gericht bestätigte am Donnerstag im ersten Urteil klar das Berliner Neutralitätsgesetz als verfassungskonform. Es ging um eine Quereinsteigerin, die Informatik studiert hatte. Sie hatte gemeint, sie sei wegen ihres Kopftuchs nicht eingestellt worden. Beide Klägerinnen waren nicht im Gericht.
Das Neutralitätsgesetz untersagt Polizisten, Justizmitarbeitern und Lehrern an allgemeinbildenden Schulen in der Hauptstadt, religiös geprägte Kleidungsstücke im Dienst zu tragen.
Im zweiten Fall war laut Urteil die Zwei-Monats-Frist überschritten, in der eine Entschädigung beim Land Berlin gefordert werden konnte. Die eingestellte Lehrerin, die mit Kopftuch an einer Grundschule unterrichten wollte, war bereits mit einer Klage auf Beschäftigung Anfang Mai beim selben Gericht gescheitert.
Der Streit um das Kopftuch landete schon wiederholt vor Gericht. 2017 sprach das Landesarbeitsgericht einer abgelehnten Bewerberin mit Kopftuch eine Entschädigung von 8680 Euro zu. Laut Urteil gab es eine Benachteiligung in dem Einzelfall. Andere Fälle liegen derzeit beim Gericht nicht vor.
Das Bundesverfassungsgericht hatte 2015 ein pauschales Kopftuchverbot an nordrhein-westfälischen Schulen gekippt und die Religionsfreiheit betont. Allein vom Tragen eines Kopftuches geht demnach keine Gefahr aus. Die Bundesländer haben verschiedene Regelungen.
Richterin Wollgast sagte zu dem Fall der Quereinsteigerin, es liege keine Diskriminierung vor. Der staatliche Erziehungsauftrag an Schulen müsse in staatlicher Neutralität erfüllt werden – gerade bei der Vielzahl von religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen der Bevölkerung. Es müsse vermieden werden, dass die „konfessionelle Vielschichtigkeit“ Konflikte an Schulen auslöse. Wollgast betonte auch, dass das Kopftuchverbot nicht an berufsbildenden Schulen mit älteren Schülern gelte.
Die Anwältin der Klägerinnen wollte zunächst prüfen, ob gegen die Urteile vorgegangen wird. Sie monierte, das Neutralitätsgesetz treffe überwiegend muslimische Frauen. Die Berliner Regelungen seien einzigartig in Deutschland. In etlichen Bundesländern könne mit Kopftuch unterrichtet werden.
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) zeigte sich nach Angaben einer Sprecherin zufrieden: „Wir freuen uns, dass das Gericht unserer Rechtsauffassung gefolgt ist.“ In der rot-rot-grünen Koalition gibt es keinen Konsens zu dem Gesetz. Neben Scheeres will auch Regierungschef Michael Müller (SPD) an dem Gesetz festhalten, während die Grünen es nicht rechtskonform finden. Die Linke ringt noch um eine Position.
Grünen-Abgeordnete Bettina Jarasch meinte: „Das Rad dreht sich weiter.“ Sie verwies auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts aus dem letzten Jahr, mit dem eine Entscheidung der ersten Instanz aufgehoben wurde. „Wir können uns als Land nicht ewig wegducken: Es ist an der Zeit zu klären, ob das Berliner Neutralitätsgesetz nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts noch rechtskonform ist oder nicht.“
Das Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit sprach von erschütternden Urteilen. Das Neutralitätsgesetz führe de facto zu einem Berufsverbot für muslimische Frauen. Diese Form der Diskriminierung sei nicht mit der Verfassung vereinbar. Das Gesetz sollte abgeschafft werden. (dpa, iQ)