„Kopftuchmädchen“

Solidarität beginnt nicht auf, sondern im Kopf

Ein katholischer Pfarrer zieht sich ein Kopftuch über und erntet Häme von AfD-Anhängern und Lob von Musliminnen. Während der Shitstorm deutlich zu verurteilen ist, sollte seine Aktion dennoch kritisch betrachtet werden. Ein Kommentar von Esra Ayari.

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05
2018
Kopftuch Muslima Pride
Symbolbild: Junge Frauen mit Kopftuch halten Plakate hoch und demonstrieren für ihr Recht selbst zu bestimmen wie sie sich für Frauen einsetzen
© MuslimaPride

Wolfgang Sedlmeier hat diese Woche für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Der Pfarrer aus Aalen machte Schlagzeilen, weil er bei der katholischen Pfingsmesse ein Kopftuch trug. Er handelte aus Solidarität mit muslimischen Frauen und gegen den verbalen Angriff der AfD-Politikerin Alice Weidel, die im Bundestag von „Kopftuchmädchen“, „Messermännern“ und „anderen Taugenichtsen“ sprach.

Die Solidaritätsaktion führte zu sehr unterschiedlichen Reaktionen. Alice Weidel selbst postete die Nachricht auf Facebook und nannte es „verblödet“. Bischof Gebhard Fürst unterstützte zwar die Botschaft des Geistlichen, hält aber diese Form des Protests für „grenzwertig und nicht sehr glücklich gewählt“. Über die sozialen Medien bekam der Pfarrer auch viel Beifall und setzte ein starkes Zeichen gegen Islamfeindlichkeit. Darüber freuten sich auch viele Muslime, und doch sahen es manche sehr kritisch.

Die Intention des Pfarrers ist in jedem Fall sehr löblich und vorbildlich. Es muss darüber gesprochen werden, damit die Botschaft nicht untergeht und an seiner Solidarität kein bitterer Beigeschmack haften bleibt.

Warum ist es problematisch?

Ähnlich wie bei der Solidaritätsaktion „Berlin trägt Kippa“ wurde hier ein religiöses Symbol seiner eigentlichen Bedeutung entzogen und zu einer Verkleidung entwertet. Auch ähnlich sind demzufolge die Bedenken, die nach der Berliner Aktion entstanden und jetzt nach der Aktion des Pfarrers existieren. Buchautor und Rabbiner Armin Langer hatte in seinem Tagesspiegel-Kommentar zur Kippa-Aktion von kultureller Aneignung angesprochen. Diese geschieht dann, wenn man die kulturellen Merkmale einer Minderheit zu Eigen macht, ohne ihre meist mit Emotionen verbundenen Eigenschaften zu beachten. Genau dies ist in Berlin und Aalen passiert. Sowohl die Kippa als auch das Kopftuch sind nicht nur Kleidungsstücke, die von Menschen, die dem Judentum und dem Islam nicht angehören ab und aufgezogen werden können.

Erkennbar religiös zu sein, ob nun mit Kopftuch, Kreuz oder Kippa, führt im heutigen Deutschland, trotz Religionsfreiheit, nach wie vor zu Problemen. Studien und Zahlen belegen, wie schwer es beispielsweise muslimische Frauen haben. Sie sind zum einen stark von Diskriminierungen am Arbeitsmarkt betroffen, wie aktuell der Fall um die Berliner Lehrerin und zum anderen tatsächlichen gewalttätigen Übergriffen auf offener Straße ausgesetzt. Das Europäische Netzwerk gegen Rassismus (ENAR) sagt sogar, dass Musliminnen die ungeschütztesten Personen in Europa sind.

Muslimen sind Gewalt ausgesetzt

Sichtbare Musliminnen sind demnach rassistischer und sexistischer Gewalt ausgesetzt. Eine muslimische Frau auf ihr Kopftuch zu reduzieren ist ein sexistischer Akt der Objektifizierung. Sie wird nicht mehr als leidendes, lachendes und fühlendes Subjekt wahrgenommen, sondern als „Kopftuchmädchen“. Möchte man sich also solidarisch mit ihnen zeigen, dann soll nicht das Kopftuch in der Vordergrund gerückt werden, sondern die muslimische Frau und ihre Anliegen, Sorgen und Bedenken.

Denn diese haben sie zu Genüge und tun es auch kund. Beispielsweise vor circa einer Woche in Düsseldorf. Dort haben muslimische Frauen – mit und ohne Kopftuch – eine Kundgebung vor den Landtag organisiert und sich gegen ein mögliches Verbot stark gemacht. Oder die etlichen Musliminnen, die als Lehrerinnen, Anwältinnen und Richterinnen arbeiten möchten, denen dies aber verwährt bleibt. Sie zu hören, ihre Sorgen ernst zu nehmen und zur Verbreitung zu verhelfen ist der einzige solidarische Schritt, der hier angebracht wäre. Die Intention ein starkes Zeichen gegen Islamfeindlichkeit zu setzen ist wie anfangs erwähnt löblich, und genau diese Intention muss aufgegriffen und von muslimischen Frauen gelenkt werden, damit nicht an medial wirksamen Aktionen verschwendet wird.

Hass gegen den Pfarrer

Die Kopftuch-Aktion hat dem Pfarrer viel Hass und Hetze eingebracht. Schaut man sich die Kommentare unter dem Post von Alice Weidel an, so läuft es einem kalt über den Rücken. Der Pfarrer wird als „Judas“ beschimpft, der nicht „mehr alle Latten im Zaum“ hätte und „angezeigt werden“ müsse. Ein User schreibt: „Wusste gar nicht, das man mit so wenig Hirn Theologie studieren kann!“ und ein anderer: „So sehen Kinderschänder aus“.

Diese systematische Hetze, die nun den christlichen Geistlichen getroffen hat, ist nicht hinnehmbar und verdient gleichermaßen Solidarität, in Form von Texten, Solidaritätsbekundungen, Zuspruch und Verurteilungen des Hasses im Netz. Denn Solidarität beginnt nicht auf, sondern im Kopf.

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
Der Titel des Artikels bringt es prima auf den Punkt!
28.05.18
5:59
Ute Fabel sagt:
Das Kopftuchtragen von muslimischen Frauen ist ein frühmittelalterliches religiöses Dogma, das es kritisch zu hinterfragen gilt. Durch diese Aktion des Pfarrers wird der völlig falsche Anschein erweckt, dass es sich hierbei etwas Unabänderliches handelt. Dieses völlig falsche Signal, das dadurch gesetzt wurde, ist daran zu kritisieren! Am klaren Ausgang der Referenden im katholisch geprägten Irland zum Thema Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und der gleichgeschlechtlichen Ehe sieht man, dass religiöse Traditionen auch innerhalb eines kurzen Zeitraums einem starken Änderungsprozess unterliegen können (und sollen!). Muslimische Frauen sollten unbedingt ermutigt werden, kein Kopftuch zu tragen. Muslimische Männer bedecken ihr Haupthaar ja schließlich auch nicht. Der Pfarrer hat sich daher letztlich sehr anbiedernd gegenüber den Verfechtern eines konservativen Islams verhalten, die sich verständlicherweise über seine Aktion sehr freuen.
28.05.18
9:04
Georg sagt:
Jetzt komme ich gar nicht mehr mit. Da setzt sich ein Pfarrer ein Kopftuch auf, um sich mit Musliminnen zu solidarisieren und da wird ihm von muslimischer Seite unterstellt, er reduziere die muslimische Frau damit auf ihr Kopftuch und handle damit sexistisch. Da kann man sich in Zukunft auch jede Form der Solidarisierung mit Moslems verkneiffen.
28.05.18
10:35
Kritika sagt:
L.S. Alice Weidel ist für ihre Äusserung zurecht öffentlich von "zum Tadeln befugter Stelle" gerügt worden. Das war richtig, das hat sie verdient, ohne Wenn und Aber. Nun noch Nachzutreten, zeugt von weing Respekt für unseren demokratischen SpielRegeln. Die freie Rede im Parlament ist ein sehr hohes Gut, auch dann, wenn dort Äusserungen fallen, mit denen sich nicht jeder idendifizieren kann (übrigens auch Kritika nicht). Kopftuch Tragen bedeutet bewusst Ausgrenzen, es bedeutet Werben für eine Ideologie, die bereits 50 Staaten beherrscht und bei der Freie Rede in - und ausserhalb des Parlamentes -- wie wir es gerade erlebt haben -- undenkbar ist. Und wenn doch einmal jemand ungewünschte Kritik wagen sollte, dann hat der ganz etwas Anderes zu befürchten als nur eine "Zurechtweisung". Durch öffentliches Werben mit dem Symbol dieser zutiefst undemokratischen Staatsform -- mittels gut gemeinte Kopftuch-SympatieBezeugungen -- sollten wir uns nicht für einen "undemokratischen Karren" spannen lassen. Gruss, Kritika.
28.05.18
20:09
Kritika sagt:
L.S. Ein Austzug aus dem obigen Bericht: « Oder die etlichen Musliminnen, die als Lehrerinnen, Anwältinnen und Richterinnen arbeiten möchten, denen dies aber verwährt bleibt. » Das zu behaupten ist plumpe Polemik. ------------ Keinem Mitglied eines KarnavallVereins - - Keiner Muslimin und keinem Amateur-Fussballer -- bleibt einer Stelle als Lehrer/Lehrerein ein oder Richter/Anwältin. - - verwehrt. Die Einzelheiten solcher Berufsausübung sind per Gesetz geregelt und gelten für alle, inclusive Muslims. Beweis: Eine wahrhafte MuslimAnwältin (Frau Ates) vertritt dieStadt Berlin in Sachen KopftuchBelästigung. Wir haben keine « Diktatur der Strasse » sondern eine gewählte Demokratie. Diese beschliesst Gesetze, die auch Mitglieder eines StrassenDemos befolgen müssen. Daran ändern zum Glück auch keine Demonstrationen vor dem Landtag etwas d'ran. Gruss, Kritika
28.05.18
20:39
Johannes Disch sagt:
Man sollte so eine spontane und erfreuliche Aktion wie die des Pfarrers aber auch nicht unnötig problematisieren. Er wollte ein Zeichen der Solidarität mit muslimischen Frauen setzen. Und ich finde, das ist ihm gelungen.
29.05.18
10:09
Andreas B sagt:
@Ute Fabel Zum Glück leben wir in einem Land, in dem Freiheitsrechte gelten. Dau gehört neben Ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung eben auch das Recht des Pfarrers, sich mit muslimsichen Frauen, die wegen ihres Kopftuchs beleidigt werden, zu solidarisieren. Am Ende ist Ihre Meinung aber eben nur eine Meinung, die sie zwar frei äußern können, die aber das Recht auf die freie Äußerung der Meinung des Pfarrers nicht beschränken. Ebensowenig schränkt Ihre Meinung, die Sie gerne immer wieder äußern dürfen, das Recht auf freie Religionsausübung muslimischer Frauen ein. Ebenso, wie Sie für sich das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit großzügig ausgelegt haben wollen, sollten wir auch das Recht auf Religionsfreiheit großzügig handhaben und nicht immer nach Möglichkeiten suchen, es bei Muslimen einzuschränken.
29.05.18
14:21
Johannes Disch sagt:
Immerhin nennt die Autorin die Aktion des Pfarrers "löblich" und "vorbildlich." Aber: Durch die Aktion des Pfarrers wurde ein religiöses Symbol seiner eigentlichen Bedeutung entzogen und zu einer Verkleidung entwertet, so der Artikel? Ich finde, man kann die Dinge auch unnötig kompliziert machen. Der Pfarrer wollte mit dieser Aktion doch einfach nur ein Zeichen setzen gegen die Stigmatisierung des Kopftuchs. Seine Intention ist also sonnenklar. Und seine Intention war eine positive. Ihm eine "Entwertung" zu unterstellen halte ich für absurd. .
29.05.18
15:48
Saadet sagt:
Es ist doch verwunderlich, worüber sich Menschen aufregen. Der Pfarrer wollte seine Solidarität bekunden und hat es buchstäblich in die Tat umgesetzt. Couragiert nenne ich das. Ich weiß wirklich nicht, was daran jetzt so problematisch sein soll. Leider sind Hasstiraden durch das Internet salonfähig geworden und unterliegen kaum irgendwelchen Reglements. Feige nenne ich das! Einen Menschen als „Kinderschänder“ zu bezeichnen, sich dabei hinter einem Pseudonym zu verstecken. Gemütlich von zu Hause einfach mal Hetze betreiben.
29.05.18
16:11
Kritika sagt:
At Saadet und gleichgesindte Eventuelle Hasstiraden Internet sind unbedeutend und flüchtig; sie haben eine kurze Halbwertzeit. Ausserdem kann "Kinderschänder " für einen prominenten toten WarLord durchaus eine zutreffende Bezeichnung sein. Die Hassriraden und TötungsBefehle im Koran halten solange, wie der Islam und Allah noch zu Leben haben. Sie wurden und werden von vielen Terroristen und Fanatikern für ernst genommen und ausgeführt. Das macht diese HassTiraden so gefährlich. Kritika.
08.06.18
0:08
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