Ein Flüchtling soll die junge Susanna vergewaltigt und getötet haben. Der Fall löst bei vielen Besorgnis aus. Das hat auch damit zu tun, wie wir Gewaltnachrichten verarbeiten, sagt ein Wissenschaftler.
Der Fall der getöteten Susanna weckt Ängste in Teilen der Bevölkerung, die aus Expertensicht auch durch Fehleinschätzungen entstehen. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir Wahrnehmungsfehlern unterliegen und zur Überschätzung der tatsächlichen Zustände neigen, wenn es um den Zusammenhang von Kriminalität und bestimmten Gruppen geht“, sagte der Marburger Sozialpsychologe Ulrich Wagner der Deutschen Presse-Agentur.
„Wenn wie jetzt ein schreckliches Verbrechen geschieht und ein Mensch mit Fluchthintergrund der Täter sein soll, dann bleibt uns das viel besser im Gedächtnis hängen als wenn wir allgemein hören würden: Eine junge Frau ist Opfer einer sexualisierten Gewalttat geworden“, erläuterte der Wissenschaftler. Das veranlasse die Menschen leicht zu der Annahme und Fehlwahrnehmung, dass sehr viele oder alle Flüchtlinge so seien: „Wir überschätzen die Größenordnung.“
Der 20 Jahre alte irakische Flüchtling Ali B. steht im Verdacht, die 14-jährige Susanna aus Mainz vergewaltigt und umgebracht zu haben. Ihre Leiche war am Mittwoch in einem Erdloch in Wiesbaden gefunden worden. „Wir kommen zu dem Fehlschluss, dass alle Geflüchteten so sind“, sagte Wagner. Das schüre Angst vor bestimmten Gruppen. „Das führt dann auch dazu, dass es zu Fremdenfeindlichkeit kommt und sich das Thema politisch ausnutzen lässt.“
Man könne den Sorgen aber begegnen, sagte der Psychologe. Etwa indem man sich bewusst mache, dass die Wahrscheinlichkeit, dass man selbst oder das eigene Kind Opfer einer solchen Tat werde, gering sei. „Das muss man sich vor Augen halten, um die eigene Rationalität und Bewegungsfreiheit zu bewahren.“ Zudem helfe direkter Kontakt, wenn die anonyme Gruppe der Flüchtlinge Ängste auslöse: „Kontakt ist eine sehr effektive Möglichkeit, unangenehme Gefühle bis hin zu Angst zu bekämpfen. Auf die Menschen zugehen, Erfahrungen machen und feststellen: Da gibt es nette und da gibt es weniger nette.“ (dpa/iQ)