"Wir schaffen das"

Ein Auf und Ab: Merkel und Seehofer in der Flüchtlingspolitik

In der Flüchtlingspolitik ist das Verhältnis von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer auf einem neuen Tiefpunkt angekommen. Dabei hatte sich in der Zwischenzeit die Lage scheinbar entspannt. Ein Rückblick.

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Symbolbild: Flüchtlinge, Flüchtlingsunterkünfte
Symbolbild: Flüchtlinge, Flüchtlingsunterkünfte © shutterstock.com, bearbeitet by iQ.

31. August 2015: „Wir schaffen das“, sagt Merkel über die Bewältigung der Flüchtlingszahlen. Kurz darauf schließt sie nicht die Grenzen, als Schutzsuchende massenweise von Ungarn über Österreich nach Deutschland einreisen. Einige halten Bilder der Kanzlerin in die Höhe. Seehofer nennt das Vorgehen einen Fehler.

10. September: Bei ihrem Besuch in einer Berliner Einrichtung für Flüchtlinge lächelt die Kanzlerin für Selfies in die Handykameras.

9. Oktober: Seehofer droht mit einer Verfassungsklage, falls der Bund den Flüchtlingszuzug nicht eindämmen sollte. Nach einer Aussprache mit der CDU legt er das Vorhaben kurz darauf ad acta.

20. November: Auf dem CSU-Parteitag in München kritisiert Seehofer die Kanzlerin auf offener Bühne, während sie neben ihm steht.

31. Dezember: In der Silvesternacht kommt es in Köln zu zahlreichen Diebstählen und sexuellen Übergriffen auf Frauen. Viele Beschuldigte sind Flüchtlinge. Die Ausmaße werden erst Tage später bekannt.

3. Januar 2016: Seehofer fordert erstmals eine konkrete Obergrenze: maximal 200 000 neue Flüchtlinge pro Jahr. Merkel ist strikt dagegen.

9. Februar: Seehofer nennt die offenen Grenzen für Flüchtlinge im Herbst 2015 „eine Herrschaft des Unrechts“.

4./5. November: Merkel nimmt erstmals nicht an einem CSU-Parteitag teil.

20. November: Merkel kündigt ihre vierte Kanzlerkandidatur an.

24. November: Der CSU-Chef macht eine Begrenzung der Zuwanderung zur Bedingung für eine erneute Regierungsbeteiligung.

6. Februar 2017: Seehofer erklärt offiziell, die CSU unterstütze Merkel bei der Bundestagswahl. Zuvor war lange ein eigener Kanzlerkandidat nicht ausgeschlossen.

1. April: In einem Interview bezeichnet Seehofer Merkel als „unser größter Trumpf“. Nur mit ihr sei die Wahl zu gewinnen.

3. Juli: Eine Obergrenze für Flüchtlinge kommt im Wahlprogramm der Union nicht vor. Im gesonderten CSU-Programm „Bayernplan“ wird sie aber festgehalten. Seehofer macht sie erneut zur Koalitionsbedingung.

20. August: In einem Interview nennt Seehofer eine Obergrenze nicht mehr ausdrücklich als Bedingung für eine Koalition nach der Wahl.

24. September: Trotz Verlusten gewinnt die Union die Bundestagswahl, doch die CSU stürzt auf für ihre Verhältnisse katastrophale 38,8 Prozent ab. Fehler der Union im Wahlkampf sieht Merkel nicht.

8. Oktober: Vor anstehenden Gesprächen mit anderen Parteien über mögliche Koalitionen verständigen sich CDU und CSU auf das Ziel, maximal 200 000 Flüchtlinge pro Jahr aufzunehmen. Ausnahmen sind möglich. Das Wort „Obergrenze“ taucht in der Einigung nicht auf.

15. Dezember: Merkel ist wieder auf dem CSU-Parteitag zu Gast. Die Schwesterparteien demonstrieren Geschlossenheit.

12. März 2018: Union und SPD unterschreiben ihren Koalitionsvertrag. Seehofer wird als Innenminister in Merkels viertem Kabinett zuständig für Migration und Flüchtlinge. Er kündigt einen „Masterplan für schnellere Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen“ an.

15. März: Seehofer sagt: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ Die Kanzlerin grenzt sich von ihm ab.

11. Juni: Seehofer verschiebt die für den Folgetag geplante Vorstellung seines Masterplans. Es gibt Differenzen mit Merkel über die Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze. Die Kanzlerin will eine europäische statt eine nationale Lösung.

14. Juni: Seehofer droht Merkel mit einem Alleingang. Wenn es zu keiner Lösung komme, wolle er eigenmächtig anordnen, dass Asylbewerber ohne Papiere und solche, die bereits in anderen EU-Ländern registriert sind, an der Grenze abgewiesen werden. (dpa, iQ)