Pionier des Islams in Deutschland

Fuat Sezgin – ein Leben für die Wissenschaft

Der Historiker Prof. Dr. Fuat Sezgin gilt mit seinen Entdeckungen und Arbeiten als Pionier der Islamwissenschaften auf internationaler Bühne. Er hat sein Leben der Wissenschaft gewidmet. Ein Beitrag von Muhammed Suiçmez.

30
06
2018
Fuat Sezgin
Fuat Sezgin © Instagram @mehmetalpcelebi, bearbeitet by iQ.

Am 30. Juni (2018) ist Fuat Sezgin gestorben. In seinen 93 Lebensjahren hat er sich der Wissenschaft gewidmet.

 

Er ist Historiker und Gründer und Leiter des Instituts für Geschichte der arabisch-islamischen Wissenschaften. Er hat sein Leben der Erforschung der islamischen Wissenschaftskultur in arabischer Sprache gewidmet. Die Rede ist von Prof. Dr. Fuat Sezgin, der 1924 in Bitlis (Türkei) geboren wurde und heute mit seinen 93 Jahren der Pionier auf seinem Gebiet ist.

Fuat Sezgin reiste von Land zu Land, studierte rund 300.000 Schriften, Manuskripte und Karten im Original. Er rekonstruierte Hunderte von historischen Instrumenten und hat diese in seinem Frankfurter Institut und seit 2008 im Istanbuler Museum ausgestellt. Prof. Sezgin verbrachte sein ganzes Leben damit, Wissen zu sammeln und Bücher zu studieren. Hierbei verzichtete er auf Schlaf, Essen und ein gutes Gehalt.

Sein Studium begann er bei dem renommierten Islamwissenschaftler Helmut Ritter in Istanbul. 1961 kam er als Gastdozent nach Deutschland und setzte seine Forschungen an der Goethe-Universität fort, so dass er 1965 seine Professur in Geschichte der arabisch-islamischen Naturwissenschaften erlangte und sich seinen Forschungen widmete.

Das Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften

Am 10.02.1981 gründete Prof. Sezgin mit finanzieller Unterstützung von 14 arabischen Ländern und weiteren islamischen Organisationen das Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften in Frankfurt.

In den folgenden Jahren wurden dort alle älteren und antiquarische Werke auf dem Gebiet der islamischen Wissenschaftsgeschichte in mehrere Sprachen übersetzt, in chronologischer Reihenfolge kopiert und nach systematischer Anordnung geordnet. Prof. Sezgin hat im Institut eine weltweit einzigartige Sammlung von arabischen wissenschaftlichen Instrumenten und Karten zusammengetragen. Das Institut veröffentlichte einen Katalog mit 1400 Bänden über die Geschichte der islamischen Philosophie. Die Bibliothek des Instituts enthält über 25.000 Bände, etwa 300 arabische Handschriften und Mikrofilme von ca. 7.000 Handschriften. Ein Sammelschwerpunkt der Bibliothek liegt auf der arabisch-islamischen Geographie. Bereichert wird diese Sammlung durch eine Vielzahl von europäischen historischen Karten und Atlanten.

Das vergessene Wissen der Araber

Mit seinen Forschungen hat Fuat Sezgin die eurozentrische Sicht korrigiert. Immer wieder betont er, dass bedeutende wissenschaftliche Erfindungen nicht im „Westen“ entstanden sind. Prof. Sezgin zufolge stecken hinter den meisten Erfindungen wissenschaftliche Erkenntnisse und Entdeckungen muslimischer Wissenschaftler. Die Wissenschaftsjournalistin Susanne Billig hat die Forschungsergebnisse Sezgins in dem Buch „Die Karte des Piri Re’is – Das vergessene Wissen der Araber und die Entdeckung Amerikas“ (Herder Verlag, 2017) für ein breites deutschsprachiges Publikum zugänglich gemacht. „Das Buch ist von der Hoffnung getragen, dass zukünftige Generationen eine solide und breite wissenschaftshistorische Forschung für wichtig erachten werden – ohne Scheuklappen gegenüber dem großen Beitrag der arabisch-islamischen Kultur zur Geistesgeschichte der Menschheit“ (S. 288), schreibt Susanne Billig in ihrem Buch.

Haltlose Vorwürfe

Fuat Sezgin, der mit seinen Werken und Schriften Pionierarbeit geleistet und unzählige Studenten ausgebildet hat, steht im Mittelpunkt unhaltbarer Vorwürfe: „Unterschlagung von Kulturgut“ und „Verstoßes gegen das Kulturschutzgesetz“. Und dass, weil er im Istanbuler Museum für Geschichte der Wissenschaft und Technik im Islam, eine neue Bibliothek errichten wollte. In einer Videobotschaft für die 8. Stiftungsratssitzung der „Fuat-Sezgin-Stiftung zur Erforschung der Geschichte der islamischen Wissenschaften“ erklärte seine Tochter, die Schriftstellerin und Philosophin Hilal Sezgin, die Entstehung der Bibliothek ihres Vaters und erinnerte sich an Anekdoten aus ihrer Kindheit. „Das Buchbinden gehört zu meinen früheren Kindheitserinnerungen. Das Sortieren der Seiten, das Kleben, das Anfertigen des Umschlags. Oft durfte ich meinem Vater dabei helfen, wobei ich im Nachhinein sagen muss, dass meine Kinderhände eine so große Hilfe doch nicht waren.“

Den Grundstein für seine private Bibliothek legte Prof. Sezgin schon im Jahre 1940. Sezgin hat alle seine Bücher, die er gekauft, kopiert und gebunden hat, mit gelben und weißen Etiketten beschriftet und die Rechnungen aufbewahrt. Bücher, die mit gelben Etiketten markiert wurden, wurden mit dem Geld des Instituts gekauft, deren Anzahl liegt bei 15.000. Die restlichen 40.000 Bücher, die mit einem weißen Etikett versehen sind, bezahlte Sezgin aus seiner eigenen Tasche und gehören somit seiner Privatsammlung an. Diesen Bestand wollte er Anfang 2017 nach Istanbul transportieren. Doch wurde er seitens der Universität Frankfurt und dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft daran gehindert. Es seien nicht seine Bücher, die er ins Ausland bringen wolle, sondern Eigentum der Universität. Die Staatsanwaltschaft begann zu ermitteln, die Bücher wurden vom Zoll beschlagnahmt und das Institut verriegelt. Bis heute darf Prof. Sezgin, der trotz seines hohen Alters seine Arbeit fortsetzt, der Zugang zu seinen Büchern verwehrt.

Im Herbst wurden die Ermittlungen eingestellt. Nun steht aber ein neuer Vorwurf im Raum: Kulturgutdiebstahl. Aber auch diese Anschuldigung ergab sich als haltlos. Medienberichten zufolge habe das Wissenschaftsministerium im Nachhinein erkannt, dass es sich bei der wissenschaftlichen Bibliothek nicht um Kulturgut handle, sondern „ihr Wert viel mehr in ihrer Nutzung“ liege. Auch dieser Vorwurf konnte also nicht bewiesen werden. Währenddessen verwehrte man einem Menschen, der sein Leben der Wissenschaft gewidmet hatte, den Eintritt in sein persönliches Arbeitszimmer im Institut.

Ein Vorbild für Theologiestudenten

Als Student der islamischen Theologie oder Islamwissenschaften liest und hört man von muslimischen Gelehrten, die hunderte von Kilometer gereist sind, um von anderen Gelehrten zu lernen, und das ohne irgendwelche Verkehrsmittel. Genau so ein Gelehrter ist Prof. Dr. Fuat Sezgin. Er reiste in dutzende Länder, um längst vergessene Schätze der islamischen Geschichte für jedermann zugänglich zu machen. „Die Geschichte von Geographie und Kartographie zu erforschen, erfordert eine umfassende Gelehrsamkeit, über die nur ganz wenige Wissenschaftler verfügen“, schreibt der Dr. Detlev Quintern, Direktor für Lehre und Entwicklung an der Prof. Dr. Fuat Sezgin Forschungsstiftung in Istanbul, im Vorwort von „Die Karte des Piri Re’is“.

2016 hatte ich die Ehre, ihn in seinem Frankfurter Institut zu besuchen. Trotz seines hohen Alters war er dabei das 18. Band seines weltberühmten Werks „Geschichte des Arabischen Schrifttums“ (GAS) zu verfassen. Das erste Band dieses Werks wurde 1970 herausgegeben. Mit seinen 93 Jahren ist er mit seinem Fleiß und seinem Ehrgeiz noch immer ein Vorbild für alle Studierenden, die sich mit der islamischen Geschichte befassen, und alle, die unermüdlich nach Wissen streben.

 

Leserkommentare

Kritika sagt:
@ Herrn Joh. Disch Vielen Dank für Ihre Nachfrage; ich musste indertat kurze Zeit 'interniert' sein. Fühle ich mich aber heute schon viel besser. Nett von den alten Egyptern, dass sie das Krankenhaus erfanden, Ich hätte sonst nicht gewusst wohin zu gehen.☺ Viele Entdeckungen und Erfindungen lagen "in der Luft": z.B. als Niederländischer Schüler musste Kritika als Erfinder der Buchdruckkunst kennen: Laurens Jan's zoon Coster, 1430 in Haarlem und Gutenberg in Mains. Beide HandwerkerFirmen sollen kurz nacheinander Gesellen ausgetauscht haben, diese sollen dann über die jeweiligen Versuche in Haarlem cq Mains berichtet haben. Von der triviale Entdeckung, dass eine mit Wasser gefüllte GoldfischKugel wie ein Vergrösserungsglas wirkt, über eine Glaskugel, eine abgeplatte Kugel (Linse) bishin zu dem was heute Brille heisst, führt ein langer Weg mit ständige kleine Verbesserungen und vielen kleinen Verbesserern, Erfindern. Wikimedia sagt: Die Erfindung der Brille Der „Brillenapostel“ von Conrad von Soest (1403) Apostel mit Nietbrille (1439) « Die als Sehhilfe für beide Augen auf die Nase gesetzte Lesebrille wurde Ende des 13. Jahrhunderts in Norditalien, möglicherweise in der Toskana, erfunden. Der Dominikaner Giordano da Rivalto erwähnte die erst wenige Jahre zurückliegende Erfindung in einem Predigtmanuskript aus dem Jahr 1305 und teilte mit, dass der in Pisa tätige Dominikaner Alessandro della Spina um 1285[11] das Schleifen von Brillengläsern (ocularia) beherrscht hätte » Eventuelle Araber werden weder bei Wikipedia noch auch in andere, ähnlich lautende Quellen erwähnt. Die "arabische Ziffern" haben verschieden I-Net Quellen zufolge Araber von den die Hindus abgeschaut; vór diese sollen die Chinesen sie verwendet haben. Das Komplzierte Römische System schrieh ohrenbetäubend nach Verbesserung. Die Erfindungshöhe zur Verbesserung ist demnach sehr gering, werauchimmer das war. Sowohl antike Egypter wie Griechen konnten den Umfang der Erde berechnen, Es ist kaum anzunehmen, dass sie die Berechnungen mit Römisch geschriebenen Ziffern durchführten. Das mit der Guitarre, welche die 'Mooren' dann wohl nach Spanien brachten mag stimmen. Allerdings verwünscht der Islam Musik, (es leitet nur von der Zuwendung nach Allah ab) Das spricht eher gegen die Islamische GuitarrenErfindung. Gruss, Kritika
10.05.18
14:04
Johannes Disch sagt:
@Kritika -- "Eventuelle Araber werden weder bei Wikipedia noch auch in anderen ähnlich lautenden Quellen erwähnt." (Kritika) "Wiki" ist nicht immer unbedingt die zuverlässigste Quelle. Warum gönnen Sie sich nicht einmal ein gutes Buch? Beispielsweise das von mir schon häufiger erwähnte Buch von Jim Al-Khalili: "Im Haus der Weisheit. Die arabischen Fundamente unserer Kultur." Ich hoffe, Sie gehören nicht zu der "Internet-Generation?" Also Leuten, die sich ihre Infos ausschließlich oder überwiegend aus dem Netz holen?
11.05.18
14:33
Kritika sagt:
1) Vielen Dank für Ihr Kommentar vom 17 April 2018. Ich war da in medizinische Obhud und antworte nun zum Tode von Fuat Sezgin, der mir eher ein negatives Vorbild ist. So wie der möchte ich mein einziges leben nicht wegwerfen. Jim Al-Khalili scheint interessante leicht-wissenschaftlich Bücher geschrieben zu haben: davon kaufe ich mir mal eins. So ähnlich wie Lauwrence M. Kraus: « Why there is sommething rather that nothing » Untertitel: « A universe from Nothing » Das Buch erklärt hervorragend. Falls Sie, verehrte Frau Fabel mitlesen, vor Kurzem beschäftigte Ihnen die Frage, wie Etwas aus dem Nichts entstehen kann. Kraus hat die Antwort für Sie. Auch Stephen Hawking hat einiges über ähnliche Temen geschrieben. Die Bücher aller 3 Autoren gibt es (unverfälscht durch einen Übersetzer ) in original Englisch.
30.06.18
22:23
Kritika sagt:
Hr. Disch Der Editor von islamiq schaltet oft spontan ab. Wenn der sich gebessert hat, complettiere ich meine Antwort an Sie Gruss,
30.06.18
23:20
Kritika sagt:
An Herr Disch, Vielen Dank für Ihre Antwort, Hr. Disch, in's Besondere für die Zeile « Für den interessierten Laien sehr anschaulich vermittelt das Thema der britische Physiker (und Muslim) Jim Al-Khalili: » Der hat indertat einige sehr interessante Bücher geschrieben und ist bestimmt einer der intelligentesten lebenden Menschen. So intelligent, - - wie meine Nachforschungen ergaben - - dass ich Ihren Wiederspruch entdeckte: So ein intelligenter Mann kann unmöglich den hanebüchelden Nonsens von Koran, Allah, Engel usw. für Ernst nehmen Ergo der kann unmöglich Muslim sein. Ist er auch nicht. Er sagt von sich, dass in seinem Körper sich keinen einzigen religiösen Knochen befindet. (leicht im I-net zu finden). Ein Grund mehr für mich, sich mit seinen Büchern zu beschäftigen. Vielen Dank, Kritika
01.07.18
21:36
Kritika sagt:
An Frau Ute Fabel, Vor kurze Zeit - - so habe ich in Erinnerung - -debatierten Sie darüber, wie etwas aus dem Nichts quasie von selber entstehen könnte. Vor rund 2 Jahren habe ich das Buch gekauft: « Why there is something rather then nothing » Untertitel: « A Universe from nothing » Also genau Ihr Tema von damals. von Lawrence M. Krauss mit Afterword von niemand weniger als Richard Dawkins. Es richet sich an interessierte NormalMenschen, keine Mathe erforderlich. Ich fand es sehr interessant. Vielleicht Sie auch? Gruss, Kritika
01.07.18
23:22
Kritika sagt:
An Hr. Disch, er schrieb besorgt an Kritika: « Ich hoffe, Sie gehören nicht zu der "Internet-Generation?" Also Leuten, die sich ihre Infos ausschließlich oder überwiegend aus dem Netz holen? » ----------- Ich halte das Internet und Wiki für wertvolle Informationsquellen. Dennoch halte ich mir eine Tageszeitung, kaufe informative Zeitschriften in den 5 Sprachen, die ich beherrsche, (leider beherrsche ich schriftliches-Deutsch nur mangelhaft ) Verfolge fremdsprachige TV-informationssendungen, wenn mir das Tema passt. Lese "Spectrum der Wissenschaft" und wissenschaftliche Bücher. Ich hoffe sehr, sehr geehrter Herr Disch Sie streichen mich jetzt aus Ihrer Liste der Leuten mit Internet-generations-Verdacht. Und ich halte den Islam für eine hoffnungslos rückständige und überflüssige Ideologie, weil ich keine Muslims kenne, die sich durch eine fysikalische Einheit oder Fenomen bekannt gemacht haben: wie Avogadro Archimedes Ampére - - - Gruss, Kritika
01.07.18
23:53
Dilaver Çelik sagt:
Möge er in Frieden ruhen. Und danke, dass dieser Beitrag nochmals nach oben geholt wurde.
03.07.18
15:28
Fragender sagt:
@Johannes Disch ich habe mir die Kommentare gelesen und war fasziniert von Ihrer objektiven Denkweise. Ich möchte mich auch in der Richtung bilden und nicht auf den Zug aufspringen, indem es nur ums bashing geht, sondern auch die positiven, in den Medien kaum erwähnten Dinge erlernen. Von den Kommentaren habe ich jetzt ein paar Bücher auflisten können und wollte fragen, ob es mehr Bücher gibt oder anderen Informationsquellen, die auch seriös und wissenschaftlich bewiesen worden sind. Genauso interessiert mich die Historie des Korans, da ich genauso denke, dass man die Geschichte kennen muss, um den Koran und die Hadithe zu verstehen. ich würde mich sehr über Ihre Antwort freuen. Mit freundlichen Grüßen
15.07.18
10:59
Johannes Disch sagt:
@Fragender (15.07.18, 10:59) Sorry, dass ich erst jetzt antworte. Ich war länger nicht mehr bei diesem Artikel. Hier eine kleine Auswahl als Einstiegslektüre: -- Harald Bobzin: "Der Koran" --Heinz Halm: "Der Islam" --Tilman Seidensticker: "Islamismus" (Alle 3 bei CH-Beck-Wissen) -- Bassam Tibi: "Der wahre Imam. Der Islam von Mohammed bis zur Gegenwart." -- Yasar Nuri Öztürk: "Der verfälschte Islam." -- Abu Zaid: "Mohammed und die Zeichen Gottes." Das sollte für den Anfang erst mal reichen. Bei Bedarf kann ich gerne mit mehr dienen. Mit freundlichen Grüßen JD
20.07.18
23:28
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