Ungarn und die EU-Kommission liegen seit Jahren im Streit über die europäische Migrationspolitik. Trotz mehrfacher Kritik aus Brüssel lenkt Budapest nicht ein. Nun geht es vor Gericht.
Die EU-Kommission erhöht wegen der ungarischen Asylpolitik den Druck auf die rechtsnationale Regierung in Budapest. Die Brüsseler Behörde kündigte am Donnerstag an, Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Dies ist der letzte Schritt des sogenannten Vertragsverletzungsverfahrens, das im Dezember 2015 eingeleitet worden war. Die meisten Bedenken seien seitdem nicht ausgeräumt worden, sagte eine Sprecherin.
Zudem leitete die EU-Kommission ein neues Verfahren gegen Budapest wegen eines umstrittenen Gesetzes gegen Flüchtlingshelfer ein. Auch dies verstößt aus Brüsseler Sicht gegen EU-Recht.
Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für „Beihilfe zur illegalen Migration“ vor. Bei Verstößen drohen im Wiederholungsfall Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr. Es wird auch als „Stop-Soros-Paket“ bezeichnet – in Anspielung auf den liberalen US-Milliardär George Soros, der weltweit Nichtregierungsorganisationen unterstützt und ungarische Wurzeln hat.
Ungarns Regierungspartei Fidesz verurteilte das neue Verfahren scharf und beschuldigte die EU, im Dienst des US-Philantropen George Soros zu stehen, der Vereine unterstützt, die Flüchtlingen humanitäre Hilfe bieten. „Das jetzt eingeleitete Verfahren bekräftigt, dass Brüssel für Einwanderung ist und die Soros-Organisationen verteidigt“, teilte die Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban mit. Das Verfahren beweise, „dass Soros auch in der Brüsseler Kommission seine Leute hat.“
Bei der EuGH-Klage geht es unter anderem darum, dass die ungarischen Asylverfahren nur in Transitzonen an den Außengrenzen des Landes durchgeführt werden. Zu den Zonen bekomme nur eine begrenzte Zahl an Personen Zugang, zudem müssten diese übermäßig lange warten. Dieses Verfahren verstoße gegen EU-Recht, weil die Höchstdauer von vier Wochen nicht eingehalten werde und es keine Garantien für besonders Schutzbedürftige gebe.
Auch die ungarische Abschiebepraxis verstößt nach Ansicht der EU-Kommission gegen geltendes EU-Recht. Es sei nicht gewährleistet, dass Abschiebe-Entscheidungen einzeln erlassen werden und die Betroffenen Informationen über mögliche Rechtsmittel erhalten.
Das Gesetz gegen Flüchtlingshelfer war im Juni mit den Stimmen der rechtsnationalen Regierungsmehrheit und der rechtsradikalen Jobbik-Partei verabschiedet worden. Es beschneide das Recht von Asylbewerbern, „mit einschlägigen nationalen, internationalen und nichtstaatlichen Organisationen zu kommunizieren und von diesen Unterstützung zu erhalten“, hieß es von der Kommission. Zudem verstießen neu eingeführte Gründe für die Unzulässigkeit von Asylanträgen gegen EU-Recht. Ungarn hat nun zwei Monate Zeit, eine Stellungnahme dazu abzugeben.
Experten des Europarats hatten bereits kritisiert, mit dem Gesetz würden Aktivitäten von Flüchtlings-Hilfsorganisationen kriminalisiert. Zugleich hatte Ungarn auch seine Verfassung geändert. In Artikel fünf heißt es nun, dass die „Ansiedlung“ fremder Völker verboten sei. Dies war Ministerpräsident Viktor Orban zur weiteren Legitimierung seiner Antiflüchtlingspolitik wichtig.
Ungarn gilt als heftiger Kritiker der europäischen Migrationspolitik und stemmt sich seit Jahren gegen eine verpflichtende Umverteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten. Orban tritt für eine strikte Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen und Migranten ein. Bereits im vergangenen Jahr hatte die EU-Kommission eine EuGH-Klage gegen Ungarn, Tschechien und Polen eingeleitet. Dabei ging es um die mangelnde Teilnahme an der Umverteilung von 120 000 Flüchtlingen. Die Verteilung hatten die EU-Staaten 2015 beschlossen. (dpa, iQ)