Seit einem halben Jahr verhandelt das Dresdner Landgericht gegen einen Mann wegen versuchten Mordes. Er soll für den Anschlag auf eine Moschee verantwortlich sein – im Prozess zeigen sich Ermittlungspannen.
Im Prozess um den Bombenanschlag auf eine Moschee im Herbst 2016 in Dresden ist der Fokus vom Angeklagten Nino K. auf die Ermittlungen gerückt. Das verzögert die Beweisaufnahme und lenkt von der Person des Angeklagten, seinen Motiven und Hintergründen ab.
In den vergangenen sechs Monaten bemängelte das Gericht etwa, dass kein Sprengstoff-Sachverständiger die genutzten Bomben auf ihre Gefährlichkeit hin analysiert hat. Mangels eines Experten beim Landeskriminalamt Sachsen (LKA) beauftragte der Vorsitzende der Schwurgerichtskammer einen Gutachter des Bundeskriminalamts (BKA). Seine Expertise wird für kommenden Dienstag mit Spannung erwartet.
Seit Ende Januar wird gegen Nino K. verhandelt. Der 31-Jährige aus Dresden ist unter anderem wegen versuchten Mordes und Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen angeklagt. Er soll für die Anschläge auf die Dresdner Fatih Camii Moschee und das Kongresszentrum an der Elbe verantwortlich sein. Sie hatten wenige Tage vor der zentralen Feier zum Tag der Deutschen Einheit in Dresden auch bundesweit für Entsetzen gesorgt. Auf die Spur des Mannes, der in Untersuchungshaft ist, kamen die Ermittler über DNA-Spuren an den Tatorten.
Der Belüftungsmonteur hat der Anklage zufolge drei selbstgebaute Rohrbomben in einem Eimer mit brennbaren Stoffen und Flüssigkeiten vor der Tür der Moschee abgestellt und mittels Zeitschaltuhr gezündet. Dahinter befand sich die vierköpfige Familie des Imam. Der Spreng- und Brandsatz zündete aber nicht vollständig, es wurde niemand verletzt. Danach hatte K. auf der Dachterrasse des Kongresszentrums einen weiteren Sprengsatz gezündet. Auch dort blieb es bei einem Sachschaden. K. hatte die Vorwürfe eingeräumt, bestreitet aber, dass er Verletzungen oder gar den Tod von Menschen in Kauf nehmen wollte.
Das Gericht erhofft sich von der Befragung des BKA-Experten nun auch Aufschluss über zwei weitere zündfähige Rohrbomben, die ebenfalls aus K.s Werkstatt stammten. Schon vor Wochen hatte der geladene Experte durchschimmern lassen, dass die Testsprengungen des LKA nicht ihren Zweck erfüllt hätten und zudem nicht ausreichend dokumentiert worden seien. Und im Prozess offenbarten sich weitere Mängel, Fehler und Unzulänglichkeiten bei den Ermittlungen in diesem Fall.
So wurde die Ehefrau des Imam überhaupt nicht als Betroffene des Anschlags von der Polizei vernommen und der Imam selbst nur kurz unmittelbar nach der Explosion. Ein Rentner, der nur wenige Meter entfernt schräg gegenüber der Moschee wohnt, wurde ebenfalls nicht zu dem Anschlag befragt. Dabei war der türkischstämmige Mann als erster am Tatort und hatte auch dem damaligen Innenminister Markus Ulbig (CDU) von der Bombe vor seinem Fenster berichtet.
Mehr zufällig hatte ein Brandsachverständiger des LKA sieben Monate nach dem Anschlag einen Metallsplitter in einer Kehrschutt-Tüte vom Tatort entdeckt, der Beleg einer dritten Rohrbombe. Bis dahin waren die Ermittler von einem „Brandereignis“ ausgegangen, obwohl Zeugen von massiver Detonation und einem Feuerball berichteten. Auch Nachbarn waren erst im Februar 2017 von der Polizei befragt worden. Zu diesem Zeitpunkt machten Beamte des für die Aufklärung politisch motivierter Straftaten zuständigen Operativen Abwehrzentrums Sachsen (OAZ) auch erstmals auch Bilder von der Wohnung des Imam.
Hansjörg Elbs, einer der beiden Verteidiger, bezweifelt angesichts dieser Mängel grundsätzlich, dass der Splitter wie von Zeugen beschrieben gefunden wurde. Er nannte das „abenteuerlich“. Zu allem Überfluss hat auch der Hauptsachbearbeiter des Falls nicht dazu beigetragen, viele Fragen zu beantworten. Der OAZ-Kommissar konnte weder Fragen zur Motivation des Angeklagten, seinem politischen Programm oder seiner offensichtlich rechtsradikalen Gesinnung beantworten. (dpa, iQ)