Horst Seehofer möchte eine Debatte über die Beziehung zwischen Staat und Religion anstoßen. Die Initiative kulturelle Integration warnt dabei vor „christlichen Echokammern“.
Der Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer will infolge der Migration nach Deutschland eine Debatte über die Rolle von Religion und ihrem Verhältnis zum Staat anstoßen. „Die Zuwanderung von Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsstaaten, mit unterschiedlicher religiöser und kultureller Prägung, hat zu erheblichen Herausforderungen geführt, die auch das Verhältnis zwischen Religion und Staat betreffen“, schreibt Seehofer in einem Gastbeitrag für die Zeitung „Die Welt“ (Donnerstag). Die Initiative kulturelle Integration begrüßte den Beitrag, warnte aber zugleich vor einem Verharren in „christlichen Echokammern“.
Seehofer betonte, er wolle die „grundlegende Frage“ thematisieren: „Wie gestalten wir das Zusammenleben in einer religiös und weltanschaulich pluraler gewordenen Gesellschaft?“ Dazu werde er mit „allen relevanten religiösen Gemeinschaften“ das Gespräch suchen. Der CSU-Vorsitzende warnte davor, das Thema Religion auf die sinkende Mitgliederzahl der christlichen Kirchen oder den Umgang mit dem Islam zu verengen.
Mit Blick auf die Debatten über Kopftuch, Kippa und Kreuz schreibt Seehofer, ungeachtet der „teils recht befremdlichen Töne“ sei er froh, dass man sich öffentlich mit dem Thema Religion befasse und so dessen gesellschaftliche Bedeutung unterstreiche. Der weltanschaulich neutrale Staat setze den freiheitlichen Rahmen „für eine gerne auch leidenschaftliche, aber eben gewaltfreie Auseinandersetzung um eine angemessene Lösung derartiger Fragen“. Hierfür bedürfe es einer Bereitschaft der Gesellschaft, sich „auf diesen Diskurs einzulassen und nicht in den jeweiligen Echoräumen zu verharren“.
Seehofer betonte, die Religionsfreiheit entbinde niemanden von der Achtung der Verfassung. Andererseits dürften aber auch Religionsgemeinschaften „selbstverständlich aufgrund ihres Öffentlichkeitsanspruchs das Recht haben, sich in ethischen und gesellschaftspolitischen Fragen zu äußern und sich auch entsprechend zu engagieren“. Dies gelte für alle Glaubensgemeinschaften gleichermaßen und „nicht nur für die christlichen Kirchen“.
Der Moderator der Initiative kulturelle Integration und Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, würdigte den Beitrag Seehofers. Religion gehöre in den öffentlichen Raum, und es müsse darüber diskutiert werden, welche Aufgabe sie bei der Integration übernehmen könne. Dazu sei es aber wichtig, nicht in den „christlichen Echokammern zu verharren, sondern sie zu verlassen“. Im Gegensatz zu der Mitgliederzahl bei den Kirchen wachse die Anzahl der Muslime in Deutschland, diese Entwicklung müsse sich auch gesellschaftspolitisch widerspiegeln. Dazu gehöre, über Kompromisse bei der muslimischen Organisationsstruktur nachzudenken.
Die Initiative hatte im Mai 2017 in Berlin 15 Thesen zum Gelingen von Integration vorgestellt. Das Bündnis besteht aus Spitzenverbänden der Zivilgesellschaft, der Kirchen und Religionsgemeinschaften, der Sozialpartner, der Medien, dem Bund, den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden. (KNA, iQ)