Meinungsbeitrag

Wir brauchen #metwo in Neukölln

Die #metwo Kampagne war ein großes Thema in den sozialen Medien. Doch wie sieht es in der Realität aus? Nadire Y. Biskin ist in Berlin als Autorin und Lehrerin tätig und hat das Gefühl, dass diskriminierungsfreie Schulen auch weiterhin eine Utopie bleiben werden.

16
09
2018
Berlin-Neukölln © flickr, CC 2.0, Andreas Lehner/https://www.flickr.com/photos/lehnin78/
Berlin-Neukölln © flickr, CC 2.0, Andreas Lehner/https://www.flickr.com/photos/lehnin78/

Auf Twitter lese ich, die AfD-Bayern möchte Deutsche Leitkultur und islamfreie Schulen. Sie deklariert somit die Abwesenheit des Islams als ein Bestandteil der Deutschen Leitkultur. Ich mache mir Sorgen darüber, was das für mich und andere Lehrer*innen bedeutet, aber vor allem, was das für meine muslimischen Schüler*innen bedeutet. Ich denke in dem Moment an den Hashtag #metwo, unter dem so viel über (anti-muslimischen) Rassismus und anderen Formen von Diskriminierung berichtet wurde. Was ist jetzt die Folge davon? Was passiert nach #metwo?

#metwo in Friedenau

Es passiert auf jeden Fall was, doch die nächste Frage ist: wie effektiv ist es? Ein Beispiel ist die Einladung der CDU-Politikerin Annette Widmann-Mauz. Sie hat am 7. September mit dem Initiator des Hashtags #Metwo um 11 Uhr die „Friedenauer besucht und ein Gespräch geführt. Die Presse darf mit dabei sein. So weit, so gut. Doch, was ist mit uns Lehrer*innen? Wie kann ich dabei sein? Wie erfahre ich über solche Veranstaltungen, wenn ich keinen Twitter-Account hätte? Eine entsprechende E-Mail von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie habe ich nicht erhalten und selbst wenn, bin ich um die Uhrzeit in der Schule und unterrichte. Auch dieser Diskurs, von dem ich mehrfach betroffen bin, findet ohne mich statt.

Die Gemeinschaftsschule wurde 2017 aufgrund von Antisemitismus unter den Schüler*innen in den Medien mehrfach erwähnt. Kritik am Umgang mit dem Thema und Verharmlosung wurden Lehrer*innen und Schulleitung vorgeworfen. Um so mehr, freut es mich, dass die Schule daraus gelernt hat und Annette Widmann-Mauz und Ali Can zum Gespräch einlädt. Ob es sich nur um eine Image-Kampagne handelt oder wirkliches Interesse sei dahingestellt. Denn zuerst zählt nicht die Absicht, sondern ganz utilitaristisch der Nutzen für alle Beteiligten. Es gab auch viele Stimmen, die davon berichten, wie es ist muslimisch und arabisch oder türkisch zu sein und in Deutschland zur Schule zu gehen. Sicherlich wurde das auch in Friedenau thematisiert. Jedoch ist Friedenau eben Friedenau.

#metwo in Neukölln

Daher wünsche ich mir einen weiteren Besuch in Neukölln. Einen Besuch, bei dem nicht nur die Gewalt, die von muslimischen Schüler*innen ausgeht, im Mittelpunkt steht. Denn dazu hat sich Neuköllns Schulpersonal schon bereits genug geäußert.[1] wird Zeit, dass in Neukölln, welches stellvertretend für andere Bezirke mit hohem People of Color Anteil steht, Schüler*innen arabischer und türkischer Herkunft, die Diskriminierung im Schulsystem erfahren, zur Wort kommen. Denn nur so können wir die vielfältigen Erfahrungen und Wünsche, die unsere Gesellschaft ausmacht, kennenlernen und verstehen. Es braucht also einen Polylog zum Thema „Diskriminierung“ an verschiedenen Schulen, wenn wir Schulen nicht frei vom Islam oder Muslim*innen, sondern frei von Diskriminierung haben möchten.

Ansonsten befürchte ich, dass noch viele weitere Tweets unter #metwo folgen werden und die AfD ihren Wunsch nach einer islamfreien Schule genau mit solchen Fällen wie die an der Friedenauer-Gemeinschaftsschule begründen wird.

 

[1] https://www.freitag.de/autoren/maxi-leinkauf/schule-der-angst

Leserkommentare

Karl Hinze sagt:
Islamfreie Schule bedeutet doch nicht, dass es an der Schule keine muslimische Lehrerin geben dürfte, sondern dass es dort keinen Islamunterricht geben soll. Es ist schon nachvollziehbar, dass eine an Lehrerin an einer staatlichen Schulen unterreichten will. Ist sie Religionslehrerin, will sie dort natürlich auch in ihrem Fach unterrichten und fordert durchaus zu Recht die Gleichstellung mit christlichen Religionsgemeinschaften. Doch das ist der falsche Weg. Die Absichten der bayerischen AfD zielen darauf, jeden Religionsunterricht von den Schulen fern zu halten. Kirchen, Moscheen oder sonstige Tempel sind die geeigneten Orte, an denen die Nachwuchsrekrutierung erfolgen kann – natürlich nicht zu Lasten des Deutschen oder irgend eines anderen Staats.
16.09.18
19:16
Kritika sagt:
L.S. Ich mache mir Sorgen darüber, was das für mich und andere muslimischen Lehrer*innen bedeutet, aber vor allem, was das für meine muslimischen Schüler*innen bedeutet. Keine Sorge, verehrte Frau Nadire Y. Sie bringen Ihren Schülern ganz einfach weiterhin die wunderschöne Spanische Sprache bei. - und fühlen sich leichter, befreit von einem Werbeträger für eine schillernden Sekte. Das geht, sogar viel besser mit einer Lehrerin ohne ablenkendes Koptuch; ich habe 's ausprobiert: Mi professora de español nunca jamás usaba pañuela en la cabeza, siempre estaba vestida normamente. Saludos, Kritika
18.09.18
17:09
Kritika sagt:
L.S. " Die Absichten der bayerischen AfD zielen darauf, jeden Religionsunterricht von den Schulen fern zu halten. " So schreibt Frau Nadire Y. Biskin ---------- Zurecht, meint Kritika. "Das sieht Kritika genauso und begrüsst daher diese "AfD-Absicht". Auch wenn ich den Islam, wie die AfD - aus verschieden Gründen - beide für Demokratie feindlich - - und damit für schädlich - - halte und beide auf den Mond wünsche, so ist mir diesmal der Vorschlag der AfD wesentlich sympathischer. Religiöse Indoktrination, IslamKunde eingeschlossen, bedeutet - wegen völlig fehlendem Wirklichkeits- Bezug - nichts anderes als Märchenstunde. Noch unkritische junge Menschen, die den Nonsense der Religion erst in einigen Jahren werden übersehen- und einschätzen können, dürfen wir Religiöse Märchen nicht als Tatsachen verkaufen. Wenn wir das aber in die Schule tun, könnten die unreife, unkritische Schüler diesen Unterricht - - Wie der Unterricht in Erdkunde: - - » Wo liegt Amsterdam, wo Berlin? « für bare Münze nehmen, und nicht für was sie sind: Märchen. Das dürfen wir ihnen nicht an tun. Gruss, Kritika
22.09.18
1:14
Ute Fabel sagt:
Konfessioneller Religionsunterricht im öffentlichen Schulsystem gehört nach französischem Vorbild schleunigst abgeschafft. Das sollten sich eigentlich die SPD, die FDP, die Grünen und die Linken federführend auf ihre Fahnen heften. Schade, dass in Deutschland der Kampf für mehr Laizismus rechts liegen gelassen wird. In Spanien scheint es hingegen so, als würden die seit kurzem regierenden Sozialisten gemeinsam mit der linken Podemos und der liberalen Ciudadanos demnächst das Konkordat mit der katholischen Kirche aufkündigen. Das wäre ein Vorbild für Deutschland! Eltern, die auf eine religiöse Erziehung ihres Nachwuchses wert legen, sollen ihre Kinder in die Jugendgruppen der Religionsgemeinschaften schicken.
24.09.18
21:28
Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel Man kann Deutschland nicht mit Frankreich vergleichen. Wir sind kein laizistischer, sondern ein säkularer Staat. Das ist ein gewichtiger Unterschied. Das habe ich hier schon unzählig oft erläutert. Und trotzdem kommt immer wieder der Einwand Frankreich. Das macht es hier langsam ermüdend.
19.10.18
15:48