Nachgefragt

„Warum es kein islamisches Mittelalter gab“

Autoren schreiben hunderte Seiten. Doch was passiert, wenn sie ihr Buch auf seine Essenz herunterbrechen müssen? Unsere Serie „Nachgefragt“ liefert Antworten. Heute Prof. Thomas Bauer und sein Buch „Warum es kein islamisches Mittelalter gab“.

22
09
2018
Nachgefragt Thomas Bauer - Warum es kein islamisches Mittelalter gab
Nachgefragt Thomas Bauer - Warum es kein islamisches Mittelalter gab

IslamiQ: Wem würden Sie ihr Buch „Warum es kein islamisches Mittelalter gab“ gerne schenken und warum?

Prof. Thomas Bauer: Bei meinen Fachkollegen ist der Begriff „islamisches Mittelalter“ schon länger als problematisch erkannt. Bei einigen Europa-Historikern ist das aber noch anders. Vor allem aber in der Öffentlichkeit dominiert das Fortschritts-Paradigma, wonach Europa durch Antike – Renaissance – Aufklärung – Moderne geprägt worden sei, während „der Islam“ im „Mittelalter“ hängengeblieben sei. Ich würde es deshalb am liebsten vielen Journalisten schenken, damit sie mit ihren Begriffen und Geschichtskonzepten sorgfältiger umgehen.

Thomas Bauer
Warum es kein islamisches Mittelalter gab
C.H. Beck Verlag
ISBN: 978-3-406-72730-6
175 Seiten
2018

IslamiQ: Warum ist die Thematik Ihres Buches im Lichte aktueller Debatten wichtig?

Bauer: Strömungen wie der Salafismus wollen nicht, wie es immer heißt, „zurück ins Mittelalter“. Ein solches „Mittelalter“ hat es nicht gegeben, und die ambiguitätstolerante Kultur der Jahrhunderte, die man gemeinhin „Mittelalter“ nennt, lehnen sie vehement ab. Ihre Ideologie ist vielmehr nur aus der Moderne und ihren Ideologien heraus verständlich.

IslamiQ: „Beim Lesen guter Bücher wächst die Seele empor.“ Warum trifft dieses Zitat von Voltaire auf Ihr Buch zu?

Bauer: Vielleicht wächst die Seele ja, wenn auch nicht empor, so doch ins Weite, wenn man sich die Geschichte der Spätantike als Geschichte eines zusammenhängenden Raums von der iberischen Halbinsel bis zum Hindukusch denkt, in dem sich die Kulturen der Antike (einschließlich der persischen) allmählich wandelten, ehe um das 11. Jahrhundert etwas Neues entstanden ist.

IslamiQ: Ihr Buch „Warum es kein islamisches Mittelalter gab“ in drei Wörtern zusammengefasst?

Bauer: Na ja, sechs Wörter, aber immerhin nur drei Substantive: Europa ist nicht Alleinerbe der Antike.

IslamiQ: Eine spezielle Frage für Sie: Wenn es kein islamisches Mittelalter gab, in welchem Zeitalter befindet sich die islamische Welt heute?

Bauer: Epochen wiederholen sich nicht, und im Zeitalter der Globalisierung befindet sich die ganze Welt zwangsläufig in derselben Epoche, nur dass sie überall unterschiedliche Gestalt hat. Aber ein religiöser Fanatiker ist genauso „modern“ wie ein Militärdiktator oder ein liberaler Reformer: Sie arbeiten sich alle an der gleichen Gegenwart ab, nur mit unterschiedlichem (und unterschiedlich begrüßenswertem) Resultat.

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Interessanter wäre zu untersuchen, warum es in der Neuzeit innerhalb des islamischen Einflussbereichs keine Renaissance und keine Aufklärung gegeben hat. Das Christentum wurde durch diese Strömungen vom wilden Wolf im Mittelalter schrittweise zum dressierten, kastrierten, relativ harmlosen Schoßhündchen umgemodelt.
22.09.18
23:43
Emanuel Schaub sagt:
Für die vielnen Jungs (Missbrauch!) wären etliche der Seel -Sorger ??? tatsächlich lieber kastriert... gruss emanuel
25.09.18
14:39
Kritika sagt:
L.S. Wenn es kein Islamisches Mittelalter gegeben hat, erklärt das die noch heute deutlich merkbare hoffnungslose Rückständigkeit der Mohammedanisch beherrschten Ländern. Gruss, Kritika
25.09.18
23:46
Tarik sagt:
@ Ute Fabel Dies wurde auch vom o.g. Autor untersucht. Sowohl in diesem als auch in seinem überzeugenden "Die Kultur der Ambiguität" von 2011. Das, was die Reformation von der Kirche anfangs forderte, sind im Großen und Ganzen Forderungen, die der Islam im 7. Jahrhundert bereits aufstellte. Letztlich ist der Islam die Reformation des 7. Jahrhunderts und das, was ein französischer Theologe Mitte des letzten jahrhunderts als "egalitäre, laizistische Theokratie" bezeichnete.
27.09.18
16:07
Dilaver Çelik sagt:
@Kritika Das was Sie "Fortschrittlichkeit" nennen, ist ursächlich dafür, dass "nur" 10% der Weltbevölkerung wohlhabend und weitere 10% einigermaßen gut situiert sind, hingegen die übrigen 80% der Weltbevölkerung in bitterer Armut leben. Sparen Sie sich also Ihre sinnfreien Kommentare.
28.09.18
17:57
Kritika sagt:
An Dilaver Çelik Er schreibt an Kritika: was Sie "Fortschrittlichkeit" nennen - - Sie haben mein Beitrag offensichtlich nur unsorgfältig gelesen: In meinem Beitrag kommt das Wort "Fortschrittlichkeit" überhaupt nicht vor. Ich habe die Rückständigkeit der Islamisch beherrschten Ländern erwähnt, das ich auf die herrschende Sekte , Islam, dort zurückführe. In vielen vom Islam beherrschten Ländern, gehört die Bevölkerung zu den von Ihnen erwähnten 80%, die in bitterer Armut leben: Pakistan, Afganistan, Jemen, Gaza, Bangladesch, usw. In Mitten dieser meist chaotische arme und ärmste MuslimStaaten liegt Israel, technologisch auf Weltniveau. Es geht also auch anders. Wenn in vom Islam beherrschten Staaten einige wenige in Wohlstand leben, - - die von Ihnen genannte 10% -- dann weil dort zufällig Erdöl im Boden vorkommt. Und nicht, weil die Muslims dort so intelligent wären. Im Gegenteil, um das Erdöl zu exploitieren sind diese Staaten auf der Intelligenz und das Equipment von "Ungläubigen" angewiesen. Übrigens: Kritika empfindet Ihren aggressiven Ton: » Sparen Sie sich also Ihre sinnfreien Kommentare. « als nicht sachdienlich, unangemessen und wenig zivilisiert. Gruss, Kritika
30.09.18
0:35
Johannes Disch sagt:
Thomas Bauer brillant, wie gewohnt. "Tarik" hat schon darauf hingewiesen, warum die immer ewig wiederholte Litanei, dem Islam fehle die Aufklärung, falsch ist. Das ist ein typisch eurozentrische Sichtweise. Neben Bauers Hauptwerk "Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islam" empfiehlt sich sein kurzes Essay "Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt." (2018)
12.10.18
13:19
kritika sagt:
In Mitten dieser meist chaotische arme und ärmste MuslimStaaten liegt Israel, technologisch auf Weltniveau. Es geht also auch anders." ("Kritika") Wieso sind diese "MuslimStaaten" chaotisch und arm? Und wieso liegt Israel auf technologisch hohem Niveau? Befassen Sie sich mal eingehend mit der angelsächsischen Kolonialpolitik sowie dem politischen Zionismus, dessen Ziele und Methoden. Muhammad Asad, geboren als Leopold Weiß, besuchte seinen Onkel, der in Jerusalem der 20er Jahre ein Krankenhaus leitete oder leitete (die Details weiß ich nicht mehr). Damals kamen auf jeden Araber fünf Juden. Und Asad, ein glänzender Stilist und Beobachter mit Scharfsinn, wird - wie soviele humanistische Juden des 20. Jahrhunderts - vom Zionismus angewidert, der die dortigen Einheimischen entweder als Menschen zweiter Klasse ansieht oder sie komplett ignoriert. Es geht also um Motivation. Und nach der Shoa-Erfahrung war die n atürlich um so mehr gegeben. Hilfreich ist es natürlich, wenn dank Lobbyarbeit mächtige westliche Staaten das dazugehörige Know-How gleich mitliefern. Und das alles in einer Region, die ansonsten dank britisch-französischer Grenzziehung auf Jahre hinaus mit politisch-ethnischen Konflikten beladen wurde. Auch das hier liegt also offensichtlich außerhalb ihrer Kernkompetenz! Tarik
19.10.18
20:58
Tarik sagt:
Nachtrag: Der obige Kommentar stammt von mir, nicht von "kritika".
22.10.18
13:09
Kritika sagt:
L.S. Vielen Dank, Hr. Tarek, für Ihre Sichtweise. Da haben Sie ausnahmsweise Recht, sehr geehrter Tarik, der Kommentar war bestimmt nicht von mir. Ich habe gelernt, mein Standpunkt durch verständliche, logisch Argumente zu entwickeln und dann zusammenzufassen. Logisches Denken gehört auch zu meiner Kernkompetenz. Sie nennen lediglich einige 'Bauklötze' - Ein Onkel von Assad leitete einmal ein Krankenhaus (was wollen Sie damit eigentlich sagen?) - Assad war vom Zionismus angewidert, Humanistische Juden ebenfalls, ( ist das der Grund weshalb Israel heute so prosperiert?) - westliche Staaten lieferten nach der Shoa Know-How, (auf dem damaligen Stand, so um die 1950 -- 1960 ? Und Sie meinen, Israel baut noch heute auf diese fosslile Erkenntnissen auf?) - Franzosen und Britten waren Ursache von politisch-ethnischen Konflikten ?? Und weil Sie dies alles so empfinden, deshalb weist Israel Wissenschaft und Technologie von Weltniveau auf? Und die Mohammedanischen Staaten ringsherum versinken deshalb in Armut und im blanken kriminellen Chaos? Grusss, Kritika
28.10.18
23:19