Rechtspopulismus in Deutschland

Jenseits des Hasses – Was Deutschland umtreibt

Rechtspopulismus und Hass. Ein Jahr nach der Bundestagswahl scheint nicht nur die Regierung in der Krise. Drohen Weimarer Verhältnisse in Deutschland?

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09
2018
Symbolbild: Kopftuch, Muslimin© (Never Edit/CC 2.0/ flickr)
Symbolbild: Kopftuch, Muslimin© (Never Edit/CC 2.0/ flickr)

Ein Jahr nach der Bundestagswahl gibt es viel Anlass für Verunsicherung in Deutschland. Wie stark bröckelt der Zusammenhalt? Sind Stabilität und das Vertrauen in Politik und Staat in Gefahr? Herrschen bald Weimarer Verhältnisse?

Selbst die Staatsspitzen zeigen sich 2018 besorgt. „Aus meiner Sicht darf nichts ins Rutschen kommen“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im August im ARD-Sommerinterview. Es ging dabei um Kritik auch von Politikern an Gerichtsurteilen im Fall des unrechtmäßig nach Tunesien abgeschobenen extremistischen Gefährders Sami A. Merkel nahm dies zum Anlass, um klarzustellen: „Demokratie ist Minderheitenschutz, Pressefreiheit, Demonstrationsmöglichkeiten.“ Die Kanzlerin hielt es für nötig, zu betonen: Auch unabhängige Gerichte gehörten dazu. Ohne unabhängige Institutionen wäre die Demokratie nicht mehr vollständig, so Merkel.

Etwas kommt ins Rutschen – diese Formulierung ist in Mode gekommen, wenn es um Unbehagen mit aktuellen Verhältnissen geht. Bis hin zum Bundespräsidenten. „Wir alle spüren, dass etwas ins Rutschen geraten ist in den liberalen Demokratien“, mahnte Frank-Walter Steinmeier zum Jahrestag der Unterzeichnung des Grundgesetzes im Mai.

„Wutbürger laufen den Nazis hinterher“

Gabi Engelhardt sagt es drastischer. „Wir laufen im Schnellschritt auf eine Situation wie in den 30er Jahren zu“, meinte die Chemnitzer Aktivistin im Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“, als Anfang September der Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke an der Seite von Pegida-Chef Lutz Bachmann in ihrer Stadt demonstrierte. Die Zivilgesellschaft sei zwar größer als der Hass, zitierte die „Süddeutsche Zeitung“ die Chemnitzerin. Aber: „Die Wutbürger laufen den Nazis hinterher.“ Eine Woche vorher war ein 35-jähriger Deutscher in Chemnitz erstochen worden. Demonstranten attackierten ausländisch aussehende Menschen. Gegen einen Iraker und einen Syrer wurde Haftbefehl wegen Totschlags erlassen, einer wurde später aufgehoben. Als dringend tatverdächtig gilt ein weiterer Iraker, der per Haftbefehl gesucht wird.

Dass die Folgen von Chemnitz die Koalition in Existenznot bringen, konnte da noch niemand ahnen. Doch ein Streit um Äußerungen von Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen zu Chemnitz löste die aktuell anhaltende Regierungskrise um ihn aus. Selbst viele Politiker der Koalition zeigen sich bestürzt vom Agieren von Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chefin Andrea Nahles. Bis zur Regierungsbildung nach der Wahl hatten Union und SPD eine Rekordzeit gebraucht. Ob sie bis zum nächsten regulären Wahltermin im Herbst 2021 miteinander durchhalten, erscheint ein halbes Jahr nach Amtsantritt offen. Die Umfrageerfolge der AfD steigern die Nervosität der Regierungspartner spürbar.

Drohen Weimarer Verhältnisse?

Es ist ja nicht nur Chemnitz. Bereits 2015 gingen für das fremdenfeindliche Pegida-Bündnis in Dresden bis zu 25 000 Anhänger auf die Straße. Heute mobilisiert die Neonazi-Szene durch soziale Netzwerke wie lange nicht mehr. Zum Ende der parlamentarischen Sommerpause sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU): „Die Ereignisse in Chemnitz zwingen uns zu einer Unterscheidung zwischen den unentschuldbaren Gewaltexzessen und den Sorgen, die viele Bürger umtreiben.“ Befindet sich Deutschland tatsächlich auf dem Weg zurück in die 30er Jahre? Drohen Weimarer Verhältnisse?

Weimar mündete im Naziterror. Weimar mahne zur Wachsamkeit, stellte der renommierte Münchener Historiker Andreas Wirsching schon vor einem Jahr fest. Aber: «Berlin ist (…) weit davon entfernt, Weimar zu sein.» Für ein Projekt des Bayerischen Rundfunks und der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zum Thema zählte Wirsching die Unterschiede auf: etwa die Schwäche des Parlamentarismus in der Weimarer Republik. Der Reichspräsident wurde direkt gewählt, Volksentscheide auf Reichsebene sollten das Parlament einhegen. Der Bedeutungsverlust konservativer und liberaler Parteien lähmte den Parlamentarismus.

Und: „Für allzu viele Menschen hatte seit 1914 der Sturm von Krieg und Nachkrieg, Inflation und Weltwirtschaftskrise eine soziale Abwärtsbewegung in Gang gesetzt.“ Heute herrscht dagegen Rekordbeschäftigung.

AfD erstmals zweitstärkste Kraft

„Der entscheidende Unterschied zu Weimar besteht bisher in der Abwesenheit parlamentarisch bedeutsamer, extremistischer Antisystemparteien“, schrieb Wirsching. Das war allerdings drei Tage vor der Bundestagswahl 2017, bei der es zur Zäsur kam und die AfD mit 12,6 Prozent drittstärkste Kraft wurde. Derzeit liegt sie bei Umfragen sogar zwischen 13 und 18 Prozent bundesweit. Laut jüngstem ARD-„Deutschlandtrend“ wäre die AfD erstmals zweitstärkste Kraft nach der Union. In den neuen Ländern liegt sie bei 21 bis 23,9 Prozent.

Im Bundestag hat sich der Stil durch die AfD verändert. Oft versucht sie die Aufmerksamkeit auf Flüchtlinge auch bei ganz anderen Themen zu lenken. Bei der Beratung des Gesundheitshaushalts neulich ging es um die Pflege und die Krankenkassen. Doch die AfD-Abgeordnete Birgit Malsack-Winkemann warf der Regierung nur vor, die Bevölkerung nicht gegen durch Flüchtlinge eingeschleppte Krankheiten zu schützen. Die AfD-Abgeordneten provozieren gern, zeigen viel Präsenz im Plenum und lehnen in der Regel alles von der Koalition komplett ab. Immer wieder setzen sich andere Abgeordnete scharf mit der AfD auseinander – etwa als Ex-SPD-Chef Martin Schulz AfD-Fraktionschef Alexander Gauland vorwarf, er verwende «Mittel des Faschismus».

Zwar zeigen die aktuellen Umfragen: Alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien liegen in der Wählergunst zusammen bei rund 80 Prozent. Aber wie ist der AfD-Erfolg zu erklären?

Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagt: „Die AfD ist nicht vom Himmel gefallen.“ Für ihn ist eine zentrale Erklärung, dass große Koalitionen zum Dauerzustand geworden seien. „Das erzeugt mit einer gewissen Zwangsläufigkeit das Bedürfnis nach lautstarken politischen Alternativen“, so der heutige Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung im „Spiegel“. Auch sein Nachfolger Schäuble sieht das ähnlich. Vier von fünf Abgeordnete hätten in der vergangenen Legislaturperiode der Regierungskoalition angehört, sagte er der „Welt am Sonntag“. „Da ist es nicht überraschend, dass Parteien am Rande des politischen Spektrums Wähler gewinnen.“

Gleichheit und Gerechtigkeit nur für bestimmte Gemeinschaften

Doch der AfD-Aufstieg hat auch tieferliegende Gründe. Der Leipziger Soziologe Holger Lengfeld sieht darin die Folge einer Spaltung in Deutschland. Und zwar nicht zwischen Arm und Reich, sondern zwischen zwei Weltbildern. Die einen, er nennt sie die Mehrheit der Kosmopoliten, sähen alle Menschen unterm Strich als gleich an, sie respektierten unterschiedliche Lebensweisen und seien eher für offene Grenzen. Die anderen aber hielten daran fest, dass Gleichheit und Gerechtigkeit nur für bestimmte Gemeinschaften gelte. Vom Staat erwarteten sie eine Garantie ihrer Lebensweise.

Ist der rechte Populismus also gar keine Folge von Abstiegsängsten etwa durch den technologischen Wandel, wie es oft heißt?

«Wir haben (…) heute einen Anteil an Menschen, die sich vor Abstieg sorgen, der ist so niedrig wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr», stellte Lengfeld auf einer Tagung fest. Der Hauptgrund sei die konjunkturbedingt positive Arbeitsmarktentwicklung.

Die Stimmung ist gar nicht so schlecht. «Diese stabile Wirtschaftslage in Deutschland trägt einen Gutteil zur Beruhigung bei», sagte der Magdeburger Soziologe Jan Delhey auf einem Fachkongress. «Wir sehen in Deutschland relativ wenig auf die eigene Lage bezogene Ängste und Sorgen, einzelne Bevölkerungsgruppen einmal ausgenommen.» Die Westdeutschen seien nach einer Delle heute so zufrieden wie in den 80ern. Bei den Ostdeutschen sei die Zufriedenheit mit dem eignen Leben seit der Wiedervereinigung noch nie so groß gewesen wie heute. Vor wenigen Tagen bestätigte eine Allensbach-Umfrage: Einer Mehrheit der 30- bis 59-jährigen Bundesbürger geht es besser als vor fünf Jahren.

„Hass leer laufen lassen“

Es gibt auch noch Vertrauen in Institutionen, wenn auch ungleich verteilt: Der Polizei vertrauen in Westdeutschland 85 Prozent, im Osten 69 Prozent; den Gerichten 69 Prozent im Westen, aber nur 50 Prozent im Osten; der Bundesregierung nur 46 Prozent im Westen und gerade mal 35 Prozent im Osten. Das zeigte ein ARD-«Deutschlandtrend» Anfang September.

Und der Hass, die Wut und die Angst? Der Sozialpsychologe Harald Welzer meint, nur ein kleiner Teil der Bevölkerung sei so eingestellt. Besser wäre es, die Mehrheit würde die Themen setzen. „Hass kann man nicht stoppen, aber leerlaufen lassen“, sagte er der «Tageszeitung». Ohne Reaktion bleibe der Hassende mit seinem Hass allein. (dpa, iQ)

Leserkommentare

Kritika sagt:
L.S. Kritika beobachtet ebenfalls, dass eine Kluft durch Deutschland läuft. An einer Seite dieser Grenze sind die Einwohner, so wie sie seit Jahrzehnten hier gewohnt und gearbeitet haben, die NormalMenschen.. Auf der anderen Seite sind die Muslims, deren Sekte von den Normalmenschen belächelt oder bedauert wird, mit denen sie aber nichts zu Tun haben wollen. Muslims, die aber auch aus vielen Gründen dauernd auf Ärger aus sind. Es sind die "Ludins", die die Gerichte beschäftigen. Es sind die unverbessserlichen "KopftuchMädchen", die versuchen im friedlichen Städtebild zu protestieren zu demonstrieren zu provozieren. Es ist den Ureinwohnern nicht zumutbar, sich den Muslims anzupassen. Im Gegenteil, die Muslims haben sich an ihre Wohltäter anzupassen, den Wohltätern , die sie - anfangs - sehr freundlich aufgenommen haben, die aber durch das Dominante-penetrante Verhalten der Muslims diese inzwischen nicht mehr willkommen heissen sondern sie nur noch leidlich ertragen. Es wäre erfreulich, wenn die Muslims sich "unsichtbar" machen würden Sich wie die vielen ebenfalls Mücken-grosse-Sekten benehmen würden. Dann wird die Aversion gegen KopftuchMädchen und Messermänner allmählig zurück gehen Dann würden den MuslimFrauen auch vielen Berufen offen stehen, in denen" KopftuchMädchen" heute (aus begreiflichen Gründen) untragbar sind. Haben Sie., verehrte Leserin, verehrter Leser, schon einmal eine Verkäuferin oder Kassiererin mit Kopftuch gesehen? bei Kaufhof, Hertie C&A, Bauhaus einer Bank? Ein KopftuchMädchhen bei der Post, bei der Bahn? Eine Zahnarzt -Assistentin , Krankenschwester mit Kopftuch? Kritika nicht. Das selbst gewählte Isolement tut der Integration nicht gut. Kritika wünscht den KopftuchMädchen einen guten Schuss Skepsis gegenüber den Lehren des leeren Islam und einen noch besseren Schuss Selbstvertrauen, ihr Schicksal selber in die Hand zu nehmen, und nicht einem Märchen aus dem finsteren Mittelalter auf dem Leim zu gehen Gruss, Kritika
25.09.18
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