ARD-Report

Antisemitismus wird lauter – ein Spiegel des allgemeinen Rechtsrucks in der Gesellschaft

Am Montag zeigte das ARD den Antisemitismusreport. In 45 Minuten behandelte die Reportage die Situation deutscher Juden und deren Erfahrungen mit Antisemitismus. Was dabei vor allem deutlich wurde: Antisemitismus ist nicht unbedingt gestiegen, aber er ist lauter und hässlicher geworden.

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2018
Screenshot Antisemitismusreport - ARD © ARD-Mediathek, bearbeitet by iQ.
Screenshot Antisemitismus - ARD © bearbeitet by iQ.

Ein jüdisches Restaurant in Chemnitz wird von Neonazis angegriffen. Einzelfall oder jüdischer Alltag? Die erste Sequenz dieser Reportage zeigt das Restaurant und den jüdischen Besitzer. Das Thema Antisemitismus ist in den letzten Jahren präsenter geworden. Der Einzug der AfD in den deutschen Bundestag,der allgemeine Rechtsruck der Gesellschaft. Aber auch die vermeintliche Gefahr von muslimischem Judenhass und der Antisemitismusvorwurf gegen geflüchtete Muslime haben die Debatte angeheizt.

Zum Einen stellt sich die Frage,woher der spürbarer werdende Antisemitismus kommt. Zum Anderen ist im Zuge des Nahostkonflikts für viele aber auch nicht geklärt wo Israelkritik aufhört und Antisemitismus anfängt. Diese Fragen sollen in dem ARD-Report anhand von verschiedenen Expertenbeiträgen und Ergebnissen wissenschaftlicher Studien beantwortet werden. Verschiedene Seiten kommen dabei zu Wort.

Der erste Abschnitt widmet sich der Frage, inwiefern Vorfälle von Antisemitismus eine generelle Gefahr darstellen oder nur Einzelfälle sind. Von Seiten der Juden ist klar, dass sie gefährlich leben, sobald sie ihre Religion durch Symbole wie den Davidstern oder die Kippa kenntlich machen. Nicht wenige Juden verstecken ihre religiöse Zugehörigkeit deshalb zum eigenen Schutz. Sie fühlen sich angreifbar, wenn sie ihre Identität preisgeben, auch durch unterschwellige Kommentare. Juden müssen ihren Alltag anpassen, ihn danach ausrichten, wie sie Stigmatisierung und Gefahren aus dem Weg gehen können. Dabei sollte es eigentlich nicht so sein, findet ein Jugendlicher im Bericht. Nur unter Polizeischutz fühlen sich viele junge Menschen sicher, ob in der Schule oder der Synagoge, hier können sie unbeschwert einfach nur Jugendliche sein.

„Die Angst wird größer – die Statistik bleibt gleich“

Deutsche Juden haben das Gefühl, dass der Hass gegen sie in letzter Zeit stärker geworden ist, die Angst ist größer. Dabei bleibt die Statistik gleich. Was sich jedoch verändert hat ist der Ausdruck des Hasses. Was früher nur gedacht wurde, darf heute wieder gesagt werden. Auch die Hemmschwelle für körperliche Angriffe ist gesunken. Übergriffe sind in Deutschland also statistisch tatsächlich mehr geworden, nicht aber die antisemitische Grundeinstellung. Eine Entwicklung, die sich in den letzten Jahren auch im Hass gegen andere Minderheiten beobachten lässt. Gleichzeitig wird die Angst oft nicht ernst genommen: Juden sollten Beschimpfungen nicht so ernst nehmen und nicht so sensibel darauf reagieren. Ihnen wird vorgeworfen, eine Opferhaltung einzunehmen. Das Leiden wird unterschätzt, sagt Julia Bernstein, Professorin für Diskriminierung und Inklusion in der Einwanderungsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Science.

Dies ist nicht nur ein Problem, das Juden betrifft. Es spiegelt den Umgang mit Minderheiten in diesem Land wieder. Diskriminierung, Anfeindungen und die daraus resultierenden Nachteile werden oft weder wahr noch ernst genommen. Egal um welche Minderheit es sich handelt. Auseinandersetzung mit dem eigenen Rassismus, gleich welcher Art, unerwünscht. Spätestens seit Mesut Özil und der darauf folgenden #metwo Debatte ist klar, dass es Abgeordnete, Medien und Bürger gibt, die lieber Ausreden finden als die Betroffenen ernst zu nehmen und sich dem Problem zu stellen.l

Wer ist der Übeltäter?

Doch ist in der Wahrnehmung der Juden gar nicht die deutsche Mehrheitsgesellschaft, nicht einmal die rechtsextreme Bewegung, für wachsenden Antisemitismus verantwortlich. Vielmehr sehen viele Juden die Muslime als Ursache des Antisemitismus. Im Beitrag kommt der Offenbacher Rabbiner zu Wort, der von Muslimen angepöbelt wurde. Die Täter wurden von der Polizei verhaftet, welche um die Ecke an der Synagoge Wache stand. Für den Rabbiner ist generell klar: „Die Täter sind Muslime.“ Aber lässt sich diese Wahrnehmung auch wissenschaftlich belegen?  Antisemitismus sei tatsächlich, vor allem unter arabischen Muslimen, stark verbreitet, führe aber in den seltensten Fällen zu gewalttätigen Übergriffen. So das Fazit. 95 Prozent aller registrierten antisemitischen Straftaten in Deutschland gehen von recht(sextrem)en Deutschen aus.* So eindeutig wird es im Report nicht gesagt. Relativ erfreulich  ist dafür, dass tatsächlich mehrere Muslime selber zu Wort kommen und auch positiv dargestellt werden.

Der Vorsitzende des Islamrats, Burhan Kesici kritisiert, dass der Rechtfertigungsdruck gegenüber Muslimen sehr groß sei, obwohl die Vorwürfe ungerechtfertigt seien. Anstatt jungen Muslimen, die antisemitische Kommentare von sich geben, werden vier junge Männer, drei von ihnen muslimisch, gezeigt, die sich gegen Antisemitismus einsetzen, für Antisemitismus in ihrer Gemeinschaft sensibilisieren wollen und dafür eine Synagoge besuchen. Dort stellten sie fest, dass es Berührungspunkte braucht, um sensibler mit dem Thema Antisemitismus umzugehen.

Interessant ist auch der Einwand, dass Antisemitismus zwar grade unter geflüchteten Menschen aus arabischen Ländern verbreitet sei, dass dies aber eben auch mit der staatlichen Indoktrination von klein auf zusammenhänge. So reflektiert und erklärt ein Geflüchteter es selber und auch der Experte betont, dass es eine große Lernbereitschaft gebe, wenn zu dem Thema aufgeklärt wird. Offenbar wissen es viele Muslime nicht besser und so scheint es, als gäbe es unter Muslimen Potenzial, Antisemitismus abzubauen.

KZ-Besuche führen zur Verharmlosung

Fast hoffnungslos erscheint es aber bei jenen, die es definitiv besser wissen müssten, weil sie von klein auf für das Thema Antisemitismus sensibilisiert wurden. Im Bericht wird deutlich, dass bei AfD-Mitgliedern auch KZ-Besuche keine Einsicht bringen, sondern nur Verharmlosung, Leugnung, Missachtung und Umdeutung der Geschichte. Ist der Antisemitismus dann ein vorwiegend rechtsextremistisches Problem? Es sind nicht die Neonazis, die den Antisemitismus lauter machen, auch wenn sie es sind, die ihn in eine reale Gefahr für Juden umwandeln. Vielmehr sieht der Präsident des Zentralrat der Juden, Josef Schuster den Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft wachsen, weil eine Verschiebung des Sagbaren stattfinde, vorangetrieben von den Äußerungen einiger AfD-Funktionäre. Es gilt auch hier wieder: antisemitische Äußerungen haben ebenso an Scham verloren, wie menschenverachtende Aussagen anderer Couleur.

Israelkritik oder Antisemitismus?

Im letzten Teil wird es dann aber doch noch einmal etwas schwierig-beim Thema Israelkritik. Ist jede Israelkritik auch antisemitisch? Tatsächlich wird diese Frage nicht wirklich beantwortet. Zwar ist an der finalen Aussage, dass es unfair ist, deutsche Juden für die Politik Israels verantwortlich zu machen, nichts auszusetzen aber insgesamt hält man sich eher mit dem Thema Israel als Staat zurück. Und das ist für dieses Format ebenso fair, weil es eben nicht darum geht. Aber die Frage wird eben nicht beantwortet. Geklärt wird im Endeffekt nur, dass Judenhass oft in Israelkritik verpackt wird und innerhalb dieses Deckmantels antisemitische Forderungen gestellt werden. Nicht eindeutig geklärt wird, wo die Trennlinie zwischen Israelkritik und Antisemitismus verläuft. Das würde das Format aufgrund der Komplexität des Themas aber auch sprengen und ist vielleicht auch zu sensibel.

Als Schlusswort wird bemerkt, dass eine Auswanderung seitens der Juden aufgrund der bestehenden Gefahren nicht zur Debatte steht, auch wenn das Thema Sicherheit wieder präsenter ist. Viele Muslime hingegen sind bereits an der Stelle angekommen, über Auswanderung nachzudenken. Vielleicht würden sie sich auch etwas besser fühlen, wenn der Staat ihnen ähnliche Sicherheitsinstrumente zur Verfügung stellen würde wie er es  berechtigterweise gegenüber den Juden tut und das Problem der Islamfeindlichkeit ähnlich ernst nehmen würde wie das des Antisemitismus. Denn das sagt auch viel über deren allgemeine Anerkennung aus. Ein Beauftragter gegen Islamfeindlichkeit, wie es ihn seit diesem Jahr auch gegen Antisemitismus gibt, wäre da vielleicht ein Anfang.

 

*    Anmerkung der Redaktion; wir berichteten darüber: https://www.islamiq.de/2015/06/06/mit-islamfeindlichkeit-gegen-antisemitismus/

Leserkommentare

Andreas B sagt:
@Dilaver Çelik Warum ist Ihrer Meinung nach der einzige demokratische Staat im Nahen Osten ein gottloser Unrechtsstaat? Mir geht es dabei vor allem um den Begriff Unrechtsstaat. Ob Israel gottlos ist oder nicht, steht auf einem anderen Blatt, tut aber auch nichts zur Sache. Was also mach Israel zu einem Unrechtsstaat (und z.B. die Türkei nicht)?
19.11.18
15:20
grege sagt:
Der im Glashaus sitzende Dilaver sollte mal lieber mit Steinen nicht schmeidßen. Immerhin huldigt er einen mit der Hamas sympathisierenden Sultan, die sich die Vernichtung Israels und damit der dort lebenden Juden auf die Fahnen geschrieben hat. Unverhohlen kann seinen Antisemitismus nicht zum Ausdruck bringen.
19.11.18
22:31
Dilaver Çelik sagt:
@Andreas B Israels schwerste Menschenrechtsverletzungen und rassistische Besatzungspolitik sprechen für sich. Einen Staat, der den Palästinensern ihr Land weggenommen hat, um sich selbst zu etablieren, als demokratisch zu schimpfen ist ein Beleidigung von jeglichem gesunden Menschenverstand. Der Vergleich mit der Türkei ist unzulässig, da dort andere Bedingungen herrschen und die Türkei besser gestellt ist als Israel. @grege Ihre Aggressionen weisen eine ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitsstörung auf. Verschonen Sie mich damit und gehen Sie zum Psychiater, um sich behandeln zu lassen. Aus Ihrem Geschmiere geht eindeutig hervor, dass Sie dringend psychologische Hilfe brauchen.
21.11.18
20:16
Dilaver Çelik sagt:
@grege Sie sind nicht jemand, mit dem ich über innermuslimische Probleme diskutiere, weil Sie nicht jemand sind, den man für voll nehmen kann. Im Übrigen diskutieren Muslime ihre Probleme untereinander und kommunizieren das nicht nach außen, weil sich das moralisch nicht gehört. Sie können sich daher Ihre Psychospielchen sparen. Da mache ich nicht mit.
21.11.18
21:26
grege sagt:
@ Dilaver jeder, der dem Sultan Dilaver widerspricht, leidet offenbar an einer Persönlichkeitsstörung. Wenn du dich gegen Narzismuss engagieren möchtest, sollte auf deiner Hitliste Euer heißgeliebter Erdowohan ganz oben stehen, der unter ausgeprägten Persönlichkeitsstörungen bis hin zum Verfolgungswahn leidet. I m übrigen krepierst du gerade an Schizophronie, weil du in einem Land wohnst, das Euer Erdowahn massivst verachtet und du gleichzeitig einer Religion huldigst, die in Ihren Herkunftsländern wirtschaftlich, politisch und sozial wenig bis nichts auf die Kette kriegt. Dein Aufenthalt in diesem Land spricht für Armseeligkeit von fanatischen, Israel hassenden Muslimen.
26.11.18
18:26
grege sagt:
Gegenüber den Regimen der Türkei und den arabischen Nachbarstaaten ist Israel geradezu eine vorbildliche Demokratie mit einer funktionierenden Wirtschaft, die deartiges in der Region ihresgleichen sucht. Anstatt sich auf die Hinterbeine zu setzen, wittern die arabischen Regime, hier allenvoran die palästinensischen Autonomieregierungen in trauter Eintracht mit der AKP regierten Türkei ihre belämmernden Verschwörungstheorien, die mittlerweile satirischen Charakter haben.
26.11.18
18:31
grege sagt:
Uns Europäer muss es schon nachdenklich stimmen, dass israelische Fernsehteams in Malmö, Paris oder Berlin darauf achten müssen, nicht zu laut hebräisch zu sprechen. Der heutige Vorfall in Berlin Neukölln stellt ebenso eine Schande für dieses Land dar. Israelhassende Erdowohnanhänger sowie extremistisch gesinnte Araber sind zusammen mit Rechtspopulisten genau die Klientel, vor denen sich manche Juden hierzulande nicht mehr auf die Straße trauen. Wenn die Probleme gegenüber führenden Muslimen angesprochen werden, kommen nur Beschwichtigungen oder sogar agressive Dementis, wie z.B. von Herrn Kizilkaya in 2017.
26.11.18
20:52
Tarik sagt:
Der sich verbreitende Judenhass (Antisemitismus ist hier irreführend, denn Araber sind selbst Semiten) unter Muslimen ist ein weiteres Merkmal, wie, um den Ausdruck hier erneut zu gebrauchen, "modern und verwestlicht Islamisten sind". Islamistische Ideologen wie Sayyid Qutb haben den europäischen Antisemitismus, der hier auf eine lange kultivierte Tradition zurückblicken kann, schlicht importiert, um sie als Teil ihrer eigenen Ideologie ein wenig religiös einzufärben. Eines der beliebtesten Bücher unter radikalen Islamisten des 20. Jahrhunderts war denn auch die antisemitische Hetzschrift "Die Protokolle der Weisen von Zion". Auch "Mein Kampf" erfreute sich durchaus Beliebtheit. Denn für die Araber des 20. Jahrhunderts waren dies nicht einfach nur irgendwelche Hetzschriften. Sie sahen im Zionismus, in der Schaffung und westlichen Aufpäppelung Israels das, was in solchen Büchern stand, für sich bewahrheitet. Nun, was kann man gegen den um sich greifenden Judenhass in muslimischen Gesellschaften tun? Zum einen innerislamische Aufklärung und Bildung und zum anderen immer wieder aufzeigen, dass dieser "muslimische Antisemitismus" eine neue und fremde, also nichtislamischen Ursprung hat. Kein einziger nennenswerter islamischer Gelehrter des Mittelalters hat je ein Manuskript gegen das Judentum verfasst. Gleichwohl gab es Predigten gegen das Christentum, insbesondere in Zeiten, in denen es zu Konflikten wie Kreuzzüge und Reconquista kam. Aber das Judentum in Gestalt der vielen sephardischen Gemeinden war ein fester Bestandteil in vielen Teilen der islamischen Welt. Es gibt einige bedeutende jüdische Historiker des 20. Jahrhunderts, die sich mit dieser einstigen äußerst fruchtbaren jüdisch-muslimischen Symbiose über mehr als 1.000 Jahre eingehend beschäftigt haben. Zur Aufklärung gehört denn auch auf den Unterschied zwischen Judentum und dem Zionismus aufmerksam zu machen. Auch der Zionismus ist ein solches modernes Projekt, dass durch die Verschmelzung moderner nationalistischer Ideen mit einigen traditionellen Elementen entstand. Humanistische Juden des 20. Jahrhunderts haben sich immer wieder vehement gegen den radikalen Zionismus gewandt, der übrigens auch mit Selbstmordattentaten in den 1930er und 40er Jahren vorging,
28.11.18
13:31
grege sagt:
eine religion zeichnet sich nicht durch ihre heiligen Schriften oder philosophischen Schriften aus, auch nicht durch den Verweis auf angeblich paradiesische Zustände in der Vergangenheit. Papier ist bekanntlich geduldig, ebenso sieht jedes Gras von weitem Grün aus. Entscheidend ist das hier und jetzt, was umso mehr den erbärmlichen Zustand des Islams unter 1 Mrd Muslime in politischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht aussagt. Nirgendwo hat es eine muslimische Community in der Gegenwart geschafft, einen Islam zu realisieren, wie ihn einige Tagträumer in diesem Thread sich schöndenken. Diese Phantastereien stammen sogar von Leuten, die sich nicht einmal trauen, in einem islamischen geprägten Umfeld zu leben, sondern genüsslich hier im ach so dämonsierten Westen leben. Daher sind die Aussagen alles andere als einlassungfähig. Zusätzlich werden hier historische Tatsachen unterschlagen. Es waren Araber, die den Juden für aus Ihrer Sicht gutes Geld scheinbar wertloses Land in Palästina verkauft haben. Die eingewanderten Juden haben dieses Land, was zum Zeitpunkt der Inbesitznahme eine Art Dornröschenschlaf erlebte, überhaupt erst landwirtschaftlich nutzbar und siedlungsfähig gemacht. Als es gemäß Beschluss der Uno zur Teilung dieses Landstriches kam, waren es die Araber, die in Gefühl eines sicheren Sieges wiederholt alles oder nichts spielten, und jedes Mal miltitärisch geschlagen worden sind. Da eine Zweistaatenlösung auf Seiten der hamasnahen Palästinenser immern noch negiert wird, sind nicht die Zionisten die Unterdrückerk, sondern die Palis selber.
30.11.18
23:19
Tarik sagt:
Zu Ihrem 1. Absatz: Danke Ihnen dafür. Sie haben mit dem was sie schreiben, hervorragend unser heutiges Dilemma aufzeigt, das sich auch in den öffentlichen Debatten zeigt, wenn es z.B. um das Thema „Religion“ an sich geht. Nämlich Amnesie und Schnappschussdenken. Das ist übrigens kein rein islamisches Phänomen: Wir erinnern uns alle viel eher an die faszninierenden Schrecken der Inquisition, doch wer erinnert sich noch an die Nächstenliebe des Franziskus zur gleichen Zeit? Sie wollen das „Hier und Jetzt“ bewerten, ohne die Vergangenheit zu berücksichtigen. Zu glauben, dass der heutige „erbärmliche Zustand“ der islamischen Welt nichts mit dem Kolonialismus zu tun hat, zeigt, dass Sie die viel beschworene angebliche fehlende Selbstkritik von „den Muslimen“ (wen immer sie eigentlich genau damit meinen) im eigenen Denken fehlt. Sie halten es für eine historische Verklärung von angeblich paradiesischen Zuständen. Ein Historiker vom Schlage eines Shlomo Gotein schrieb: „Nie ist das Judentum auf eine so enge und fruchtbare Symbiose gestoßen, wie mit der mittelalterlichen Zivilisation des arabischen Islam.“ Sie können bei ihrem oberflächlichen und globale und historische Zusammenhänge ausklammernde Denkweise behalten und weiter in ihrer bequemen selbstgefälligen Wohlfühldenkzone verharren oder aber sie betreiben mal selbst gründliches (nicht einseitiges) Quellenstudium zu betreiben oder reisen mal selbst in Gegenden, wo sich noch aus der Vormoderne bis heute erhaltene islamische Denk- und Lebensweisen noch relativ gut erhalten haben. Natürlich gleichen heute solche Gegenden immer mehr schwindenden Oasen. Und das hat mehrere Gründe, es ist ein Zusammenspiel aus sowohl inneren wie äußeren Faktoren mit unterschiedlicher Gewichtung. Es steht außer Frage, dass im Zuge der Globalisierung die äußeren Faktoren immer mehr eine Rolle spielen. Zu ihrem 2. Absatz: Sie lesen wohl nur das heraus, was sie lesen wollen. Ich führte hier keine chronologische Liste des Palästina-Konflikts auf, sondern erwähnte die Tatsache, dass der Zionismus genauso wie der Islamismus etwas Modernes ist, entstanden durch die Verschmelzung bzw. Übernahme moderner im Westen geborener Ideen ist. Es ging um Parallelen. Nicht mehr und nicht weniger. Eher zeugen ihre Ausführungen von einer äußerst einseitigen Sichtweise, die ich völlig unkommentiert auch so stehen lassen werde, denn sie sprechen für sich bzw. gegen sie.
01.12.18
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