Die meisten Sachsen sind mit ihrer wirtschaftlichen Situation und ihrem Leben zufrieden und blicken optimistisch in die Zukunft. Eine aktuelle Umfrage offenbart dennoch eine hohe Fremden- und Islamfeindlichkeit – und eine „nervöse Mitte“ der Gesellschaft.
Trotz hoher Lebenszufriedenheit und Optimismus sind in Sachsen Ressentiments vor allem gegen Muslime und Ausländer weit verbreitet. Laut dem jüngsten „Sachsen-Monitor“, der am Dienstag in Dresden vorgestellt wurde, hält etwa jeder Zweite Deutschland für „überfremdet“. Deutlich wird vor allem Rassismus gegenüber Muslimen oder Sinti und Roma, aber auch Antisemitismus. Der Chef der Staatskanzlei, Oliver Schenk, sprach von einer „Schattenseite“ der Studie. Er verwies aber darauf, dass feindselige Haltungen nicht nur ein sächsisches Problem seien.
Mit dem „Sachsen-Monitor“ lässt die Landesregierung seit 2016 alljährlich politische Einstellungen und die Lage der Demokratie im Freistaat ermitteln. Diesmal hatte dimap im Sommer 1011 repräsentativ ausgewählte Erwachsene befragt – vor den Ausschreitungen in Chemnitz, nachdem ein 35-jähriger Deutscher mutmaßlich von Asylbewerbern erstochen worden war.
Wie im Vorjahr hielten 56 Prozent der Befragten Deutschland für gefährlich „überfremdet“. Im persönlichen Umfeld wird das inzwischen von 21 Prozent empfunden, 2017 lag dieser Wert noch bei 15 Prozent. Zugenommen hat die Ablehnung von Sinti und Roma, Muslimen und Juden. So hätten 57 Prozent (2017: 49) Probleme mit Sinti und Roma in ihrer Gegend und 41 Prozent (2017: 38) waren der Ansicht, dass Muslimen die Zuwanderung verboten werden sollte. Gut jeder Fünfte hat Vorurteile gegenüber Juden und 16 Prozent sehen die Deutschen anderen Völkern von Natur aus als überlegen an.
Mit der „erschreckend hohen Zahl“ fremdenfeindlicher Einstellungen liegt Sachsen weiterhin deutlich über dem Bundesdurchschnitt, sagte Roland Löffler, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung. Das Bild sei allerdings geteilt: „Während ungefähr 15 Prozent der Sachsen harte menschenfeindliche Aussagen voll unterstützt, lehnt rund die Hälfte der Sachsen fast alle Ressentiments ab.“ Laut Schenk will die Regierung künftig noch stärker auf die 70 Prozent setzen, die sich nicht davon leiten lassen.
Insgesamt sind die Sachsen mit den eigenen Lebensumständen und der wirtschaftlichen Situation außerordentlich zufrieden. „75 Prozent schauen positiv in die Zukunft“, sagte dimap-Geschäftsführer Reinhard Schlinkert. Weiterhin groß seien die Sorgen vor einer Zunahme der Gegensätze zwischen Arm und Reich sowie dem Verlust des Zusammenhalts in der Gesellschaft und dass die Rente nicht zum Leben reicht.
Die meisten der Befragten sind stolz auf das seit 1990 Erreichte. Allerdings waren 52 Prozent der Meinung, Ostdeutsche seien Bürger zweiter Klasse. Im Vorjahr waren das nur 44 Prozent. Als Gründe für das Ungerechtigkeitsgefühl nannten 45 Prozent mindere Löhne und Renten. 12 Prozent sahen ihre Lebensleistung als nicht gewürdigt an. Als wichtigste Probleme werden die Bildung und der Lehrermangel gesehen, deren Bewältigung hat für 20 Prozent oberste Priorität – 7 Prozent mehr als vor einem Jahr. 17 Prozent (+3) sehen Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsförderung, 16 Prozent Asylpolitik und Ausländer als ein Thema.
Die Umfrage zeige einen enormen Bedarf an Kommunikation zwischen Politikern und Bürgern, sagte Löffler. Es brauche kreativen Dialog ebenso wie bürgerschaftliches Engagement für die gesellschaftliche Mitte. „Die Politik muss die von der Bevölkerung als Missstände empfundenen Phänomene angehen.“ So sollten auch der Vertrauensverlust in Gerichte und Sozialverwaltungen eingehend untersucht und die Programme gegen Rechtsextremismus überprüft werden. (dpa/iQ)