Österreich

Here to stay – Leben mit einer rechten Regierung

Die österreichische Regierung ist klar rechts. Die Gegenwehr ist groß und gut organisiert. Aktivistinnen aus Österreich erzählen, wie die rechte Regierung im Hass zu teilen versucht und wie sie sich davon unbeeindruckt in ihrem Aktivismus einen. Ein Gastbeitrag von Esma Çelik und Gözde Taşkaya.

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2018
Donnerstagsdemo in Wien
Donnerstagsdemo in Wien © Serkan Uzunyurt, bearbeitet by iQ.

Seit mehr als einem Jahr ist die österreichische Regierung mit einer Koalition von der österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) an der Macht. Mit dem Sieg dieser Parteien steigt auch täglich der Druck auf Minderheiten in Österreich.

Einerseits sind alle BürgerInnen Österreichs mit diversen Kürzungen in den wichtigsten Bereichen wie Integration, Bildung, Arbeitsmarkt betroffen, andererseits stehen sie vor neuen Gesetzen, wie der neuen 12h -Arbeitszeitregelung.

Abgesehen davon sind Muslime und Musliminnen nochmal anders betroffen, denn sie werden direkt zur Zielscheibe der österreichischen Regierung gemacht. Es werden Pressekonferenzen inszeniert, die Moschee-Schließungen ankündigen oder Diskurse gefördert, die vor allem sichtbare Musliminnen mit Berufsverboten an den Rand der Gesellschaft rücken wollen.

MuslimInnen als Zielscheibe populistischer Politik

Das neue Kopftuch-Verbotsgesetz für Kindergartenkinder wurde nun einheitlich beschlossen. “Das ist nur der Anfang” hört man immer wieder von rechter Seite, die auch das Niqab-Verbot feierte. Das Ganze bestätigt sich auch mit den letzten Werbekampagnen der FPÖ, die gerne sichtbare Musliminnen für die eigenen Plakate verwendet und somit den Hass gegenüber dem Islam und muslimischen BürgerInnen aktiv fördert.

Neulich wurde ein Bild einer Schwarzen Hijabi verwendet, um eine Kampagne zur Kürzung der Familienbeihilfe, für die im Ausland lebenden Kinder, bildlich darzustellen. Mit dem Spruch “unser Geld für unsere Kinder” wurde das Plakat betitelt. Doch faktisch und sachlich gesehen sind von diesen Kürzungen primär Eltern betroffen, deren Kinder in Ungarn, der Slowakei, Polen und Rumänien leben. Für Kinder außerhalb des EU- und EWR-Raums wird hingegen überhaupt keine Familienbeihilfe gezahlt. Die Regierung schafft beinahe jedes Problem mit der muslimischen Minderheit in Österreich in Verbindung zu setzen. Einer der Oppositionsparteien “die NEOS” haben diesbezüglich sogar eine Anzeige mit dem Verdacht auf Verhetzung gegen die FPÖ eingebracht.

Welche Auswirkungen hat das für uns als Gesellschaft?

Menschen werden gegeneinander ausgespielt und gespalten, Grundrechte werden in Frage gestellt. Auf der einen Seite nimmt der Hass dank populistischer Politik zu und Menschen fühlen sich legitimiert und ermutigt auch öffentlich MuslimInnen zu diffamieren und sie zu diskriminieren.

Auf der anderen Seite kommen jedoch Menschen zusammen, die dieses strategische Vorhaben erkennen und versuchen dagegen anzukämpfen. In diesem Zusammenhang sind Begriffe wie Solidarität und Zivilcourage die Lösungswörter gegen die Spaltung der Gesellschaft.

Die Donnerstagsdemo

Um das alles sichtbarer zu machen, wird die Wiener Innenstadt durch wöchentliche Demonstrationen und Kundgebungen belebt. Eines dieser vielen Proteste ist die bekannte Donnerstagsdemo, die mit dem Motto „wir sind jetzt zusammen“ aus der Geschichte in die Gegenwart geholt wurde. Angeknüpft an die Protestkundgebungen aus dem Jahre 2000 gegen die ÖVP-FPÖ Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, richtet sich der Inhalt gegen die rassistischen Positionen der FPÖ, aber auch gegen die Entdemokratisierung, den Sozialabbau und die damit verbundene Schwächung von Arbeitnehmervertretungen. Um gegen dieses Vorhaben zu protestieren, versammeln sich jede Woche zwischen 5.000 und 10.000 Personen auf den Straßen Wiens.

Die Selbstorganisation eines “migrant / black / poc – Block”

MuslimInnen, aber auch andere Minderheiten, sind öfter nicht nur den Rechten, sondern zum Teil auch den Linken ein Dorn im Auge. Weiße Linke haben mehrheitlich ein atheistisches oder säkulares Selbstverständnis, aus diesem Grund haben viele beispielsweise wenig Empathie für Menschen, die ihren religiösen Praktiken nachgehen wollen (wie zum Beispiel das Kopftuchtragen während der Berufsausübung). Dasselbe gilt auch für linke weiße Feminist*innen, die nicht verstehen, dass es nicht ausreicht in der Kategorie Gender zu denken, sondern es weitere Kategorien gibt, welche maßgebend dafür sind, in welcher Position sich eine Frau in diesem System befindet.

Deshalb ist es wichtig, dass wir als “migrant / black / poc” Gruppen zusammenkommen und uns vorerst selbst organisieren. Uns Räume schaffen, besetzen oder nehmen, um uns zu empowern oder um andere auf uns aufmerksam zu machen. Um zu sagen, “we are here, here to stay!” und ja, wir können für uns selber sprechen. Mit dem Banner “Mia san a do!” (Wir sind auch da!) wollten wir der ganzen Sache eine eigene Sichtbarkeit geben und uns zusätzliches Gehör verschaffen. Diese Initiative diente dazu Aktivist*innen zusammenzubringen und einen Austausch untereinander zu fördern. Dabei stand die Selbstorganisation und das Empowern von Migrant*innen, BPoC im Vordergrund, solidarische Menschen waren natürlich auch herzlich eingeladen mit uns gemeinsam zu marschieren.

Für die Donnerstagsdemo haben wir uns in dieser Form zusammengefunden und uns organisiert und wir haben vor auch die weiteren Donnerstage auf die Straßen zu gehen. Das werden aber nicht die einzigen Proteste sein, auf denen man uns sehen wird. Solange in einem Verbotsland wie Österreich noch die Demonstrationsfreiheit existiert, solange findet man unseren Block auf den Straßen Wiens. Sichtbar, laut und selbstbewusst.

Leserkommentare

Frederic Voss sagt:
Auch die türkische Regierung ist klar rechts. Und die Gegenwehr gegen Erdogan ist auch groß und gut organisiert. Wo bleibt hier ein Bericht zum Anti-Erdogan-Aktivismus? Eine Entdemokratisierung, wie oben zu lesen ist, steht in Erdogans Autokraten-Reich ganz oben auf der Polit-Agenda vom feinsten. Dagegen ist Österreich geradezu ein Hort an persönlicher Freiheit, von der in der Türkei und anderen islamkonformen Ländern wohl nur sehnsuchtsvoll geträumt werden kann. Wieso ziehen eigentlich die Eltern, deren Kinder in Ungarn, der Slowakei, in Polen und Rumänien leben, nicht zu ihren Kindern um mit ihnen zusammen zu sein?
15.11.18
21:51
Kritika sagt:
L.S. Der Bericht berichtet: »- - um eine Kampagne zur Kürzung der Familienbeihilfe, für die im Ausland lebenden Kinder, bildlich darzustellen « ---------- Das ist keine Polemik sondern gesunder Menschenverstand: Weshalb sollte ein Österreicher arbeiten und Steuer bezahlen, damit im Ausland lebende Kinder alimentiert werden? ----------- "- - (wie zum Beispiel das Kopftuchtragen während der Berufsausübung) - - " Da ist zum Glück Deutschland Fortschrittler: Firmen und Geschäfte stellen schlichtweg keine 'KopftuchMädchen ein, auch keine Kopftuch Lehrlinge in der Ausbildung damit vermeiden sie Probleme mit penetrante Muslims. Muslims sollten lernen, sich in der Öffentlichkeit unsichtbar zu machen, normal zu kleiden so, wie es die Angehörigen friedlicher Sekten tun. Gruss, Kritika.
16.11.18
0:51
Kritika sagt:
L.S. Der Bericht berichtet: »- - um eine Kampagne zur Kürzung der Familienbeihilfe, für die im Ausland lebenden Kinder, bildlich darzustellen « ---------- Das ist keine Polemik sondern gesunder Menschenverstand: Weshalb sollte ein Österreicher arbeiten und Steuer bezahlen, damit im Ausland lebende Kinder alimentiert werden? ----------- "- - (wie zum Beispiel das Kopftuchtragen während der Berufsausübung) - - " Da ist zum Glück Deutschland Fortschrittler: Firmen und Geschäfte stellen schlichtweg keine 'KopftuchMädchen ein, auch keine Kopftuch Lehrlinge in der Ausbildung damit vermeiden sie Probleme mit penetrante Muslims. Muslims sollten lernen, sich in der Öffentlichkeit unsichtbar zu machen, normal zu kleiden so, wie es die Angehörigen friedlicher Sekten tun. Übrigens Auf dem Foto sind auffallend viele 'KopftuchMädchen' zu sehen. Es sind wahrscheinlich die Frösche , die begreiflicherweise dagegen protestieren, dass ihr Sumpf ausgetrocknet wird. Gruss, Kritika.
16.11.18
1:00
Kritika sagt:
L.S. Auch an Esma Çelik und Gözde Taşkaya; sie schreibt: « - - - die vor allem sichtbare Musliminnen mit Berufsverboten an den Rand der Gesellschaft rücken wollen. « Mit 'die' ist vermutlich die Koalition von ÖVP und FPÖ gemeint. Parteien, die von den Österreichern in freier Wahl gewählt wurden und die sich nach einer gesetzlich festgelegten Zeit dem Wähler wieder stellen müssen. Die KopftuchFrauen müssen lediglich ihr Kopftuch zuhause lassen und schon können sie jede Arbeit friedlich nachgehen. Vorausgesetzt, sie sind dafür qualifiziert und finden einen Arbeitgeber. Aber das gilt für alle Österreicher gleichermassen. Das Kopftuch wird als WerbeSymbol wahrgenommen; als WerbeBanner für eine Staatsform, die es möglich macht, 8 Jahre in der Todeszelle zu sitzen zu müssen, für die Lappalie angeblich einen "Profeten" beleidigt zu haben. Kritika findet radikal-Islamische Staaten, mit Nahme Pakistan, Saudi-A usw, und damit die Ideologie Islam wesentlich gefährlicher als ÖVP, AfD und FPÖ zusammen. Wenn die ungebeten eingeströmten Muslims sich redlich und bescheiden benommen hätten dann wären die AfD und österreichische rechtse Parteien gar nicht zur heutigen Stärke gekommen. Wenn Muslims rechte Geister rufen und diese Geister kommen, dann sollten sie über ihr Benehmen nachdenken und sich nicht wundern. Gruss, Kritika
17.11.18
23:12
Ute Fabel sagt:
"Es werden Pressekonferenzen inszeniert, die Moschee-Schließungen ankündigen" Da werden Täter zu Opfern gemacht. Die linksliberale österreichische Zeitung "Der Falter" hat dankenswerterweise aufgedeckt, dass in manchen Wiener Moscheen Waffenexerzieren mit Minderjährigen stattfinden "oder Diskurse gefördert, die vor allem sichtbare Musliminnen mit Berufsverboten an den Rand der Gesellschaft rücken wollen" Kopftücher sind nicht angewachsen. Wer ein so dogmatisches Verhältnis zu seiner Religionsuniform hat, betreibt Selbstausgrenzung. Auch FPÖler, die immer und überall einen blauen Schal (das Markenzeichen des vor zehn Jahren verunglückten ehemaligen FPÖ-Chefs Jörg Haider) tragen wollen werden selbstverschuldete Probleme beim Karriereverlauf bekommen.
19.11.18
8:52
Emanuel Schaub sagt:
Soviel MUT wie diese "Frösche " hätte ich gerne!!! gruss emanuel
19.11.18
13:14
Harousch sagt:
Da melden sich doch endlich diejenigen, um die es hier wirklich geht, die bevormundeten Frauen mit einer speziellen Religionszugehörigkeit und prompt werden erbärmliche Schreie vermeintlicher Demokratieverfechter und Frauenrechtler laut, die eine feministische Gegenwehr angeblich befürworten, aber ausdrücklich dann nicht wenn die Unterdrückung seitens der !Mehrheitsgesellschaft stattfindet. Ihr seid doch nur peinlich und sowas von ausbürgerungsreif. Nicht ernstzunehmen!
21.11.18
16:57
grege sagt:
Der FPÖ und allgemein den rechtspopulistischen Parteien in Europa und auch der Türkei!!! stehe ich kritisch bis skeptisch gegenüber. Mit Ausnahme von populistischen Phrasen tragen die Verantwortlicher dieser Parteien zu Lösungen dringlicher Herausforderungen bei. Dass in Österreich und in Deutschland die führenden Islamverbände Kritik und Skepsis ertragen müssen, haben letztlich diese selber zu verantworten. Wer der Mehrheitsbevölkerung wenig Empathie entgegenbringt, Hetze gegen andersgläubige in seinen Moscheen duldet oder gar fördert, Kritik mit Feindlichkeit gleichsetzt, setzt sich selber in die Nesseln
21.11.18
22:52
Kritika sagt:
An Emanuel Schaub und Mitleser Emanuel schreibt: "Soviel MUT wie diese "Frösche " hätte ich gerne!!! " ---------- Sie, Emanuel tragen einen wunderschönen Namen, den Ihre - sicherlich gläubige - Eltern, für Sie ausgesuchten. "Emanuel", "Immanuel" ´, bedeutet bekanntlich auf Hebräisch "Gott ( von mir aus Allah) möge mit uns sein. "Er möge also mit Dir, Emanuel, sein. Weshalb meinen Sie nun, es gehöre MUT dazu, gegen eine Regierung zu protestieren, die zwar vom Volk gewählt ist, - - also den Mehrheitlichen Vorstellungen der Österreicher entspricht, - - aber Ihnen weniger gefällt.? Vielleicht haben Sie Berichte aus Russland, die Türkei, Saudie Arabia - - gesehen, wie Protestierende von der Polizei in schon bereit stehende Busse abgefahren werden? Freuen Sie sich darauf, dass Sie in ein Land leben, das Regierungskritische Demos als "freie MeinungsÄussereung" betrachtet und keine Probleme damit hat. Solange der Islam hier nichts zu sagen hat, solange ist diese Freiheit zu demonstrieren nicht in Gefahr. Solange Sie, geehrter Manuell mit dafür sorgen, dass Österreich und Deutschland nicht islamisiert werden, solange gehört kein MUT dazu, zu einer "Frösche"-Demo gehen, Gruss, Kritika.
22.11.18
1:33