Meinungsbeitrag

Anti-schwarzer Rassismus in der „Umma“

Antimuslimischer Rassismus in der Gesellschaft ist ein ernstzunehmendes Problem. Doch auch innerhalb der muslimischen Gemeinschaft ist Rassismus real und trifft oft schwarze Muslime. Aaliyah Bah-Traoré ist davon betroffen und appelliert an ihre Glaubensgeschwister.

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2018
Symbolbild: Schwarze Muslime. © flickr, Elvert Barnes, CC 2.0
Symbolbild: Schwarze Muslime. © flickr, Elvert Barnes, CC 2.0

„Wir sind alle eine Umma“ (arab. muslimische Glaubensgemeinschaft). Wie oft haben wir diesen Spruch schon gehört und gemerkt, dass aber in Wahrheit nicht danach gehandelt wird. Die Tatsache, dass Muslime auch zu denjenigen gehören, die innerhalb ihrer Gemeinschaften rassistisch gegenüber ihren schwarzen Glaubensgeschwistern sind, wird verschwiegen. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sogar sagen, dass ich innerhalb der muslimischen Gemeinschaft weitaus mehr Rassismus als von Nichtmuslimen erlebt habe: „Ooh woow, ich bin echt überrascht, dass du so gut riechst“, „Du bist so intelligent, schade, dass du schwarz bist, ich hätte dich sonst geheiratet“, „Ich hätte nicht gedacht, dass du als Schwarze so viel Ahnung vom Islam hast“. Solche und ähnliche Aussagen musste ich mir anhören und ich war einfach nur schockiert über diese Aussagen.

Eine schwarze Schwester, die die Mutter meiner Freundin zum Freitagsgebet in die Moschee begleitete hörte, wie andere Frauen sie auf arabisch in einem abschätzenden Ton fragten, wen sie denn da mitgeschleppt habe. Ihnen war nicht bewusst, dass die Schwester das Gesagte verstand und daraufhin nie wieder in diese Moschee zurückkehrte. Leider ist es keine Seltenheit, dass schwarze Muslime als weniger „muslimisch“ ,“dreckig“ „unzivilisiert“ und „hässlich“ gelten und nicht als Schwiegertöchter, Schwiegersöhne oder Ehepartner akzeptiert werden. Wenn man sich die Schönheitsideale in muslimischen Ländern ansieht, merkt man, dass immer nur weiße Hautfarbe als schön und rein gilt. Oft wird auch behauptet, dass der Rassismus gegen Schwarze nur von Nichtmuslimen ausgeht und wir alle Geschwister sind. Die Realität sieht aber anders aus. Für mich persönlich ist es heuchlerisch, dass Muslime sich über antimuslimischen Rassismus beklagen und gleichzeitig diejenigen sind, die ihre schwarzen Glaubensgeschwister auf allen Ebenen diskriminieren und dafür verantwortlich sind, dass z. B. neue Muslime sich wieder von der Religion abwenden oder sich von der Gemeinschaft isolieren, da sie dort keinen Anschluss finden und sich nicht willkommen fühlen. Ich denke auch nicht, dass es sinnvoll ist, oder das Problem aus der Welt geschafft wird, wenn ethnische Gruppen nur unter sich bleiben und Moscheen zu regelrechten Nationalclubs verkommen. Schließlich sagt Allah (c) im Koran, dass er uns zu verschieden Völkern und Stämmen gemacht hat, damit wir einander kennenlernen. Schwarze Muslime sollten keine Angst davor haben, in ihrem eigenen Glauben, unter den Mitgliedern ihrer eigenen Religion, aufgrund von Rassismus der in unseren Gemeinschaften existiert, nicht akzeptiert zu werden. Das ist beschämend und in keiner Weise mit der islamischen Lehre vereinbar.

Fehlende Solidarität

Als 2017 bekannt wurde, dass schwarze Migranten in Libyen auf Auktionen als Sklaven verkauft wurden, schwiegen die muslimischen Gemeinden. Ich bin davon überzeugt, dass es eine andere Reaktion gegeben hätte, wenn die Menschen nicht schwarz gewesen wären. Die beleidigenden Bezeichnung „Abid, Abida“ (Sklave/Sklavin), die aus der Zeit des arabischen Sklavenhandels stammen, sind heute noch geläufig. Auch in Mauretanien existiert die Sklaverei, die erst 2017 kriminalisiert wurde, nach wie vor. Dort werden schwarze versklavte MuslimInnen „Haratin“ genannt, um ihre soziale Untergebenheit auszudrücken. Auch wenn es um die systematische Ermordung schwarzer Menschen in den USA und Lateinamerika geht, oder die unmenschliche Behandlung von Hausangestellten, die sexuell und psyschisch von ihren arabischen ArbeitgeberInnen missbraucht werden oder AfrotunesierInnen, die in ihrem eigenen Heimatland von ihren Landsleuten systematisch diskriminert werden, solidarisiert sich niemand mit den Opfern. Wenn es jedoch zu tragischen Vorfällen in Syrien, Myanmar, China oder Palästina kommt, gibt es einen großen Aufschrei der Wut, Empörung und Besorgnis.

Als Muslime müssen wir uns gegen jegliche Form der Ungerechtigkeit aussprechen. So wie es der Prophet Muhammad (s) selbst gelehrt hat: „Wer von euch eine Ungerechtigkeit sieht, der möge sie mit seiner Hand verändern; und wenn er das nicht kann, dann ändere er sie mit seiner Zunge; und wenn er es nicht kann, dann mit seinem Herzen – und das ist das Mindeste des Glaubens.“ Trotzdem handelt die Mehrheit der Muslime nicht danach. Es darf nicht sein, dass immer nur die Betroffenen diese Problematik ansprechen. Auch Nichtbetroffene sollten insgesamt diskriminierungssensibler werden und nicht einfach weghören oder weggehen, wenn sich solche Szenen vor ihren Augen abspielen. Wie sie es konkrekt machen können, möchte ich hier kurz erläutern:

  1. Man sollte sich anhören, was schwarze Muslime zu sagen haben und notwendige Diskussionen über Rassismus nicht vermeiden oder kleinredeen, indem man Dinge sagt wie: „Wir sind alle eine Umma.“ Das wissen wir natürlich – aber die Umma ist ganz klar gespalten. Wenn Muslime dieses Problem ignorieren oder behaupten, dass Rassismus in muslimischen Gemeinschaften nicht existiert, dann sind sie ganz klar ein Teil des Problems.

  2. Habt den Mut, in eurem Freundes und Familienkreis dieses Thema anzusprechen, wenn ihr mitbekommt wie sich Andere rassistisch über schwarze Menschen äußern. Solidarität beginnt nicht erst dann , wenn es um eure „eigenen Leute“ geht. Schweigt nicht, wenn es um diese Themen geht, weil es euch unangenehm ist darüber zu sprechen. Nutzt eure Stimmen und Plattform, um dieses Problem anzusprechen.

  3. Findet Wege, um schwarze Muslime in allem, sinnvoll in die Gemeinschaft mit einzubeziehen, sei es bei wichtigen Diskussionen, oder Veranstaltungen und gebt uns das Gefühl, dass wir nicht nur für Putz- oder Küchendienste in der Moschee gut sind. Vermittelt das Gefühl, dass wir willkommen sind und schließt uns aus den Aktivitäten nicht aus.

 

Dieser Beitrag wurde im IslamiQ-Magazin erstveröffentlicht. Hier zum Magazin.

 

Leserkommentare

Yasmina sagt:
Hi, das ist ein wirklich interessantes und sehr wichtiges Thema. Leider finde ich dazu kaum bis gar keine Literatur, wenn dann nur auf Englisch. Kennt jemand dazu ein gutes Buch, welches sich mit dieser Problematik auseinandersetzt, auf Deutsch? -> Brauche es dringend für die ältere sture Generation.
20.12.23
23:47
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