Meinungsbeitrag

Initiative säkularer Muslime eint Islamfeindlichkeit und Kulturmuslime

Kurz vor der Islamkonferenz gründete sich die Initiative säkularer Muslime. Wer sind sie und was wollen sie? Der Politikwissenschaftler Farid Hafez bewertet die Beweggründe und Motive der Initiative.

07
12
2018
Dr. Farid Hafez über säkulare Muslime © Samuel Colombo, bearbeitet by iQ.
Dr. Farid Hafez © Samuel Colombo, bearbeitet by iQ.

Auf dem Höhepunkt des derzeitigen Wahlerfolges der GRÜNEN, laut eigenem Wahlprogramm Deutschlands „anti-rassistischste Partei“, hat der ehemalige Vorsitzende Cem Özdemir mit der Gründung der „Initiative für einen säkularen Islam“ für Schlagzeilen gesorgt. 

Kurz vor dem Start der vierten Deutschen Islamkonferenz titelte DER SPIEGEL: „Prominente Islamexperten gründen „Initiative für einen säkularen Islam“. 

Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass es sich hier um ein sehr oberflächliches Verständnis von „Säkularismus“ handelt, und sich im Gegenteil eine weitere Politisierung von Religion beobachten lässt. Beunruhigend ist ebenfalls, dass sich unter den Förderern der Initiative auch Personen von zweifelhaftem Ruf befinden. 

Der Zeitpunkt für den Start der Initiative fällt nicht zufällig mit einem bedeutenden politischen Ereignis zusammen. Zwar erwecken die Initiatoren den Anschein, mit ihrer Initiative nicht in Konkurrenz zu den bestehenden muslimischen Verbänden treten zu wollen, doch genau das scheint der Fall zu sein. In einer gemeinsamen Erklärung äußern die Unterzeichner den Wunsch, gemeinsam mit den konservativen Islamverbänden einen Rat gründen zu wollen, um den Muslimen gegenüber dem Staat eine gewichtige Stimme zu verleihen. Die übrigen Forderungen dieser Erklärung legen jedoch nahe, dass hier vor allem den Positionen der Mehrheitsgesellschaft das Wort geredet werden soll. So unterstützt die Initiative z. B. das Kopftuchverbot für Lehrerinnen, Beamtinnen und Richterinnen. 

„Aufgeklärter Islam“

In ihrer Selbstdarstellung präsentiert sich die Initiative als „Liga säkularer Muslime aus Deutschland, Österreich und der Schweiz“, die „eine aufgeklärte, moderne, humanistische islamische Theologie“ anstrebt. Die Unterzeichner, die sich als säkular und liberal verstehen und von einer „Reform des Islams träumen“, berufen sich auf die Freiburger Erklärung. Diese legt Ziele, Visionen, Werte und Kernideen der Initiative dar. 

Der Glaube ist demnach „eine private Angelegenheit zwischen Gott und dem Individuum“. Offenbar haben die Unterzeichner den Schritt ins post-säkulare Zeitalter noch nicht vollzogen, in dem religiöse gleichberechtigt neben säkularen Diskursen geführt werden, und beide gleichermaßen Teil der Öffentlichkeit sind. Darüber hinaus wird die Trennung von Staat und Religion nur in begrenztem Umfang verfolgt. So heißt es beispielsweise an einer Stelle: „ein humanistisch ausgerichteter Islamunterricht sollte an allen öffentlichen Schulen“ eingeführt werden, um Integration und Toleranz zu fördern. Hier wird Religion sehr politisch. 

Noch deutlicher wird die Freiburger Erklärung, wenn es um die Zielsetzungen geht. Weibliche Imame wie Seyran Ateş sollen gefördert und ein Rat gegründet werden, der Muslimen gegenüber dem Staat eine repräsentative Stimme verleiht. Außerdem sollen konkrete Projekte zur Ermächtigung von Mädchen und Frauen und auf den Feldern des interreligiösen Dialogs und in der Extremismusbekämpfung unterstützt werden. Mit diesen Forderungen haben sie sich das Narrativ des „gewaltbereiten, extremistischen Islam“ zu eigen gemacht. Nicht-praktizierende Muslime interessieren sich plötzlich für eine Kontrolle der Religion, womit sie im Wesentlichen die Forderungen der Mehrheitsgesellschaft unterstützen. Gleichzeitig schwächen sie damit die Positionen derjenigen, die sich in den vergangenen 60 Jahren um das religiöse Leben von Muslimen in Deutschland verdient gemacht haben. Das wird gerade im Hinblick auf das bereits erwähnte Kopftuchverbot deutlich: „Wir setzen uns dafür ein, das Beamte, vor allem Lehrerinnen und Richterinnen, vom Tragen religiöser Kleidung, insbesondere des Kopftuchs, Abstand nehmen.“ Diese Ansprüche, in denen sich eine diskriminierende Haltung gegenüber kopftuchtragenden Musliminnen ausdrückt, sind keine neuen Ideen. 

Fragwürdige Unterzeichner 

Zu den Unterzeichnern und Unterstützerin der Initiative gehören u. a. Cem Özdemir, der bislang wenig Interesse an seiner Religion gezeigt hat, und Seyran Ateş, die vor einigen Wochen mit der Annahme einer Einladung zu einer von der rechtsextremen FPÖ organisierten Podiumsdiskussion zum Thema „Radikaler Islam“ für Schlagzeilen sorgte. Ateş ist außerdem Mitglied der umstrittenen europäischen Initiative „Stop Extremism“. Für ihre Kampagne gegen den „politischen Islam“ standen der Initiative Geldmittel in Höhe von 145,000 € zur Verfügung, obwohl das offizielle Budget mit lediglich 20,000 € angegeben wurde. 

Daneben finden sich noch weitere fragwürdige Namen auf der Liste der Unterstützer, u. a. der des Intellektuellen Michael Ley, einem Mitglied der deutschen „Neuen Rechten“. Ley gibt der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ regelmäßig Interviews und schreibt Meinungsbeiträge für rechte Zeitungen. Seine Argumentation in einem dieser Artikel ähnelt der des Terroristen Anders Behring Breivik: „Europa muss sich entscheiden zwischen einer Reconquista, der Rückeroberung seiner Zivilisation – und dem Selbstmord.“  Wie viel Spielraum bleibt da für eine Reform des Islams? Hier scheint es eher um eine zivilisatorische Mission als um eine Reform zu handeln. 

Weitere bekannte Unterzeichner sind Necla Kelek, Lale Akgün und Hamed Abdel-Samad, die sich mit undifferenzierter Islamkritik als Bestsellerautoren einen Namen gemacht haben. Abdel-Samad wird reglmäßig zu Vortragsveranstaltungen der AfD eingeladen. 

Die Gründerin und Vorsitzende des Schweizer „Forums für einen Fortschrittlichen Islam“ und weitere Mitunterzeichnerin der Initiative, Saïda Keller-Messahli, geriet unlängst wegen einer Publikation zum Bosnienkrieg in die Kritik. Ihre Darstellung der Ereignisse erinnerte stark an serbisch-nationalistische Propaganda. 

Offensichtlich soll mit der Gründung der Initiative also kein Beitrag zum Islamdiskurs geleistet, sondern der Islam den verzerrten Vorstellungen der radikalen Rechten und der Islamfeinde angepasst werden. Sie ist ein Assimilationsprojekt, das auf die Schwächung muslimischer Organisationen gegenüber dem Staat abzielt. 

Der in diesem Dokument dargelegte Säkularismus-Begriff steht für eine totalitäre Version des Säkularismus. Es geht nicht um den Schutz der Religion, sondern um deren Verbannung aus dem öffentlichen Raum. 

Leserkommentare

Johannes Disch sagt:
@Ute Fabel (08. 12. 2018) Da bin ich ganz ihrer Meinung.
29.12.18
22:39
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