Baden-Württemberg will den islamischen Religionsunterricht neu organisieren und plant hierfür die Gründung eines Sunnitischen Schulrats. Entsprechende Vertragsentwürfe habe das Kultusministerium bereits vorgelegt.
Seit dem Schuljahr 2006/2007 wird in Baden-Württemberg ein Modellprojekt zum islamischen Religionsunterricht umgesetzt. Mit Beginn des Schuljahres 2018/2019 läuft es aus. Aktuell besuchen 6.100 Schüler an 93 Schulen diesen Unterricht. Organisiert wird er in Kooperation mit vier islamischen Religionsgemeinschaften: die Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB), der Landesverband der Islamischen Kulturzentren BW (LVIKZ), die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW) und der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken IGBD.
Nach Ende der Frist sollte der islamische Religionsunterricht als reguläres Unterrichtsfach etabliert werden. Doch von dem Vorhaben ist die Landesregierung abgerückt und will den islamischen Religionsunterricht neu organisieren. Hierfür plane Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Gründung eines „Sunnitischen Schulrats“ als Stiftung des öffentlichen Rechts.
Das Land müsste dafür mit den islamischen Religionsgemeinschaften einen Grundlagenvertrag abschließen. Im Vorstand des neuen Gremiums sollen neben Vertretern der Religionsgemeinschaften auch Experten und staatliche Vertreter (Geschäftsführer) sitzen, die unter von Land und Religionsgemeinschaften unter Einstimmigkeit gewählt werden.
Die Landesregierung soll einen entsprechenden Entwurf des Vertrags und die Stiftungssatzung den Landesverbänden bereits vorgelegt haben. Kenner aus den Reihen der islamischen Religionsgemeinschaften sind skeptisch: Die islamischen Gemeinschaften seien nicht angemessen berücksichtigt worden, die Entwürfe stellten das Selbstbestimmungsrecht auf den Kopf bzw. machten es gegenstandslos und widersprächen der Neutralität der Landesregierung.
In Deutschland wird der Religionsunterricht, ganz gleich welcher Konfession, von der jeweiligen Religionsgemeinschaft verantwortet. Die Erteilung und Etablierung eines islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Schulfach bedarf einer Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaft, da der Staat nicht darüber entscheidet, welche Inhalte in einem solchen Religionsunterricht vermittelt werden. Aufgabe des Staates ist die Gewährleistung des Unterrichts, die Einstellung der Lehrer (in Mitbestimmung der islamischen Religionsgemeinschaften) und das Tragen der anfälligen Kosten.
Damit jedoch der islamische Religionsunterricht zum Regelunterricht werden kann, muss zunächst die Trägerschaft geklärt werden. Die Anträge dazu wurden jedoch bislang nicht vom Kultusministerium in Baden-Württemberg genehmigt – die Bearbeitung ruht. Somit bleibt die Frage des Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts vorerst unbeantwortet.
Ob die islamischen Religionsgemeinschaften die Idee einer provisorischen sunnitischen Stiftung unter Mitbestimmung und Kontrolle der Landesregierung unterstützen werden, ist fraglich. Zum einen werden sie in ihrem Selbstbestimmungsrecht stark eingeschränkt werden, da der Einfluss des Landes nicht vorhersehbar ist, und zum anderen wäre die Zustimmung eine Bestätigung dafür, dass die Landesverbände gemäß der baden-württembergischen Regierung nicht die Voraussetzungen einer islamischen Religionsgemeinschaft nicht erfüllen. Dies wäre ein großer Rückschlag hinsichtlich der Etablierung des islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Fach und verfassungsrechtlich bedenklich.