Gastbeitrag

Interreligöse WG: Gemeinsam anders sein!

In Nürnberg haben verschiedene Vereine eine interreligiöse Wohngemeinschaft auf Zeit geführt. Sie wollten der Frage nachgehen, wie man gemeinsam leben kann, obwohl man sich voneinander unterscheidet? Die Bewohnerinnen der WG berichten von ihren Erfahrungen.

26
12
2018
Friedensboten, Christen und Muslime Symbolbild: Christen und Muslime Christlich-Islamische Gesellschaft, Dorfkirche
Symbolbild: Christen und Muslime, Dorfkirche © shutterstock, bearbeitet by IslamiQ

Wie können wir gemeinsam leben? Das haben sich 20 christliche und muslimische Frauen auch gedacht und eine Wohngemeinschaft gegründet. Stattgefunden hat dies in Nürnberg vom 04.11-11.11.2018. Gefördert wurde das Projekt vom bundesweiten Projekt „Empowered by democracy“, welches das Ziel hat, Jugendliche mit und ohne Fluchthintergrund zusammenzubringen und gemeinsam politische Bildung zu erleben.

Eine Woche lang haben die 20 Frauen versucht, sich gegenseitig kennenzulernen und einen Kriterienkatalog für ein gutes Zusammenleben aufzustellen. Organisationen wie die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), die evangelische Studierendengemeinde (ESG), die Rummelsberger Diakone & Diakoninnen, die Islamische Gemeinde Nürnberg (IGN), die neuapostolische Kirche, die evangelische Jugend Nürnberg (ejn), die Tulipa e.V. Jugend und die Brücke-Köprü, das Begegnungszentrum für Christen und Muslime, haben sich im Vorfeld Gedanken über diese Wohngemeinschaft gemacht und das Projekt mitorganisiert.

Tagsüber sind die Bewohnerinnen der WG ihrem ganz normalen Alltag nachgegangen, an den Nachmittagen wurden Plätzchen gebacken, Gespräche geführt und Stadtführungen unternommen. Abends traf man sich dann zu Andachten, um im Anschluss den Tag Revue passieren zu lassen.

Rücksicht 

Mukaddes S. von der Islamischen Gemeinde Nürnberg fasst die Woche als harmonische Atmosphäre und eine Zeit, in der ein liebevoller Umgang gewährt wurde, zusammen. „Das Haus war zwar groß, aber nicht so groß, dass man sich in eine Ecke zurückziehen und nicht an der Gemeinschaft teilhaben könne“, sagt sie. Der Wohlfühlfaktor war für sie besonders wichtig und nach dieser einen Woche kann sie getrost sagen, dass dieser auf jeden Fall erfüllt wurde. „Es wurden immer interessante Gespräche geführt, die auch mal tiefsinniger wurden. Was die Zimmeraufteilung anging, wurde sehr viel Rücksicht auf muslimische Mitbewohnerinnen genommen und so zum Beispiel das Zimmer mit dem Waschbecken an diese vergeben, damit sie in Ruhe ihre Gebetswaschungen für die Gebete durchführen können.“

Aufregung

Laura S., die im Februar 2018 zum Islam konvertiert ist, sieht die Woche in der WG genauso. „Ich war aufgeregt, da ich nicht wusste, mit wem ich es zu tun haben werde, und durfte anschließend feststellen, wie offen und freundlich alle waren, was mich wirklich beruhigt hat.“ Für ein gutes Zusammenleben war es Laura wichtig, niemanden auszuschließen und zu versuchen, jeden zu Wort kommen zu lassen. „Als mir persönlich Fragen gestellt worden sind, habe ich gemerkt, dass nicht nur aus Höflichkeit nachgefragt wird, sondern wirklich Interesse besteht und deshalb nachgefragt wird.“ Auch die Tatsache, dass vegetarisch gekocht wurde, hat Laura sehr gefreut. „Ich bin eigentlich kein Fan von Andachten, aber die Andachten innerhalb der WG haben mir sehr große Freude bereitet. Man hat versucht beide Religionen in die Andachten zu integrieren, sodass „jeder was davon hatte“ und das hat mir sehr gefallen und auch Spaß gemacht.“

Offenheit

Alina M. von der evangelischen Jugend Nürnberg fand auch, dass innerhalb der WG das Thema „Offenheit“ groß geschrieben wurde. Auf der einen Seite hat es sie interessiert, wie und ob Christen ihren Glaube ausleben und auf der anderen Seite hat sie einen Einblick in den islamischen Glauben bekommen. Für sie war die Woche sehr angenehm: Jeder war hilfsbereit, der Umgang war unkompliziert und es schien, als würde man sich schon jahrelange kennen und gemeinsam leben. Man war überall willkommen und es haben sich in keinem Fall Gruppen gebildet. „Ich war fasziniert davon, wie unkompliziert das gemeinsame Leben ist. Jeder wurde respektiert und toleriert und wenn man Fragen hatte, dann konnte man diese einfach stellen.“

Gemeinsam 

Alina sagt, dass die Woche ihr nicht nur religiös, sondern auch in menschlicher Weise geholfen hat, d. h. sie konnte durch die WG lernen, wie man am besten miteinander umgeht, wenn man sich noch nicht so lange kennt. „Ich habe gelernt, dass es völlig egal ist, wenn man anders ist und dass das gemeinsame Leben trotzdem funktionieren kann!

Im Allgemeinen ist festzustellen, dass die Resonanz sehr positiv ausgefallen ist und das gemeinsame WG Leben auf jeden Fall auch 2019 wieder stattfinden soll. Wer dann dabei sind wird und wie dann die eine Woche „gemeinsam Leben“ aussehen wird, bleibt offen.

Leserkommentare

Frederic Voss sagt:
Netter, schöner Versuch eine Woche lang. Etwas anders dürfte es sich darstellen, wenn man 6 Monate lang so leben würde. Man kann hier auch sehen, daß jeder Mensch sein eigenes religiöses Süppchen kocht. Begrüssenswert hier, daß keine religiösen Führer, Betreuer, Autoritäten, Kleriker etc. ständig Predigten hielten und anderen sagten, wie es zu sein hat.
26.12.18
18:19
Ute Fabel sagt:
Ich bezweifle, dass solche Projekte intellektuell fruchtbar sind. Es läuft offensichtlich nur darauf hinaus, sich nur wechselseitig Süßholz zu raspeln. Unverdienter Respekt ist aber etwas sehr Schädliches. Bei Religionen und auch bei nicht religiösen Weltanschauungen bringt die Menschheit gerade das völlig tabulose und grundlegende Hinterfragen von Glaubensinhalten wirklich weiter. Das dürfte in diesen interreligiösen WGs aber überhaupt nicht stattfinden.
27.12.18
10:03
Kritika sagt:
L.S. In the first place * Mitglieder einer WG sind üblicherweise nicht nach deren Geschlecht zusammengestellt, enthalten also beide Geschlechter. Und das geht fast problenlos **, Kritika hat Insider Kenntnis. ---- Wer und weshalb hat hier jemand eine unnormale Prüdität verordnet: einer nur-Frauen-WG? War das eine Islamisch-prüde Errungenschaft??: Moderne Jugentliche haben ganz andere Interessen als sich mit dem "Fantom der Religion" zu beschäftigen. Wir haben Freunde und Bekannte, aber was und ob die an höhere Mächte glauben, das wissen wir nicht einmal. Es interessiert einfach niemand; andere Temen sind viel interessanter. Religion und Sekten sind einfach out, uncool, ätzend Frau Fabel's Bericht könnte Kritika nicht besser unter Worten bringen. Gruss, Kritika * Ein passender Ausdruck aus unsere USA Zeit, für mich schwer zu übersetzen. ** problemlos ' bedeutet nicht per sé, dass niemals, auf beiderlei Verlangen, in der WG "PersonenNahVerkehr" stattfindet. Na, und? ( wie gesagt, Kritika hat Insider-Kenntniss )
05.01.19
1:29