Lange paktierte die Brandenburger AfD nur verkappt mit der rechten Protestbewegung gegen die Flüchtlingspolitik auf der Straße. Doch wenige Monate vor der Landtagswahl geben die Rechtspopulisten ihre Zurückhaltung auf.
Das war äußerst knapp: Gerade mal fünf Stimmen Vorsprung sichern dem Brandenburger AfD-Vorsitzenden Andreas Kalbitz die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl. Es ist ein hauchdünner Erfolg vor dem Chef des rechtsgerichteten Vereins „Zukunft Heimat“, Christoph Berndt, der in Cottbus regelmäßig Hunderte oder gar Tausende Teilnehmer zu rechtsgerichteten Demonstrationen auf die Straße bringt. Die Nähe der beiden AfD-Zugpferde bei der Wahl auf die Kandidatenliste für die Landtagswahl im Herbst dokumentiert auch den inhaltlichen Schulterschluss der blauen Partei mit der rechtsgerichteten Opposition auf der Straße.
„Ich stehe zu Pegida und zur „Zukunft Heimat“, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass der Süden Brandenburgs stark geworden ist“, sagt die Landtagsabgeordnete Birgit Bessin auf dem Wahlparteitag in Rangsdorf (Teltow-Fläming). Die AfD sei auch nicht nur eine Partei des Parlaments, stellt sie fest. Dafür wird sie von den Mitgliedern mit frenetischem Beifall und Listenplatz 4 belohnt. Bessin hält auch Reden auf den Demonstrationen von „Zukunft Heimat“, bei denen ungehindert Rechtsextreme mitmarschieren.
Das Gleiche gilt für den dritten Mann im frisch gekürten Spitzentrio, Daniel Freiherr von Lützow. Er teilt die Begeisterung für „Zukunft Heimat“ in Südbrandenburg und deren Aufrufe samt Fotos von den Demonstrationen bei Facebook.
Die Brandenburger Grünen fordern seit langem die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz – jetzt erst recht. Ihr Landesvorsitzender Clemens Rostock nennt das neue AfD-Spitzentrio ein „Triumvirat der strammen Rechten“. „Zusammen verkörpern sie eine unheilvolle Melange aus Pegida, Identitärer Bewegung und „Zukunft Heimat“.“ Linksfraktionschef Ralf Christoffers sieht das genauso: „Auf dem AfD-Parteitag haben wir erlebt, wie die letzten Mauern zum Rechtsextremismus gefallen sind.“
Doch der Parteitag zeigte noch eine andere Entwicklung: Die Basis der blauen Partei ist breiter geworden. Dort kandidierten neben Handwerkern auch Kaufleute, Juristen, Ingenieure und Unternehmer für die Landesliste. Die AfD ist längst nicht mehr nur die „Partei der kleinen Leute“, wie es der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland in den Anfangsjahren formulierte.
Eine Basis aus vielen Schichten der Gesellschaft, die Kalbitz‘ Träumen von der Regierungsmacht Flügel verleiht. „Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir nicht nur eine starke und effektive Opposition bilden werden, sondern wir haben mehr vor“, sagte der 46-Jährige. „Wir wollen und wir müssen Verantwortung übernehmen für unser Land und für die Menschen in unserem Land.“
Doch zuvor muss Kalbitz die Scherben des Parteitags aufkehren und dem Eindruck entgegentreten, er habe seinen Laden nicht im Griff. Denn gegen seinen Willen nahm die Basis die auf ihn zugeschnittene Wahl des Spitzenkandidaten von der Tagesordnung des Parteitags und setzte statt einer Gruppenwahl das langwierige Akzeptanzwahlverfahren durch. So musste Kalbitz bis zum frühen Morgen darum zittern, seine Partei als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf führen zu dürfen. Am Ende bewilligten ihm dies die Mitglieder nur ganz knapp, und um ein Haar hätte ihm seine Parteibasis den «Zukunft Heimat»-Chef Berndt vor die Nase gesetzt. (dpa, iQ)