Die Frage der Ausbildung und Finanzierung von Imamen beschäftigt Politik und Gesellschaft. Wie beurteilen islamische Religionsgemeinschaften die Diskussionen und wie bilden sie ihre Imame aus? IslamiQ sprach mit Vertretern von islamischen Religionsgemeinschaften.
Artikel 140 des Grundgesetzes regelt das Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften. Demnach ordnet und verwaltet jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbständig ohne staatlichen Einfluss. Dies gilt auch für islamische Gemeinschaften. So ist u. a. die Imamausbildung und ihre Beschäftigung Sache der Religionsgemeinschaften.
Mit der Einberufung der Deutschen Islamkonferenz stehen die Imame wieder im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte. Politiker fordern die Etablierung einer Imamausbildung in Deutschland und ein Verbot der Auslandsfinanzierung für islamische Religionsgemeinschaften. Indes bilden islamische Religionsgemeinschaften ihre Imame schon seit Längerem ganz oder teilweise in Deutschland aus. Wie beurteilen diese das Interesse der Bundesregierung an einer Imamausbildung, die ausschließlich in Deutschland stattfinden soll? IslamiQ hat mit Vertretern der vier islamischen Religionsgemeinschaften, die im Koordinationsrat der Muslime (KRM) vertreten sind, gesprochen.
Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland (IRD) wurde im Jahre 1986 als bundesweite Koordinierungsinstanz und gemeinsames Beschlussorgan islamischer Religionsgemeinschaften in Berlin gegründet. Er umfasst mehr als 450 Gemeinden. Für den Vorsitzenden Burhan Kesici ist das Interesse der deutschen Regierung an einer Imamausbildung nichts Neues. „Das Thema wurde schon 2002 im Bundestag angesprochen. Mit der Zeit rückte die Imamausbildung immer stärker in den Fokus von Politik und Wissenschaft.“ In der Konsequenz möchte man durch eine Imamausbildung in Deutschland und über hiesige Finanzierungsmöglichkeiten Muslime von ihren Ursprungsländern weitestgehend abkoppeln. Dies sei laut Kesici kontraproduktiv.
Der Islamrat setzt in seinen Gemeinden sowohl Theologieabsolventen in Deutschland und solche, die in Deutschland ihr Abitur gemacht und anschließend ihr Theologiestudium in der Türkei absolviert haben, ein. Diese werden während ihrer Tätigkeit mit Seminaren und Fortbildungen weitergebildet. Daneben gebe es noch den Weg einer Ausbildung zum Imam in privater Trägerschaft.
Doch seien neben dem Ausbildungsort die Qualität der Lehre und ihre Anbindung an die islamische Tradition wichtiger Faktoren für eine ideale Imamausbildung. „Viele Gemeindemitglieder begrüßen einen Hochschulabsolventen der islamischen Theologie. Das Studium verschafft ihnen ein gewisses Ansehen. Aber im Alltag spielt eine Hochschulausbildung keine große Rolle, denn da wollen die Gemeindemitglieder Hilfestellungen in praktischen Fragen, Anleitung in den Gottesdiensten, die teilweise auch kulturell durch die Herkunftsländer geprägt sind“, so Kesici.
Die Gemeinden des Islamrats begrüßten das Interesse an einer hiesigen Imamausbildung, jedoch sei ihnen auch klar, dass dieses Interesse nicht „als Sorge der Politik um das Seelenheil der Muslime gedeutet werden muss“.
Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) wurde 1984 in Köln gegründet. Mit ihren mehr als 900 Gemeinden zählt sie zu den größten islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland. Um die Qualität ihre religiösen Dienste und die Sprachekenntnisse ihrer Imame zu erhöhen habe die DITIB vor 12 Jahren im Rahmen des internationalen Theologie-Programms („UIP“) ein Projekt gestartet, das in Deutschland sozialisierte Abiturienten die Ausbildung zu Religionsbeauftragten ermöglicht. Aktuell arbeiteten knapp 90 Absolventen in DITIB-Gemeinden. „Als die DITIB 2006 dieses Projekt begonnen hat, wurde noch keine Imamausbildung gefordert“, erklärt Dr. Zekeriya Altuğ, Leiter für Außenbeziehungen der DITIB, gegenüber IslamiQ. Die Debatte zur Ausbildung von Imame könne als Chance angesehen werden, jedoch dürfe nicht vergessen werden, dass „die Ausbildung von Religionsbeauftragten in erster Linie eine Angelegenheit ist, die Muslime betrifft und sich nach den Bedürfnissen der Muslime richten sollte.“
Imame, die aus der Türkei kommen, müssen ein 5-monatiges Seminar besuchen, bevor sie nach Deutschland kommen. „Diese müssen nicht nur in Sprachkursen, sondern auch in mit dem Goethe Institut zusammen organisierten Kursen zur Kultur, Geschichte und Soziologie Deutschlands unterrichtet werden. Somit werden sie ein wenig besser auf ihre Tätigkeiten hier vorbereitet“, so Altuğ. Die Forderung, Imame nur noch in Deutschland auszubilden, seit nicht zeitgemäß. Aus diesem Grund werde die DITIB auch weiterhin Imame, die in der Türkei und anderen muslimischen Ländern ausgebildet wurden, einstellen. „Wir betrachten dies als notwendig, damit unsere Wurzeln nicht gestutzt werden.“
Für die Moscheen und Gemeindemitglieder gebe es wichtigere Kriterien, als die Herkunft bzw. das Ausbildungsland. Dazu gehören Altuğ zufolge Fragen wie: „Unterrichtet der Religionsbeauftragte in meiner Moschee meine Kinder gut, bemüht er sich die Jugendlichen zu versammeln und sie von schlechten Angewohnheiten fernzuhalten, kann er ihnen das religiöse Wissen effizient und richtig vermitteln, unterstützt er mich, wenn ich eine Sorge habe, steht er mir spirituell bei?“.
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), der 1987 gegründet wurde, ist eine Dachorganisation von derzeit 33 muslimischen Dachorganisationen und Einzelmitglieder. Für stellvertretende Vorsitzen Nurhan Soykan hängt das Interesse der Regierung an einer Imamausbildung in Deutschland mit der Forderung der Loslösung der DITIB von der Türkei zusammen. Der ZMD werbe seit seiner Gründung für eine Imamausbildung in Deutschland wirbt.
Soykan zufolge würde ein Verbot der Auslandsfinanzierung gegen das Selbstbestimmungsrecht von Religionsgemeinschaften verstoßen. „Sowohl die großen Kirchen als auch andere nichtmuslimische Religionsgemeinschaften erhalten finanzielle Unterstützung aus dem Ausland. Ein Verbot, das nur für Muslime gelte, ist nicht gerecht“, erklärt Soykan.
Im Hinblick auf die Imamausbildung innerhalb der Moscheegemeinden, die unter dem ZMD organisiert sind, weist Soykan auf unterschiedliche Modelle hin. „Während einige Moscheegemeinden ihre Imame selber ausbilden, beziehen sie andere aus den Herkunftsländern“, so Soykan. Die Imamausbildung sei Sache der Religionsgemeinschaften, in die sich der Staat nicht einmischen könne. Die Aufgabe des Staates bestehe darin, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.
Der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) wurde 1973 mit Sitz in Köln gegründet. Ihm sind bundesweit zirka 300 Moscheen und Bildungseinrichtungen angeschlossen. Ziel und Zweck ihrer Arbeit sei die religiöse, soziale und kulturelle Betreuung von Muslimen in Deutschland. Dem Referenten für Öffentlichkeitsarbeit der VIKZ, Erol Pürlü, zufolge sei das Imamsein kein Beruf, sondern eine Berufung.
„Imame sind Vorbilder für die Gesellschaft. Aus diesem Grund ist ihre Ausbildung umso wichtiger“, erklärt Pürlü. Seit 30 Jahren bildet der VIKZ seine Imame in ihrer Kölner Bildungseinrichtung selbst aus. Pürlü erläutert die Ausbildung wie fogt: „Unsere Imamanwärter genießen ein dreijähriges Vollzeitstudium der islamischen Theologie mit einem anschließenden Praktikum. Dem Grund- und Hauptstudium mit Koranrezitation, arabischer Schrift und Sprache, Hadith- und Tafsirwissenschaften sowie islamischer Theologie und Geschichte folgen in einem anschließenden Praktikum praktische Übungen und Qualifikationen.“
Ziel der Ausbildung sei es, die Theologen so zu qualifizieren, dass sie eine Moscheegemeinde leiten und sich mit den religiösen, sozialen und kulturellen Fragestellungen der Muslime ausführlich beschäftigen können. Nach diesem Studium werden die Studierenden einer Gemeinde eingesetzt und währenddessen durch regelmäßige Fortbildungsseminaren weitergebildet.
Da die Imame in Deutschland sozialisiert, ausgebildet und eingestellt werden, seien alle Imame der deutschen Sprache mächtig. Aus diesem Grund werde ein mögliches Verbot der Auslandsfinanzierung den VIKZ nicht beeinträchtigen.