Der Historiker Wolfgang Benz sieht keine Zunahme antisemitischer Haltungen in Deutschland. Dagegen sei die Sensibilität für Antisemitismus gewachsen.
Der Historiker Wolfgang Benz sieht in Deutschland keinen wachsenden Judenhass. „Der manifeste Antisemitismus, den man messen kann, weil er sich in Propagandadelikten äußert, ist in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland unverändert geblieben“, sagte Benz im Interview des „Badischen Tageblatt“ (Dienstag). Dagegen sei die Sensibilität für Judenfeindschaft gewachsen: „Wir sind weniger gleichgültig.“ Deutschland sei es gelungen, Antisemitismus klein zu halten.
Außerdem kritisiert Benz die neu gestartete Meldestelle für antisemitische Straftaten. Für kriminelle Fälle sei die Polizei zuständig. Eine externe Meldestelle sei nicht nötig. Gleichzeitig betonte der Wissenschaftler, es sei eine „Katastrophe“, dass es nicht gelungen sei, den Antisemitismus zu überwinden. „Dass man ihn nicht aus der Welt schaffen kann, mit dieser Tatsache muss man leider leben.“
Den Begriff des „christlich-jüdischen Abendlandes“ kritisierte Benz als „grob fahrlässige Geschichtsklitterung“. „2.000 Jahre lang waren die Christen bemüht, den Juden das Leben so schwer wie irgend möglich zu machen“, so Benz. Heute nun in Konfrontation zum Islam die Juden mit ins Boot nehmen zu wollen, sei unredlich, so der 77-Jährige.
Die Studie „Antisemitismus und Immigration im heutigen Westeuropa- Gibt es einen Zusammenhang?“ hat gezeigt, dass es in europäischen Ländern keinen Anstieg von Antisemitismus durch muslimische Zuwanderung gebe. Auch bezüglich Deutschland zeigen die Ergebnisse der Studie, dass Judenfeindlichkeit ein Problem der Mehrheitsgesellschaft ist, und nicht explizit von muslimischen Minderheiten. Die meisten antisemitischen Straftaten werden von Deutschen ohne Migrationshintergrund aus der rechten Szene begangen.
Eine weitere Umfrage habe verdeutlicht, dass sich einige Klischees über ‚die Juden‘ hartnäckig in der Bevölkerung halten. Doch echte Judenfeindlichkeit empfindet anscheinend nur eine kleine Minderheit.“ In den vergangenen Jahrzehnten sei Antisemitismus „eher“ seltener geworden. Insgesamt sei Judenfeindlichkeit hierzulande geringer als Islamfeindlichkeit. (KNA, iQ)