Frankfurt

Bundespräsident trifft von Rechtsextremen bedrohte Anwältin

Bei seinem Frankfurt-Besuch spricht Steinmeier auch mit der Anwältin, die Drohschreiben vom „NSU 2.0“ erhalten hat. Helfen soll nun ein Maßnahmenpaket des Innenministeriums.

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Dr. Frank-Walter Steinmeier © Heinrich-Böll-Stiftung

Der Bundespräsident kommt nach Frankfurt in einer Zeit, in der die Stadt immer wieder in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerät. Seit dem August 2018 bekommt die türkischstämmige Anwältin Seda Başay-Yıldız immer wieder Drohfaxe mit der Unterschrift „NSU 2.0“. Darin wird sie rassistisch beleidigt und ihre Familie bedroht. Die Anwältin vertritt im Prozess um Beate Zschäpe und die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) Opfer verteidigt.

Dann kommt heraus, dass Hintergrundwissen über die Anwältin aus dem polizeilichen Informationssystem eines Computers einer Beamtin des 1. Reviers in Frankfurt abgefragt worden ist. Im Zuge der weiteren Ermittlungen wird eine mutmaßliche rechtsextreme Chatgruppe in der Frankfurter Polizei aufgedeckt. Sechs Beamte sind suspendiert worden, die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Wer die mit „NSU 2.0“ unterzeichneten Drohbriefe geschickt hat, ist bislang unklar. Die Ermittlungen seien nach wie vor in Gange, sagte eine Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft.

Anwältin möchte sich nicht öffentlich äußern

Auch Steinmeier kommt gleich am Donnerstagvormittag nach einem Treffen mit Polizisten auf die Drohungen gegen die Anwältin zu sprechen: „Das ist kein Frankfurter Thema, sondern ein Thema, das mittlerweile über die Grenzen der Stadt hinaus diskutiert wird, deshalb interessiert mich natürlich auch, was an den Vorwürfen möglicherweise dran ist.“

Kurzfristig war während seines eintägigen Besuchs in Frankfurt ein Treffen mit Başay-Yıldız vereinbart worden. Das Gespräch blieb vertraulich, die Anwältin möchte sich ohnehin nicht öffentlich zu den Drohschreiben äußern.

Handlungsempfehlungen für Polizei

Solche Datenabfragen sollen künftig verstärkt anlassunabhängig kontrolliert werden, sagte Innenminister Peter Beuth (CDU) am Donnerstag im Landtag in Wiesbaden. Das sei Teil eines Maßnahmenpakets angesichts rechtsextremistischer Verdachtsfälle in der hessischen Polizei. Neben der mutmaßlich rechtsextremen Chatgruppe der Frankfurter Polizei wird gegen mehrere weitere hessische Polizeibeamte dienst- und strafrechtlich ermittelt.

Mit einer in der hessischen Polizei durchgeführten wissenschaftlichen Studie sollen demnach Handlungsempfehlungen entwickelt werden. Es solle das demokratische Verständnis und die Resilienz der Polizisten gegen Extremismus gestärkt werden, etwa durch Fortbildungen. Außerdem sollen Behördenleitungen hinsichtlich fremdenfeindlicher Einstellungen Beschäftigter sensibilisiert werden und die Berichtspflichten im Disziplinarwesen ausgeweitet werden. Mit der Einrichtung einer Ombudsstelle solle zudem ein Anlaufpunkt für Probleme zwischen Bürgern und Sicherheitsbehörden geschaffen werden.

„Wer Anwälte bedroht, bedroht unseren Rechtsstaat“

Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, nannte das Treffen des Bundespräsidenten mit der Anwältin „ein klares Zeichen der Solidarität“, das seine Organisation ausdrücklich begrüße. „Wer Anwältinnen und Anwälte bedroht, bedroht unseren Rechtsstaat“, betonte Schellenberg. „Unser Justizsystem ist darauf angewiesen, dass die Anwaltschaft frei von Bedrohung im Interesse unserer Mandanten arbeiten kann.“

Nach seiner Begegnung mit Frankfurter Polizisten sagte Steinmeier, auch über die Vorwürfe gegen einige Beamte sei gesprochen worden. „Selbstverständlich dürfen wir von Polizisten auch erwarten, dass sie sich Rechtsstaat und Demokratie verpflichtet fühlen“, sagte der Bundespräsident, der sich zudem mehr Anerkennung für die Arbeit der Polizei wünschte. Er hoffe, dass die Ermittlungen zu einem Ergebnis führen. „Nicht nur, um die Betreffenden festzustellen, sondern gerade im Sinne der Polizistinnen und Polizisten, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen und deren Ruf die öffentliche Diskussion schadet oder in Gefahr bringt.“ (dpa/iQ)