Keine Vollverschleierung in der Vorlesung, im Seminar oder an der Schule: Die Kieler Uni verbietet das Verhüllen des Gesichts etwa mit einer Niqab, wie sie manche Muslima tragen. Ministerin Prien kündigt ein Verbot auch an den Schulen an – und löst politischen Streit aus.
Die Kieler Christian-Albrechts-Universität hat einer muslimischen Studentin eine Vollverschleierung des Gesichts in Lehrveranstaltungen verboten. „Auf dem Campus könnten Studierende aber auch eine Burka oder eine Niqab, die nur einen Augenschlitz zulässt, tragen“, sagte Uni-Sprecher Boris Pawlowski am Mittwoch. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) begrüßte den Beschluss und kündigte eine Gesetzesinitiative gegen Gesichtsverschleierung in den Schulen an. Es gebe „keinen aktuellen Fall“, bisherige Einzelfälle seien schulintern einvernehmlich geregelt worden.
Zuvor hatten die „Kieler Nachrichten“ berichtet. Fast alle Parteien zeigten für das Verbot der Uni Verständnis, Priens Schulvorstoß stieß aber auch auf scharfe Kritik. „Das ist für uns der Inbegriff des Populismus“, sagte ein SSW-Sprecher. „Prien schafft eine Lösung für ein Problem, das es an den Schulen gar nicht gibt.“ Der SPD-Bildungspolitiker Martin Habersaat sagte, „ob es einer entsprechenden Regelung im Schulgesetz bedarf, bleibt abzuwarten“.
Prien will ein Vollverschleierungsverbot im Schulgesetz bis zum Sommer 2020 durchsetzen. „Lehrkräfte und Lernende sollen bei schulischen Veranstaltungen ihrer Gesprächspartnerin und ihrem Gesprächspartner ins Gesicht schauen können“, sagte eine Ministeriumssprecherin.
In der Jamaika-Koalition zeigte sich ein Riss. Während CDU und FDP das Verbot an der Uni und Priens Vorstoß unterstützten, gingen die Grünen auf Distanz. „Die Entscheidung der Universität ist ein Fehler“, sagte der Grünen-Abgeordnete Lasse Petersdotter. „Dozierende und Professoren sind weder in der Lage noch beauftragt, die Mimik und Gestik der Studierenden zu bewerten.“ Die Grünen halten Priens Vorstoß für den falschen Weg. „Die Möglichkeit, religiöse Symbole zu tragen oder auf sie zu verzichten, zeichnet eine weltoffene Gesellschaft aus“, sagte die Schulpolitikerin Ines Strehlau.
Das Uni-Präsidium hatte Verbot am 29. Januar erlassen. Es solle dafür Sorge zu tragen, „dass die Mindestvoraussetzungen für die zur Erfüllung universitärer Aufgaben erforderliche Kommunikation in Forschung, Lehre und Verwaltung sichergestellt sind“. Dazu gehöre die offene Kommunikation, „welche nicht nur auf dem gesprochenen Wort, sondern auch auf Mimik und Gestik beruht“.
Kultusministerkonferenz (KMK) und Hochschulrektorenkonferenz (HRK) konnten am Mittwoch nicht sagen, in wie vielen Schulgesetzen der Länder Vollverschleierungen verboten sind beziehungsweise von wie vielen Hochschulen in Deutschland.
„Das Tragen von Burka oder Niqab ist kein Ausdruck von Weltoffenheit, sondern ein Zeichen der Unterdrückung von Frauen“, sagte FDP-Landtagsfraktionschef Christopher Vogt. „Wir wollen bei der Gleichberechtigung der Geschlechter Fort- und keine Rückschritte.“ Der CDU-Politiker Tobias Loose sagte: „Überall, wo wir Vollverschleierung verbieten können, sollten wir das auch tun.“
Auch die designierte SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli betonte, „die CAU hat Recht – Kopftuch ja, Vollverschleierung nein“. Ein Kopftuch lasse das Gesicht frei und behindere Kommunikation nicht. „Das ist bei Niqab und Burka anders
Nach Ansicht des Kieler AfD-Landtagsabgeordneten Frank Brodehl seien „gesetzliche Verbote allein keine Lösung – zumindest nicht langfristig“. Verbote hätten in der Demokratie nur dann Bestand, wenn sie von der Mehrheit der Bürger akzeptiert und mitgetragen würden.
Ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags von 2014 bewertete eine Verankerung eines Verschleierungsverbots im Grundgesetz als „nicht unproblematisch“. Der Bundesrat beschloss im Oktober 2018, einen Gesetzentwurf für ein grundsätzliches Verhüllungsverbot in Gerichten beim Bundestag einzubringen. Im Gericht sollen Zeugen und Verfahrensbeteiligte künftig generell keine Gesichtsschleier, Burkas, Masken, Sturmhauben oder Motorradhelme tragen dürfen. Bislang gibt es nur die Möglichkeit einzelner richterlicher Anordnungen. (dpa, iQ)