NACHGEFRAGT

„Den Islam verstehen – ehrlich, offen und gleichberechtigt“

Autoren schreiben hunderte Seiten. Doch was passiert, wenn sie ihr Buch auf seine Essenz herunterbrechen müssen? Unsere Serie „Nachgefragt“ liefert Antworten. Heute Prof. Dr. Frank Griffel und sein Buch „Den Islam denken“.

16
02
2019
Frank Griffel- Den Islam verstehen
Frank Griffel- Den Islam verstehen

IslamiQ: Wem würden Sie ihr Buch „Den Islam denken“ gerne schenken und warum?

Frank Griffel: Herrn Thilo Sarrazin vielleicht, denn der hat recht überholte Vorstellungen über die Geistesgeschichte und Philosophie im Islam. Im Grunde aber allen Deutschen, die meinen, der Islam müsse die Aufklärung nachholen.

Frank Griffel
Den Islam denken – Versuch, eine Religion zu verstehen
Reclam Verlag
ISBN: 978-3-15-019548-2
102 Seiten
November 2018

IslamiQ: Warum ist die Thematik Ihres Buches im Lichte aktueller Debatten wichtig?

Griffel: Wir sind mit der europäischen Aufklärung, die eng mit Kolonialismus und dem sich herausbildenden weltweiten Kapitalismus verknüpft ist, nun so weit gefahren, dass es vielleicht einmal Sinn macht zu fragen: War das alternativlos? Gab es damals nicht andere Lebensweisen, die vielleicht weniger aggressive und auch weniger selbstzerstörerische Gesellschaftsentwürfe entwickelt haben?

IslamiQ: „Beim Lesen guter Bücher wächst die Seele empor.“ Warum trifft dieses Zitat von Voltaire auf Ihr Buch zu?

Griffel: Weil mein Buch versucht, seine Leser in eine Art Denken über den Islam wie auch über die eigene Kultur einzuführen, mit der sie bisher vielleicht unvertraut waren. 

IslamiQ: Ihr Buch „Den Islam denken“ in drei Wörtern zusammengefasst?

Kurz, unterhaltsam, anregend.

IslamiQ: Eine spezielle Frage für Sie: Forderungen nach einer Reform des Islams seitens sogenannter Islamkritiker haben Hochkonjunktur. Was halten Sie von so einer Forderung?

Griffel: Eine der Lehren meiner Forschung über die islamische Philosophie ist, an Meinungsverschiedenheiten mit großer Gelassenheit heranzugehen. Wer weiß schon, was wahr und richtig ist? Wo es Ambiguität gibt, sollte Toleranz darüber walten. Der Meinungen über den Islam gibt es viele. Einige kritisch und manche sogar sehr kritisch. Das ist ganz und gar nicht illegitim. 

Ein Vergleich: Angesichts der vielen Fälle sexuellen Missbrauchs fordern viele Nicht-Katholiken die katholische Kirche auf, Priestern die Ehe zu erlauben und das Zölibat aufzuheben. Sie fordern also eine Reform der katholischen Kirche. Die kann die Kirche aber nur selber vornehmen. Man kann diese Forderungen unterschiedlich lesen. Eine gelassene Lesung ist, die Forderungen von Nicht-Katholiken als moralischen Aufruf zu verstehen: „Seid Ihr Katholiken nicht auch der Meinung, dass das Zölibat der freien Entfaltung der menschlichen Natur widerspricht, und wollt Ihr diese nicht selber fördern?“ Es ist dann eine Entscheidung der Katholiken, dem zuzustimmen – oder nicht – und dann zu handeln – oder nicht. 

Vielleicht kann man Forderungen an den Islam ähnlich verstehen: „Seid Ihr Muslime nicht auch der Meinung, dass der Islam X braucht?“ Wobei X dann „die Reformation“, „Aufklärung“, „unabhängige Imame“ oder „eine Islam-Steuer“ sein kann. Die Entscheidung sollte dann allein von den Muslimen gemacht werden. Zwischen Forderung und Entscheidung mag eine lange öffentliche Diskussion liegen, die hoffentlich ehrlich, offen, und gleichberechtigt ist. Ich denke, dass die Frustration vieler Muslime daher kommt, dass wir immer noch keine guten Bedingungen für eine solche Diskussion zu haben.

Leserkommentare

Kafira sagt:
" Den Islam verstehen – ehrlich, offen und gleichberechtigt“ Was würden Sie, sehr geehrter Herr Professor, Doktor Frank Griffel, von folgende Bücher halten, die sich - - wie das Ihrige - - ebenfalls mit Exoterische pseudo Wissenschaft beschäftigen? Astrologie verstehen, ehrlich, offen, gleichberechtigt? Wahrsagen erstehen, ehrlich, offen, gleichberechtigt? Gespenster verstehen, ehrlich, offen, gleichberechtigt? Exorzismus verstehen, ehrlich, offen, gleichberechtigt? Würden Sie auch nur eine Minute Ihrer Zeit damit vergeuden, so ein Nonsens-Buch auch nur durchzublättern? Nicht? Ich auch nicht. Aber Sie, im Gegensatz zu Kafira, mögen doch gerne zum Himmel schreiende Nonsense? befassen sich intensiv damit. Welches Argument kennen Sie, dass der Islam auch nur ein Deut wahrer oder wahrscheinlicher wäre als die von mir erfundene andere Nonsense-Titel? Gruss, Kafira.
16.02.19
22:58
Johannes Disch sagt:
Frank Griffel ist ein kleines, aber feines Buch gelungen. Sehr lesenswert. Da sollten vor allem gewisse "Islamkritiker" a la Sarrazin mal reinsehen.
20.02.19
14:51
Frederic Voss sagt:
Die Antworten hier sind schon auch teilweise makaber. In Verbindung von islamischer Philosophie mit großer Gelassenheit und Toleranz ist hier die Rede. . Überall präsentiert sich aber der Islam meistens ganz anders als gelassen oder tolerant. Leben Sie in einem Wolkenkuckucksheim und konstruieren sich den Islam so, wie Sie ihn gerne sehen wollen? Für eine Kritik am weltweiten Kapitalismus brauche ich weiß Gott den Islam nicht. Da gibt es 1000 andere Zugangsmöglichkeiten zu diesem Thema. Islamische Ehen mit kleinen Mädchen sollen besser oder gottgewollt sein im Vergleich zu den sexuellen Missbrauchs-Aktivitäten der katholischen Priesterkaste? Wo erwähnen Sie denn die totgeschwiegene Form des Kindesmissbrauchs in der Islamischen Republik Afghanistan "Baccha Baazi" - einer Form der Kindersklaverei, die seit Jahrhunderten praktiziert wird, mit tanzenden, vorpubertären Jungen? Warum leben Sie nicht in einem islamischen Gottesstaat, wo doch das islamische Paradies schon beginnen soll? Stattdessen plagen Sie sich lieber hier herum und müssen noch Kritik - quasi als Opfer - dulden?
21.02.19
10:24
Kritika sagt:
At Johannes Disch Er schreibt: " Frank Griffel ist ein kleines, aber feines Buch gelungen. Sehr lesenswert. Da sollten vor allem gewisse "Islamkritiker" a la Sarrazin mal reinsehen. " Vielen Dank, Herr Disch, verstehen Sie bitte, dass es für Kritika viele interessantere und sinnvollere Temen gibt, als sich mit Spinnereien über Islam-Esoterik die Zeit zu vergeuden. Wenn Sie es gelesen haben, könnten Sie vielleicht kurz berichten, mit welcher berümte WeltLiteratur dieses Muslim - Buch denn so gerne " gleichberechtigt " sein möchte? Vielleicht mit den Vorhersagen des Nostradamus? Gruss, Kritika
06.03.19
19:47
Tarik sagt:
Schon bei der Übersetzung von Ibn Rushds "Maßgebliche Abhandlung" hat Frank Griffel, Experte der islamischen Philosophie, hervorragende Arbeit geleistet. Er ist zusammen mit anderen zeitgenössischen internationalen Akademikern und Forschern mit dafür verantwortlich, dass das Bild von al-Ghazali als großen "Antiphilosophen" mittlerweile revidiert wurde.
17.03.19
17:41