Das niedersächsische Kultusministerium möchte den Lehrplan des islamischen Religionsunterrichts gegen den Willen des islamischen Beirats ändern. DITIB und Schura kritisieren diesen Schritt und fordern konstruktive Lösungen.
Neue Runde im Streit um den Islamunterricht an Grundschulen in Niedersachsen: Medienberichten zufolge habe das niedersächsische Kultusministerium ein überarbeitetes Kerncurriculum ohne die Zustimmung des Beirats für den islamischen Religionsunterricht, in dem Vertreter der DITIB und Schura sitzen, an den Landtag weitergegeben.
Demnach hatte der Beirat einen überarbeiteten Lehrplan bereits im April 2017 abgelehnt, „aufgrund von Bedenken gegen einzelne Formulierungen, darunter auch wegen des Hinweises auf die Berücksichtigung sexueller Vielfalt“, wie das Kultusministerium auf Anfrage von IslamiQ mitteilt. Die Kritikpunkte stehen aus Sicht des Landes Niedersachsen nicht zur Disposition. Eine endgültige Entscheidung blieb bis heute aus.
Das Ministerium habe geprüft, ob es sich bei den kritisierten Punkten überhaupt um theologische Grundsatzfragen handelt und ob somit der Beirat überhaupt gefragt werden muss. Ergebnis: Der Beirat sei nicht dafür zuständig, da es sich bei der Frage der Thematisierung von sexueller Vielfalt im islamischen Religionsunterricht nicht um eine „theologische Fragestellung“ handele.
Die Lehrpläne werden von einer Fachkommission erstellt, in die der Beirat nur beteiligt sei. Von einer „Umgehung“ des Beirates könne nicht im Geringsten die Rede sein, da ein Imam, als Vertreter des Beirats, bei der Erstellung des Kerncurriculums beteiligt war, welcher der vorgelegten Fassung uneingeschränkt zugestimmt habe, so das Kultusministeriums auf Anfrage von IslamiQ.
Dem Kultusministerium zufolge sei der Beirat „nicht für die Unterrichtsinhalte des islamischen Religionsunterrichtes verantwortlich“. „Dem Beirat obliegt, Stellungnahmen zu theologischen Fragestellungen – im Hinblick auf die erforderliche Übereinstimmung mit den Grundsätzen der von ihm vertretenen Moscheegemeinden – abzugeben.“ Um solche Fragen handelt es sich hier nach hiesiger Einschätzung des Ministeriums jedoch nicht.
Die Zurückhaltung des Beirats bezieht sich auf einzelne Formulierungen, darunter auch den Hinweis auf die Berücksichtigung sexueller Vielfalt. Weitere Kritikpunkte des Beirates seien laut Ministerium die „Betonung demokratischer Werte“ sowie „Gleichberechtigung von Jungen und Mädchen“. Dies wurde jedoch von DITIB und Schura dementiert.
Der Vorsitzende der Schura Niedersachsen, Recep Bilgen, zeige sich überrascht über die Entscheidung des Kulturministeriums. „Anstatt konstruktiv an einer Lösung zu arbeiten und die Position des Beirats verstehen zu wollen, wurde darauf bestanden, dass dem Curriculum in der aktuellen Version zugestimmt wird, ohne auf die Einwände des Beirats einzugehen“, erklärt Bilgen gegenüber der „NOZ“. Der Kontakt zu dem Ministerium habe sich immer wieder schwierig gestaltet.
Auch der DITIB-Landesverband Niedersachsen bedauere diesen Schritt. „Es ist selbstverständlich für uns, dass Menschen, egal welche sexuelle Orientierung sie haben, nicht diskriminiert werden sollen.“, erklärt DITIB-Geschäftsführerin Emine Oğuz der „NOZ“. Muslime in Niedersachsen wollen als vollwertiger Teil behandelt werden. Man dürfe „nicht immer ein fünffaches Lippenbekenntnis von Muslimen verlangen.“
Auf die Frage, ob das Kerncurricula der katholischen bzw. evangelischen Religionsunterricht in der Grundschule und in der Sek. 1 dahingehend ebenfalls geändert werden, antwortete das Ministerium, dass „alle Lehrpläne des Landes Niedersachsen werden nach und nach in diesem Sinne angepasst werden.“