Wegen des Nikab-Verbots an der Uni Kiel: Schleswig-Holsteins Koalition sucht nach einer gemeinsamen Linie. Die CDU will ein gesetzliches Vollverschleierungsverbot, die FDP dies die Hochschulen entscheiden lassen. Die Grünen lehnen eine Gesetzesänderung ab.
Schleswig-Holsteins Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und SPD ringt weiter um eine gemeinsame Haltung zur Vollverschleierung an Schulen und Hochschulen. Die FDP will per Gesetzesänderung entsprechende Verbote an den Hochschulen ermöglichen. Die Unis sollten selbst entscheiden können, ob sie Verbote erlassen, sagte FDP-Fraktionschef Christopher Vogt am Dienstag. Dafür sei jedoch eine Änderung des Hochschulgesetzes nötig. „Wenn man den Hochschulen die Regelungen überlässt, wäre dies ein Kompromiss.“ Am Mittwoch berät der Landtag über das Thema.
Die AfD hat einen Gesetzentwurf eingebracht, ins Landeshochschulgesetz ein Verschleierungsverbot aufzunehmen – und damit die Jamaika-Koalition unter Druck gesetzt.
Denn innerhalb der Jamaika-Koalition bleibt ein gesetzliches Schleierverbot umstritten. Während sich Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) für ein gesetzliches Schleierverbot an Schulen und Hochschulen ausgesprochen hat, sind die Grünen gegen eine Änderung des Hochschulgesetzes. Nach Ansicht des Regierungschefs passt eine Vollverschleierung nicht zu hiesigen Bildungsinstitutionen. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hatte der Kieler Christian-Albrechts-Universität wegen ihres Streits mit einer Nikab tragenden Studentin versprochen, als letzte Möglichkeit ein Schleierverbot im Landeshochschulgesetz zu prüfen.
„Die Autonomie der Hochschulen beinhaltet nicht die Möglichkeit, Verfassungsrechte einzuschränken“, sagte dagegen Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben am Dienstag.
CDU-Fraktionschef Tobias Koch sprach von einem offenen Diskussionsprozess im Regierungsbündnis. Er sehe bei den Grünen Bewegung. „Wir arbeiten an einer gemeinsamen Jamaika-Linie.“ Einen Koalitionsstreit gebe es aber „wirklich nicht“. Nun gelte es, die geplante Expertenanhörung zu dieser Frage abzuwarten. „Wir hoffen nach wie vor darauf, dass wir eine Gesetzesänderung hinbekommen.“
Die Jamaika-Forderung zunächst nach einer „Anhörung zum Gesichtsschleier“ wertete der AfD-Landtagsabgeordnete Frank Brodehl als Flucht: „Um diesen koalitionsinternen Streit möglichst gesichtswahrend aufzulösen, soll jetzt also eine Anhörung her und eine Sachentscheidung vertagt werden.“
Die SPD hält eine Gesetzesänderung für überflüssig. „Wir glauben, dass man die Dinge vor Ort regeln kann“, sagte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. Seine Fraktion vertrete mehrheitlich die Auffassung „Kopftuch ja, Verschleierung nein.“ Er sprach von einem Nicht-Thema. „Es steckt nur Provokation und nicht die Religionsfreiheit dahinter.“
Die Kieler Uni hatte einer muslimischen Studentin eine Vollverschleierung in Lehrveranstaltungen verboten. Auf dem Campus können Studierende aber eine Burka oder eine Nikab tragen, die nur einen Augenschlitz zulässt.
Nach Auffassung der Anti-Diskriminierungsbeauftragten des Landes, Samiah El Samadoni, ist das Vollverschleierungsverbot in Lehrveranstaltungen an der Kieler Uni ohne Rechtsgrundlage. Das Verbot per Richtlinie sei so nicht haltbar, rechtlich sei ein Verschleierungsverbot als Eingriff in die Religionsfreiheit nach Artikel 4 Grundgesetz nur durch oder aufgrund eines Gesetzes möglich. (dpa/iQ)