MUSLIMISCHE VORBILDER

Fatima al-Fihri – Gründerin der ersten Universität in Marokko

Vorbilder, die uns positiv stimmen, sind heute wichtiger denn je. In der neuen IslamiQ-Reihe möchten wir unsere Leser zu Autoren machen. Heute stellt Esra Gürbüz ihr Vorbild Fatima al-Fihri vor.

08
03
2019
Fatima al-Fihri © deadfeminists.com

Fatima al-Fihri – auch bekannt unter dem Namen „Umm al-Banîna“ (Mutter der Kinder) – ist die Gründerin der ältesten Universität (al-Qarawiyyîn) in Marokko. Im neunten Jahrhundert emigrierte Fatima‘s Familie von Tunesien in die Großstadt Fes, welche sich im heutigen Marokko befindet.

Als ihr wohlhabender Vater Muhammed al-Fihri verstarb, hinterließ er seinen beiden gut-gebildeten Töchtern, Fatima und Mariam, ein beträchtliches Vermögen. Die Schwestern setzten ihr ganzes Erbe für uneigennützige Zwecke ein. So ließ Mariam mit diesem Vermögen u. a. die „al-Andalus-Moschee“ erbauen und Fatima errichtete im Jahre 859 die „al-Qarawiyin-Moschee“ mit einer angrenzenden Universität (Madrasa). Über die Biografie von Fatima al-Fihri ist sehr wenig bekannt. Doch alleine die Tatsache, dass sie eine Universität errichtete, ist ein Zeugnis dafür, wie viel Wert sie auf Forschung und Erziehung gelegt hat.

Besonders vom zehnten bis zum zwölften Jahrhundert trug die al-Qarawiyîn Universität, als eine weltweit führende Institution im Bereich der Wissenschaft, zur kulturellen, intellektuellen und spirituellen Entwicklung der Großstadt Fes bei. So kamen berühmte Denker aus der islamischen Welt wie Muhyi ad-Dîn Ibn al-Arabî (1165-1240 n. Chr.), Ibn Rushd (Averroes) (1126-1198 n. Chr.) oder Ibn Haldûn (1332- 1395 n. Chr.) nach Fes, um an der al-Qarawiyîn Universität zu studieren.

Universität als Dialogstätte

Ihre wissenschaftlichen Arbeiten hatten zum einen den Zweck, verschiedene Meinungen zu vereinen und zum anderen eine Brücke zwischen der muslimischen- und der christlichen Welt zu schaffen. Der wissenschaftliche und kulturelle Dialog ermöglichte europäischen Gelehrten ein Studium an der al-Qarawiyîn Universität, die anschließend das erlernte Wissen nach Europa trugen. Der Gelehrte Gerbert d’Aurillac, auch bekannt als Papst Silvester II. (946-1003 n. Chr.), der die arabischen Ziffern in Europa einführte, hat ebenfalls an der besagten Universität studiert. Europäische Gelehrte interessierten sich im Besonderen für die Lehre der Logik, der Medizin und der Astronomie. Sie übersetzten Werke vom Arabischen ins Lateinische, welche dann im europäischen Raum als Lehrbücher verwendet wurden.

Muslimische Frauen gestalten gesellschaftliche Prozesse mit

Zur Gründungszeit war al-Qarawiyîn die erste Universität, die akademische Grade verlieh. Bis heute noch bietet sie sowohl Bachelor- und Master- Studiengänge, als auch Promotionsmöglichkeit an.

Für mich ist Fatima al-Fihri ein Vorbild, weil sie ein Erbe hinterließ, wovon die Menschen noch heute profitieren. Dies gelang ihr nicht nur durch den uneigennützigen Einsatz ihres privaten Vermögens, sondern auch ihrer Weitsicht. Sie widerlegt deutlich das gängige Vorurteil „der unterdrückten Frau“ im Islam. Ihr Engagement für die Gesellschaft zeigt, wie autonom und selbstbewusst muslimische Frauen gesellschaftliche Prozesse mitgestalten konnten. Doch Fatima al-Fihri ist nur ein Beispiel unter vielen weiteren inspirierenden muslimischen Frauen in der Geschichte und der Gegenwart.

Leserkommentare

Tarik sagt:
Richtig ist, dass die Frau in früheren Zeiten in der islamischen Welt sehr wohl am öffentlichen Leben teilgenommen hat, sowohl im profanen Bereich (viele waren als selbständige Händlerinen unterwegs, bis zu 40% der öffentlichen Stiftungen (waqf) wurden von Frauen finanziert) aber auch im geistigen Bereich: Es trifft zu, dass eine Frau nicht Vorbeterin/Imamin in einer Moschee sein konnte und die Frauen in einen separaten Bereich bete(te)n. Aber im traditionellen Islam ist die Rolle des Imams lediglich die eines Funktionärs. Vorbeten kann nämlich im Grunde jeder, das ist nichts besonders. Weitaus mehr Einfluss hatten die sufischen Orden, in denen es oftmals einerseits nicht diese strenge Trennung gibt und zweitens sogar Frauen Sufiorden leiten konnten (was nicht häufig, aber immer wieder vorkam). Und der Sufismus war nie eine "exotische Randerscheinung", sondern fest im Volksislam verwurzelt. Der Verlust ihres Einflusses durch die innerislamische Polemik gegen die Mystiker (sowohl durch rationale Reformer als auch durch Salafisten) ist gleichzusetzen mit dem Niedergang der Spiritualität im Islam. Islam Minus Spiritualität gleich Islam a la Saudi Arabien.
17.03.19
17:33
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