Jede werdende Mutter hat Sorgen. Doch nicht allen wird in den hochschwangeren Bauch geboxt. Das passierte einer Muslimin in Berlin. Unsere Autorin hat eine junge muslimische Mutter getroffen und ihre Sorgen festgehalten.
Ein Kind zu bekommen ist häufig mit Sorgen verbunden. Sind die Öko-Windeln wirklich die besten für mein Kind? Soll ich es impfen lassen? Soll man BLW ausprobieren, wenn es Zeit für Beikost ist? Welchen Kindergarten, welcher Kurs für die musikalische Früherziehung, welche Schule? Wie soll ich meinem Kind die wirklich wichtigen Werte im Leben vermitteln? Respekt, Empathie, Mitgefühl, Liebe. Wie kann ich mein Kind bei einem selbstbestimmten Leben unterstützend begleiten?
Das sind Fragen, die Mütter heutzutage beschäftigen, ganz gleich welche Hautfarbe oder Religion sie haben. Doch die sichtbaren muslimischen Mütter müssen sich noch andere Sorgen um ihre Kinder machen. Denn in Deutschland werden manche Kinder schon im Babybauch angegriffen.
„Kleine Invasoren“
Für Rechtsextremisten weltweit stellen Babys eine Bedrohung dar. Für sie sind die Babys muslimischer Eltern „Invasoren“. 50 cm große und 3.500 Gramm schwere Invasoren mit Teddybären. Diese perverse Gefühlslage legt der Täter vom Massaker in Christchurch in seinem widerlichen Manifest offen. Er spricht von Geburtenraten, die die „weiße Rasse“ bedrohen. Er wollte mit der Ermordung von 51 Unschuldigen, darunter auch Kinder, weitere Menschen „inspirieren“. Anscheinend hat er sofort einen Anhänger gewonnen: ein Mann, der in Berlin eine kopftuchtragende schwangere Frau in den Bauch geboxt hat.
Permanente Angst
Nun stellt sich die Frage: Wie hasserfüllt muss ein Mensch sein, um ungeborene Babys oder Kinder anzugreifen? Wie krank muss ein Mensch sein, um ein zweijähriges Mädchen einer Rechtsanwältin mit dem „Abschlachten“ zu drohen, wie es bei NSU 2.0 der Fall ist. Und wie blind muss ein Mensch sein, um zu behaupten, es gäbe kein islamfeindliches Klima in Deutschland?
Es gibt inzwischen kopftuchtragende Frauen in diesem Land, die Bedenken haben, wenn sie die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Sie sind sich nicht sicher, ob die Person, die neben ihnen sitzt, ein Rechtsextremist ist.
A. ist eine von ihnen. Wenn sie zu Fuß unterwegs ist und ihr auf der Straße ein Mann entgegenkommt, bereitet sie sich auf einen möglichen Angriff vor. Bis der Mann vorbeigeht. Dann schaut sie nach hinten, ob der Mann wirklich weitergeht oder sie verfolgt. Sie trägt ein Kopftuch. Eine perfekte Zielscheibe für Rassisten. „Ich weiß, es ist pauschalisierend, aber ich habe einfach diese Angst. Ich habe die Befürchtung, dass ich von hinten angegriffen werde. Dass mein Kopftuch vom Kopf gerissen wird oder ähnliches.”
Sie berichtet weiter: „Ist die Straße leer, wird meine Angst größer. Hat die Person einen aggressiven Gesichtsausdruck, wird meine Angst größer. Wenn ich alleine bin, wird meine Angst größer. Wenn ich mit meinen Kindern bin, ist meine Angst am Größten.“ Sie will nicht, dass ihre Kinder Zeugen eines möglichen Angriffs auf sie werden. Oder sie selber angegriffen werden.
Angst, die berechtigt ist. Denn wie viele Gefährder es aus der rechtsextremen Szene in Deutschland wirklich gibt, ist unbekannt. Die potenziellen Täter laufen frei herum. Rechtsextremismus wird weitgehend verharmlost, wie der sogenannten „Amoklauf“ in München letztes Jahr. Die Ermittler leugnen bis heute einen rechtsextremistischen Hintergrund, obwohl der Täter laut eines Gutachters ein solches Weltbild hatte.
Während in Deutschland die Namen wie Ramazan Avcı, Marwa el Sherbini, Solingen, Mölln oder NSU von einigen als Märchen wahrgenommen werden, liest A. inzwischen Bücher, informiert sich, was sie machen kann, wenn man mit Rassismus konfrontiert wird: „Ich mache mir Sorgen um meine Kinder. Denn ich muss ihnen erklären, wie sie handeln sollen, wenn sie selber oder ihre Mutter rassistisch angegriffen werden.“
Die Sorgen fangen für Mütter schon an, wenn das Baby noch im Bauch ist. Für muslimische Mütter vielleicht sogar doppelt und dreifach. Ob diese Sorgen je ein Gehör finden werden? Unklar. Fakt: Die eigentlichen Invasoren sind Rassisten, die ungeborene Babys angreifen.