Terror in Christchurch

Wie sollen Muslime auf Terror reagieren?

Die Trauer nach Christchurch ist nach wie vor groß, so wie die Wut. Was sagt der Koran, wie man sich nach einem Schicksalsschlag verhalten soll? Und wie sieht der Alltag in einer Moschee jetzt aus? Der Berliner Imam Ferid Heider hat es niedergeschrieben.

23
03
2019
Christchurch-Opfer © Facebook, bearbeitet by IslamiQ.
Christchurch-Opfer © Facebook, bearbeitet by IslamiQ.

„Ist das ein Computerspiel?“. Das war mein erster Gedanke als ich das Video vom Terroranschlag in Neuseeland gesehen habe. Erst als ich die Meldungen sah, wurde mir klar, dass es sich hierbei um eine aufgezeichnete Live-Übertragung auf Facebook handelte. Eine Aufzeichnung, die eine der schlimmsten Terroranschläge der letzten Jahre übertrug.

Ich stand, wie viele andere, den gesamten Tag unter Schock. Meine Frau war gar nicht mehr anzusprechen. Ich bin als Imam tätig und hatte meine Predigt schon vorbereitet. Mir war klar, dass man über diesen Vorfall sprechen musste. Die Gemeinde wird von ihren Imamen eine Antwort erwarten. Wie soll man auf dieses Massaker reagieren? Mit Wut? Trauer? Gewalt? Was kann man als Muslim konkret tun? Hilflos zuschauen? Demonstrieren? Ja, muss man sich vielleicht sogar Sorgen machen, dass so etwas auch in Deutschland passieren könnte? Es ist kein leichtes Unterfangen, all diese Fragen zu beantworten. Zumal man selbst noch keine klaren Gedanken fassen konnte. Aber die Aufgabe eines Imams ist es nun einmal, in solchen Situationen die Gemeinde zu führen und Antworten zu geben.

Sind unsere Moscheen sicher?

Die erste Frage, die sich sicherlich viele gerade an diesem Freitag gestellt haben, war, ob es überhaupt noch sicher ist, in eine Moschee zu gehen. Mehrere Personen haben mich an diesem Freitag gefragt, ob man nicht die Sicherheitsvorkehrungen in den Gemeinden erhöhen müsste. Und ob es nicht fahrlässig sei, keinen Polizeischutz zu haben. Auch wenn ich mich an diesen Gedanken einer bewachten Moschee nicht anfreunden kann und will, steht für mich außer Frage, dass sich gerade die muslimischen Religionsgemeinschaften und Moscheevorstände ernsthafter denn je mit der Sicherheitsfrage und dem Schutz der Gebetsstätten auseinandersetzen müssen. Sie tragen nämlich eine Verantwortung gegenüber den Gläubigen, welche ihre Einrichtungen besuchen.

Gleichzeitig muss man sich aber darüber im Klaren sein, dass selbst der beste Polizeischutz einen Anschlag nicht komplett verhindern kann. Das haben wir leider bei Anschlägen auf gut bewachte jüdische Einrichtungen schon mehrfach erleben müssen.

Umso wichtiger ist es für uns Muslime, in solchen Momenten ganz bewusst die sechste Säule des Glaubens, den Glauben an das Schicksal, die Vorherbestimmung Gottes, ins Gedächtnis zu rufen. Denn diese Glaubenssäule lehrt uns, dass uns kein Unglück treffen kann, ohne dass dies vorher in einem Buche niedergeschrieben wurde.

Somit wird dem Muslim der Gang zu seiner Gebetsstätte trotz drohender Gefahr erleichtert. Der offene offenen Diskurs mit der Politik über die Sicherheit muslimischer Einrichtungen darf hierbei – wie gesagt – niemals vergessen werden. Ganz im Sinne des Hadithes: „Binde dein Kamel an und dann vertraue auf Allah!“ (Tirmizî)

Da Trauer jedoch sehr schnell in Wut, Zorn und Hass übergehen und starke Rachegedanken hervorrufen kann, stellt sich die sehr essenzielle Frage, wie Muslime adäquat mit diesem Ereignis umgehen sollten.

Im Koran findet sich hierzu folgende Antwort:

„… Und der Hass, den ihr gegen (bestimmte) Leute hegt, weil sie euch von der geschützten Gebetsstätte abgehalten haben, soll euch ja nicht dazu bringen zu übertreten. Helft einander zur Güte und Gottesfurcht, aber helft einander nicht zur Sünde und feindseligem Vorgehen,…“ (5:2)

Offenbart wurde dieser Vers nach dem die Muslime im 5. Jahr nach der Hidschra von der Ausführung der ʿUmra abgehalten wurde. Ibn Abî Hâtim überliefert:

„Als der Gesandte Allahs (s) und seine Gefährten bei al-Hudaybiya waren, wo sie von den Polytheisten daran gehindert wurden, Mekka zu betreten, setzte dies seinen Gefährten enorm zu. Als sie dann einige Polytheisten aus dem Osten kommend sahen, die die ʿUmra in Mekka vollziehen wollten, sagten sie sich: ‚Wir hindern sie an der Anreise, ebenso wie wir daran gehindert wurden!‘ Da offenbarte Allah diesen Vers.“

Wut und Hass dürfen niemals zu unüberlegtem Handeln oder gar zu Unrecht führen. Der Koran verlangt von den Muslimen, an bestimmten moralischen Maßstäben festzuhalten und nicht die falschen Maßstäbe der anderen zu adaptieren.

Ebenfalls darf die Wut über den Hass der Täter nicht dazu führen, dass Muslime verallgemeinern und alle über einen Kamm scheren. Der Koran verlangt vielmehr, immer zu differenzieren. So heißt es in der dritten Sure über die Leute der Schrift:

„Sie sind nicht (alle) gleich“ (3: 113) und zählt die guten Eigenschaften der Schriftbesitzer auf.

Die richtige Antwort auf diese Anschläge ist positiver Aktivismus!

Muslime sollten ihre Energie dafür nutzen, die Ursachen für solch einen blinden Hass und die daraus resultierende Gewalt auszumerzen. Hierzu gehört es klare Forderungen an die Politik zu stellen. Es müssen nämlich schnelle und wirksame Maßnahmen gegen den in der Gesellschaft grassierenden antimuslimischen Hass ergriffen werden. Übergriffe auf Muslime und islamische Institutionen müssen konsequent geahndet und auch deutlich als islamfeindlich motivierte Straftaten gewertet werden.

Die muslimischen Religionsgemeinschaften müssen hierfür stärker denn je ihren Einheitsprozess vorantreiben, um mit einer Stimme ihren Druck auf die Politik erhöhen zu können. Und letztendlich gilt es jetzt noch intensiver mit all jenen gesellschaftlichen Gruppen zusammenzuarbeiten, denen eine weltoffene, tolerante, gewaltfreie und gerechte Gesellschaft genauso wichtig ist, wie uns.

 

Leserkommentare

Miguel sagt:
Üben die muslimischen Religionsgemeinschaften stärker denn je ihren Druck auch auf die Politik in islamischen Gottesstaaten aus, damit auch dort eine weltoffene, tolerante, gewaltfreie und gerechte Gesellschaft wahr werden kann?
23.03.19
17:48
Kritika sagt:
Sehr geehrter Imam Friedrich Heider. Was mir bei den gezielt muslemischen Anschlägen, von 9/11 bis gerade eben Utrecht / Niederlande vor ein paar Tagen, auffällt ist, dass die Rolle Allahs dabei nicht im Geringsten tematisiert wird. Wie stellen Sie, als Allahs Vertreter auf Erden, sich dessen Verhalten vor? Beobachtet Allah uns nur, so etwa wie wir am Fernseher? Vergleicht Allah das Geschehene mit seinen Vorhersage-Notizen, in seinem Office, wo das grosse Vorhersage Tierfell an der Wand hängt? Was bewegt Allah nicht einzugreifen, zu Verhindern, wo er doch alles kann und weiss? Können Sie sich vorstellen, welche Strafe ein Gericht für das Wissen um- und das Nichtverhindern von zB den von "Gläubigen " verübten Massaker von NewYork, Niza, Kopenhagen, Berlin, Barcelona, Amsterdam, Brussel, London, Paris, Utrecht? Wusste Allah, was der Mufti von Barcelona Böses im Schilde führte und hat Allah ihm bewusst in die Luft gejagt? Vor einiger Zeit kam in Islamiq ein renommierter und anerkannter Muslimischer Koran-Forscher zu Wort. Er befürwortete, aus dem Koran die Hasstiraden gegen Ungläubige zu streichen, weil sie sich - seiner Meinung nach - nicht auf die heutige Ungläubigen beziehen. Der Bericht verschwand auffällig rasch. Wie stehen Sie, geehrter Imam Friedrich Heider, einer zeitgemässen Anpassung des in Deutschland vertriebenen Koran gegenüber? Gruss, Kritilka
26.03.19
22:15
Harousch sagt:
Eine Frage, die sich wahrscheinlich jeder nach außen erkennbare Muslima bzw. Muslime gestellt haben wird und das nicht ohne Grund. Es geht hier in ersterlinie nicht um den Alltagsterror an der Bäckereitheke, im Klassenraum, an der Bushaltestelle oder im Büro, viel mehr geht es um den Terror mit lebensbedrohlichen Folgen für Freunde und Verwandte und es geht um den Terror gegen die Schwächen der muslimischen Gemeinschaft, also um die Omas, Opas und den Kindern und Jugendlichen, die sich verbal nicht zur Wehr setzen können. Es geht aber auch um den Terror, der uns in unseren Gebetsräumen, Hochzeitssälen und Kindergeburtstagen erwarten könnte, wenn wir weiterhin die christliche Botschaft Jesu mit dem Hinhalten der anderen Backe praktizieren werden. Jetzt gilt es wirklich wachsam zu sein und sowohl rechtlich als auch mit Wo-Manpower in der Öffentlichkeit aufzutreten und sich zu formieren. Der Attentat von Christchurch wird sicherlich auch bei uns früher oder später Nachahmer finden. Jetzt sollten sich die einzelnen Gemeinschaften ernsthafte Gedanken um die Gewährleistung der Sicherheit der Gemeindemitglieder machen, ohne Hoffnung auf irgendeine Unterstützung seitens der zuständigen Institutionen, Behörden und Ministerien. Es gibt sicherlich sehr viele Menschen in Deutschland, die einen Attentat auf Muslime nicht befürworten, aber das sind allenfalls Zivilpersonen, die sich höchstens in Internetforen echauffiert zeigen werden. Den Alt-Deutschen fehlt da leider die Revolutionsader, was in Frankreich zum Beispiel ganz anders ablaufen würde. Die Alt-Deutschen haben sich in struktureller Vormundschaft schon immer am liebsten aufgehalten. Und die paar Individuen mit genügend Potenzial für ein Gegengewicht sind leider entweder tot oder gegenwärtig unzureichend. Das müssen die Muslime nun selbst leisten und zur Abwechselung auch mal politisch aktiv werden bzw. Ihre Rechte breitflächig einfordern und nicht nur diejenigen mit akademischem Grad oder starkem Sinn für Gleichberechtigung.... Hiermit sind nicht unbedingt Gruppierungen wie die verbotenen Osmanen Germania gemeint, die in solchen Situationen wahrscheinlich die passendste Antwort liefern würden. Gemeint sind auch Bürgerwehre und ähnliche Truppen.... Lieber Herr Heider ihre Ratschläge sind sicherlich wohlgemeint und im Sinne einer Friedensaufrechterhaltung nach koranischen Maßstäben auch vernünftig, aber bei allem nötigen Respekt würde Allah auch nicht wollen, dass wir uns von irgendwelchen Egoschootern, denen jeglicher Sinn und jede Achtung für die und vor der Menschlichkeit fehlt, niederschiessen lassen sollen, andernfalls hätte Allah uns mit dem Selbsterhaltungstrieb nicht ausgestattet und unser Prophet hätte sich damals die Hände nicht dreckig gemacht, wenn es nicht gerade darum gegangen wäre. Wenn alle Stricke reißen und die Politik uns unsere Rechte nicht sichern kann/möchte, dann müssen wir das Dilemma womöglich nicht unbedingt mit Gandhi 2.0 lösen?
29.03.19
15:41
Kritika sagt:
L,S. Obern steht geschrieben: " um so wchtiger ist es für uns Muslime, in solchen Momenten ganz bewusst die sechste Säule des Glaubens, den Glauben an das Schicksal, die Vorherbestimmung Gottes, ins Gedächtnis zu rufen. Denn diese Glaubenssäule lehrt uns, dass uns kein Unglück treffen kann, ohne dass dies vorher in einem Buche niedergeschrieben wurde. Verstehe: Der Amokläufer soll sein Plan nebst seine Argumente in einem vielseitigen Pampflet geschrieben haben. Nichts Weniger eine Kopie von was auf Allahs Tierhaut ja auch bereits stand. Dann träfe dem Amokläufer keine Schuld, denn, wer Allahs Befehle ausführt , quasi als Komplize Allahs, dem trifft - aus Islamischer Sicht - keine Schuld; er gehorchte dem Alles Wisser, alles Könner. Genauso wenig , wie ein Tatmesser bestraft wird, es Tatwerkzeug war, kann man dann das Tatwerkzeuig Amokläfer bestrafen. Und wie man Allah für Anstiftung zm Mord zur Verantwortung zieht, das sprengt mein simple Islam-Wissen. Das oben geschriebene führt unweigerlich zu "Allah ist (mit ) schuld. Simple Islamgläubige ist eingebläut, dass Allah keine Verbrechen begeht oder dazu anstiftet. Diese Ableitung ist also widersprüchlich. --- Kritika bietet eine widerspruchslose Erklärung. Der
30.03.19
23:18
Kritika sagt:
Nach der Störung geht es weiter: Kritika bietet eine Widerspruchslose Lösung dieses Paradoxons: Der Australische Amokläufer habe - wie Kritika - in Australische Zeitungen gelesen, dass in der Bevölkerungs- Anteil der Muslimen sich in den letzten 10 Jahren verdoppelt hat. Das machen die Muslims auf 2erlei Weise: 1) durch überhöhte Geburten Rate, auch bekannt unter " Karnickelmetode " 2) durch Zuzug aus Islamische Katrastofen-Staaten. Der Amokläufer hat diese Daten sicher gewusst und sie möglicherweise als Bedrohung empfunden. 3) Die Australier können Muslims nicht leiden ( Ich habe zwar keine Begründung gefunden, ob aus den selben Gründen, aber ich mag die Muslims auch nicht. Der Löwenanteil der Deutsche Bevölkerung mag sie auch nicht. Der Löwenanteil der Europäische Bevölkerung mag sie auch nicht. Ob es andere oder weitere als diese Argumente waren, wird ein Gericht klären. ----- Weitere, entscheidende Annahme: Allah gibt es nicht, Er ist lediglich ein von Generation zu Generation weitergereichtes Fantom. Ich kenne 100 Argumentefür : "Allah gibt es nicht " Aber kein einziges Argument dass es Allah (auch nur eventuell ) geben könnt Das Gehirngespinnst " Allah" hat also nichts mit dem Amokläufer zu tun. Der Amokläufer war einfach jemand der Muslims ablehnt, die kriminelle Energie besass, und die lasche Waffengesetzte ausnützte soviel er konnte zu töten. Das Leid, dass er anrichtete wird durch der Einsicht: Allah hat damit nichts zu tun, weil es ihm nicht gibt. nicht anders. Ich wünsche den Angehörigen von Maria Ladenburger, die in Freiburg von einem Muslim vergewaltigt- und danach ertränkt wurde, Und den Angehörigen des Muslimischen Terror in Nizza Berlin London Stockholm Brussel Paris New York - - - und nun auch New Zealand Sterkte, diese Verbrechen an ihren Angehörigen zu verarbeiten. Ich meine: Ohne Islam wären viele ermordete Menschen noch am leben, auch die in New Zealand. Ohne Islam wäre Deutschland und die Welt weitaus friedlicher. Gruss, Kritika
31.03.19
0:26
Kritika sagt:
L.S. Die tieftraurige Eltern der Studentin und Freiburgerin Maria Ladenburger, welche von einem Muslim vergewaltigt, und danach ertränkt wurde - - - - haben die Stiftung "Maria Ladenburger" in's Leben gerufen Dadurch wird ihr studentisches, auf ihre Zukunft gerichtetes Leben weiter in Erinnerung bleiben. In dieser Weise bewältigen ihre Eltern das Verbrechen eines von einem inzwischen rechtskräftig verurteilten Muslim ihre Trauer Auch die anderen unzähligrn Muslimische Opfer haben trauernde Angehörige. Nun auch die ermordeten New Zealander. traurich, Kritika.
31.03.19
0:58