100 Tage nach der Wahl

„Muslimische Basis achten und unterstützen“

Vor 100 Tagen wurde Ümit Vural zum IGGÖ-Präsidenten gewählt. Im IslamiQ-Interview zieht er eine erste Bilanz und spricht über seine Arbeitsfelder, das aktuelle Bild der Muslime und seine Beziehung zur österreichischen Regierung.

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03
2019
IGGÖ-Präsident Ümit Vural Islamische Gemeinschaft Gaza
IGGÖ-Präsident Ümit Vural

IslamiQ: Vor 100 Tagen wurden Sie zum IGGÖ-Vorsitzenden gewählt. Wie würden Sie die ersten 100 Tage beschreiben? Was haben Sie vorgefunden, womit Sie gerechnet bzw. nicht gerechnet haben?

Ümit Vural: Es waren sehr intensive, erschöpfende, aber auch produktive 100 Tage. Eine Institution wie die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) hat viele Facetten, viele Ebenen und Schichten, und diese Schichten kann man erst mit der Zeit offenlegen. Insofern ist es ein beständiger Lernprozess und eine Herausforderung eben alle Aspekte, alle Facetten der IGGÖ einer Modernisierung und Professionalisierung zu unterziehen. Aber so unlösbar die Aufgabe manchmal erscheint, so motiviert bin ich an jedem neuen Tag, den Muslimen Österreichs jene Glaubensgemeinschaft zu geben, die sie verdienen.

IslamiQ: In Ihrer Antrittsrede haben Sie gesagt, dass sich die IGGÖ „tiefgründig verändern und reformieren müsse“. An welchem Punkt dieser Reform stehen Sie heute? 

Vural: Wir stehen am Anfang dieses wichtigen Prozesses, denn eines ist klar: Reformen sind schnell gefordert, aber nur schwer umgesetzt. Das gilt nicht nur für die Glaubensgemeinschaft, sondern für jede Organisation. Aber ich glaube, selbst mit den ersten Änderungen und einer motivierten Mitarbeiterschaft war es uns möglich, bereits in den ersten 100 Tagen den Muslim einen Vorgeschmack darauf zu geben, was alles möglich ist, wenn man die Strukturen den Herausforderungen der Zeit anpasst. Da ist die Stelle für Medien und Öffentlichkeitsarbeit nur ein kleines Beispiel.

IslamiQ: Was sind die wichtigsten drei Arbeitsfelder?

Vural: Wichtig ist vor allem die Öffentlichkeitsarbeit: Wir haben als Muslime und islamische Vereine und Verbände vieles verschlafen und müssen jetzt dringend nachholen.

Hinzukommt die Rechtsberatung, denn viele Moscheegemeinden oder eben einzelne Muslime brauchen oft schnelle, praktische Hilfe und haben nur wenig Geld zur Verfügung. Da müssen sie in der Glaubensgemeinschaft eine Anlaufstelle haben, um zumindest in dringenden Fragen, Auskunft zu bekommen.

Nicht zuletzt ist die Verbundenheit zwischen Zentrale und Basis sehr wichtig. Wir dürfen es nicht als selbstverständlich erachten, dass die muslimische Basis, die Moscheegemeinden da sind. Die Basis muss geachtet werden, gestärkt werden, unterstützt und respektiert werden. Daher habe ich eine Koordinationsstelle in der IGGÖ eingerichtet, die die Moscheegemeinden des Landes besucht und mit Rat und Tat, Hilfe leisten soll.

IslamiQ: Wie würden Sie das aktuelle Bild der Muslime in der österreichischen Gesellschaft beschreiben?

Vural: Die Politik und leider zu viele Medien haben ein schlechtes Bild der Muslime in der Öffentlichkeit gezeichnet. Das ist im Grunde schon eine Karikatur. Aber es ist an uns, ein Gegenbild zu entwerfen und mit viel Geduld, Arbeit, aber auch Kreativität das auch zu schaffen.

IslamiQ: Die Beziehung zwischen der österreichischen Regierung und den Muslimen ist sehr angespannt. Woran sehen Sie Ihre Aufgabe?

Vural: Die IGGÖ ist die Interessensvertretung der Muslime im Land. Wenn eine Bundesregierung antimuslimische Stimmung bedient, so ist es meine Aufgabe, darauf hinzuweisen, die Politik zu ermahnen und in letzter Konsequenz auch rechtliche Schritte zu prüfen, wenn die elementaren Bürgerrechte und die Würde muslimischer Österreicher attackiert wird.

IslamiQ: Erst die Moscheeschließungen, dann der Zeugnis-Skandal. Wie können Muslime mit den populistischen Vorstößen der Regierung umgehen?

Vural: Mit Geduld, Besonnenheit und einer klaren Strategie. Denn eines ist klar: Fordern kann die Politik viel, doch dabei darf sie eben den Boden der Verfassung und des Rechtsstaates nicht verlassen.

Das Interview führte Muhammed Suiçmez.

Leserkommentare

Harousch sagt:
Sehr sachlich besonnen und bedacht nimmt Herr Vural Stellung zu den gestellten Fragen und der gegenwärtigen Situation der Muslime in Österreich und räumt Fehler der Vergangenheit ein. Bleibt abzuwarten wie lange er dem unheimlichen Druck der Populisten in Österreich standhält und wie stark die anderen Mitglieder der IGGÖ sind und in wie weit es ihm gelingt diese richtungsweisend zu dirigieren. Viel Erfolg bei diesem und weiteren staatsbürgerlichen Akten kann man ihm nur wünschen!
27.03.19
20:30
Kritika sagt:
L.S. "Herr Vural: Die Politik und leider zu viele Medien haben ein schlechtes Bild der Muslime in der Öffentlichkeit gezeichnet." ---------- LügenPresse?, ein unverdient schlechtes MuslimBild? Nein, das sagt Herr Vural nicht, denn dann hätte er gesagt :"ein zu schlechtes Bild" Hat er aber nicht. Der Mann ist kein SchönRedner. --- Kritika's Rat: Übt man Bescheidenheit, Ihr lieben Muslims, Zieht nicht ständig vor Gericht, Lasst das Kopftuch sein usw. Nimmt Euch die vielen friedlichen Sekten zum Vorbild, die alle sympatischer abschneiden als der Islam Dann klappt 's auch mit " " dem Bild der Muslims in der Öfffnetlichkeit". Viel Erfolg in Ihrem Amt und mit der Umsetzung zu einen als sympatisch wahrgenommenen Islam, wünscht Ihnen Kritika Gruss, Kritika
29.03.19
11:12
Frederic Voss sagt:
"Wenn eine Bundesregierung antimuslimische Stimmung bedient", wie hier zu lesen ist, so gilt es solches natürlich zu prüfen und gleichzeitig darauf hinzuweisen, daß führenden Funktionsträgern der IGGÖ demokratiefeindliche Positionen vorgeworfen wurden. Auch wird kritisiert, daß IGGÖ radikale Kräfte unterstützen und eine große Nähe zur türkischen Regierung pflegen würde. Der Professor für islamische Religionspädagogik Ednan Aslan bezeichnete die IGGÖ sogar als "außenpolitische Organisation der Türkei", 2017 dokumentierte eine Universitätsstudie, daß die IGGÖ unter Einfluß der islamistischen Muslimbrüder stehe. Von daher ist es nur recht und billig, diese IGGÖ-Glaubensaktivitäten genau zu beobachten und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Mediale Berichterstattung über den Islam gilt es genauso zu beachten. Auch z.B. aktuelle Horror-Meldungen über Scharia-Gesetzgebung im muslimisch beherrschten Brunei-Erbmonarchie-Staat mit barbarischen Auspeitschungen, Verstümmelungen und mittelalterlichen Steinigungs-Todesstrafen für Nicht-Heterosexuelle sind als großes Alarmzeichen unbedingt zu berücksichtigen. Denn da hört jegliches Verständnis oder Toleranzverhalten absolut auf.
29.03.19
21:35
grege sagt:
Die Igmg ist eine Organisation, die in früherer Zeit durch antisemitische Hasstiraden aufgefallen ist. Nicht umsonst ist die Organisation zu Recht vom Verfassungsschutz beobachtet wordenMittlerweile sind solche Vorfälle nicht mehr bekannt, ob aus Einsicht oder Vorsicht bleibt zu abwarten. Allerdings ist auch diese Organisation eng mit dem Islamrat sowie auch außerhalb Deutschlands mit der AKP vebandelt. Hier zeigt sich einmal mehr das Manko der deutschen Muslime, denen eine verlässliche und vertrauenswürdige Repräsentanz fehlt.
01.04.19
19:26
Harousch sagt:
Den Muslimen fehlt keine vertrauenswürdige Repräsentanz, sie brauchen aus islamischem Selbstverständnis heraus schlichtweg keine, da sie keine Lämmer sondern heterogene Individuen mit einem starkausgeprägten Sinn für Selbstbestimmung sind. Diese Tatsache ist deshalb und viel mehr als Stärke anzuerkennen. Desweiteren zeugt diese mehr als mündige Haltung von Autonomie, was die Notwendigkeit einer Führung bzw. Leitung respektive Repräsentanz, wozu eher die blökenden Lämmer der Gesellschaft tendieren, überflüssig macht. Ein offizieller Dachverband ist aber seitens des geltenden Rechts wiederum eine Voraussetzung für die Kooperation zwischen Klerus, Gemeinde, Glaubensgemeinschaft bzw. Releigionsgemeinschaft und Staat, was die Lage bei gewissen Themen wie IRU, Islamische Feiertage, Arbeitsrecht, Gesundheitswesen usw. für die hiesigen Muslime mehr als schwierig gestalten lässt. Die Frage bleibt jedoch weiterhin, wieso diese Gegebenheit immer wieder zum Anlass genommen wird, um gutgemeinte Ziele, Vorhaben und Projekte, welche das Zusammenleben deutlich verbessern würden, scheitern zu lassen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg und gerade an dem Willen scheint es hier zu scheitern! Und was wäre, wenn man einen islamischen Dachverband wirklich als offiziellen und ebenbürtigen Partner erkennen würde? Was kommt danach? Eine islamische Partei, die sich ihren Weg in den Bundestag bahnt? Ein muslimischer Minister gar Kanzler? Gleichberechtigung für alle Menschen in Deutschland? Endgültige Entnazifizierung Deutschlands auf Ewigkeit?
04.04.19
20:24
Kritika sagt:
L.S. "Eine islamische Partei, die sich ihren Weg in den Bundestag bahnt " ? Ein muslimischer Minister gar Kanzler? - - - davon träumt Harousch Die Mufties werden sich hüten. Niemand hindert den Muslims daran, als islamische Partei, an Wahlen teilzunehmen. In Frankreich und Belgien gibt es bereits seit vielen Jahren solche Parteien. Seit ebenso viele Jahren krebsen diese MuslimParteien an der Mindest erforderlichen Wähler Zahl herum. Damit sind die Muslims dort zurecht völlig bedeutungslos, was Kritika natürlich erfreut. Deutsche Mufties wissen das natürlich und wollen sich nicht öffentlich blamieren. Deshalb gibt es hier keine Muslim Partei. Träum süss weiter, von einer MuslimKanzlerin ( mit Kopftuch oder noch besser mit Burka ) , sehr verehrter Harousch. Gruss, Kritika.
06.04.19
0:09
grege sagt:
Offensichtlich folgt hier auf dem Fuß eine lückenlose Fortsetzung zum Thema Andalusien, wenn der derselbe Mitdiskutant das notwendige Maß an Realitätssinn ausschließlich durch Wunschdenken zu ersetzen versucht. Anders ist nicht zu erklären, dass die ewige Kontroversen und Rivalitäten zwischen Ditib, ZMD, IGMG /Islamrat sowie das „Hauen und Stechen“ mit anders gesinnten Islamvertretern von diesem Mitdiskutanten als „Stärke“ ausgelegt werden. Wenn diese Art von „Kooperation“ allen Ernstes mit einer geballten Ladung von dümmlicher Arroganz als islamisches Selbstverständnis gepreist wird , ist dem Mitdiskutanten eine Fortbildung in Sachen Betriebs- und Arbeitsorganisation angeraten. Jeder selbst organisierte Verein, egal ob beispielsweise Angler-, Kaninchenzüchter-, Kleingarten- oder Modellflugzeugverein-, weiß bei Vortragen von Anliegen gegenüber staatlichen Behörden um die Bedeutung eigener verlässlicher und vertrauenswürdiger Ansprechpartner. Da sich Muslime, auch solche außerhalb der vorgenannten Verbände, bislang nicht auf eine übergeordnete Repräsentanz einigen konnten, hat das Oberverwaltungsgericht Münster korrekterweise die Ansprüche von ZMD und Islamrat zurückgewiesen und Gottlob die hier vorgetragene Version von „islamischem Selbstverständnis“ ignoriert .
08.04.19
21:02