Vor 100 Tagen wurde Ümit Vural zum IGGÖ-Präsidenten gewählt. Im IslamiQ-Interview zieht er eine erste Bilanz und spricht über seine Arbeitsfelder, das aktuelle Bild der Muslime und seine Beziehung zur österreichischen Regierung.
IslamiQ: Vor 100 Tagen wurden Sie zum IGGÖ-Vorsitzenden gewählt. Wie würden Sie die ersten 100 Tage beschreiben? Was haben Sie vorgefunden, womit Sie gerechnet bzw. nicht gerechnet haben?
Ümit Vural: Es waren sehr intensive, erschöpfende, aber auch produktive 100 Tage. Eine Institution wie die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) hat viele Facetten, viele Ebenen und Schichten, und diese Schichten kann man erst mit der Zeit offenlegen. Insofern ist es ein beständiger Lernprozess und eine Herausforderung eben alle Aspekte, alle Facetten der IGGÖ einer Modernisierung und Professionalisierung zu unterziehen. Aber so unlösbar die Aufgabe manchmal erscheint, so motiviert bin ich an jedem neuen Tag, den Muslimen Österreichs jene Glaubensgemeinschaft zu geben, die sie verdienen.
IslamiQ: In Ihrer Antrittsrede haben Sie gesagt, dass sich die IGGÖ „tiefgründig verändern und reformieren müsse“. An welchem Punkt dieser Reform stehen Sie heute?
Vural: Wir stehen am Anfang dieses wichtigen Prozesses, denn eines ist klar: Reformen sind schnell gefordert, aber nur schwer umgesetzt. Das gilt nicht nur für die Glaubensgemeinschaft, sondern für jede Organisation. Aber ich glaube, selbst mit den ersten Änderungen und einer motivierten Mitarbeiterschaft war es uns möglich, bereits in den ersten 100 Tagen den Muslim einen Vorgeschmack darauf zu geben, was alles möglich ist, wenn man die Strukturen den Herausforderungen der Zeit anpasst. Da ist die Stelle für Medien und Öffentlichkeitsarbeit nur ein kleines Beispiel.
IslamiQ: Was sind die wichtigsten drei Arbeitsfelder?
Vural: Wichtig ist vor allem die Öffentlichkeitsarbeit: Wir haben als Muslime und islamische Vereine und Verbände vieles verschlafen und müssen jetzt dringend nachholen.
Hinzukommt die Rechtsberatung, denn viele Moscheegemeinden oder eben einzelne Muslime brauchen oft schnelle, praktische Hilfe und haben nur wenig Geld zur Verfügung. Da müssen sie in der Glaubensgemeinschaft eine Anlaufstelle haben, um zumindest in dringenden Fragen, Auskunft zu bekommen.
Nicht zuletzt ist die Verbundenheit zwischen Zentrale und Basis sehr wichtig. Wir dürfen es nicht als selbstverständlich erachten, dass die muslimische Basis, die Moscheegemeinden da sind. Die Basis muss geachtet werden, gestärkt werden, unterstützt und respektiert werden. Daher habe ich eine Koordinationsstelle in der IGGÖ eingerichtet, die die Moscheegemeinden des Landes besucht und mit Rat und Tat, Hilfe leisten soll.
IslamiQ: Wie würden Sie das aktuelle Bild der Muslime in der österreichischen Gesellschaft beschreiben?
Vural: Die Politik und leider zu viele Medien haben ein schlechtes Bild der Muslime in der Öffentlichkeit gezeichnet. Das ist im Grunde schon eine Karikatur. Aber es ist an uns, ein Gegenbild zu entwerfen und mit viel Geduld, Arbeit, aber auch Kreativität das auch zu schaffen.
IslamiQ: Die Beziehung zwischen der österreichischen Regierung und den Muslimen ist sehr angespannt. Woran sehen Sie Ihre Aufgabe?
Vural: Die IGGÖ ist die Interessensvertretung der Muslime im Land. Wenn eine Bundesregierung antimuslimische Stimmung bedient, so ist es meine Aufgabe, darauf hinzuweisen, die Politik zu ermahnen und in letzter Konsequenz auch rechtliche Schritte zu prüfen, wenn die elementaren Bürgerrechte und die Würde muslimischer Österreicher attackiert wird.
IslamiQ: Erst die Moscheeschließungen, dann der Zeugnis-Skandal. Wie können Muslime mit den populistischen Vorstößen der Regierung umgehen?
Vural: Mit Geduld, Besonnenheit und einer klaren Strategie. Denn eines ist klar: Fordern kann die Politik viel, doch dabei darf sie eben den Boden der Verfassung und des Rechtsstaates nicht verlassen.
Das Interview führte Muhammed Suiçmez.