Muslimische Lehrkräfte sind oft mehr als „nur“ Wissensvermittler. Ihre Arbeit werde jedoch von Kollegen und Schulbehörden zu wenig geschätzt, meint Birgül Bayram vom Verband muslimischer Lehrkräfte (VmL). Ein Gastbeitrag.
Nicht nur muslimische Schülerinnen und Schüler, auch Lehrkräfte mit muslimischen Wurzeln sind im deutschen Schulwesen tagtäglich Diskriminierungen ausgesetzt. Gegenüber Kollegen oder Schulleitungen müssen sie sich häufig für ihren Glauben rechtfertigen. Zudem wird ihnen mehr oder weniger deutlich der Eindruck vermittelt, aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit als Lehrkraft nicht kompetent zu sein. Als Muslim wahrgenommen zu werden ist für Lehrkräfte oft mit Nachteilen verbunden, wie Karim Fereidooni, Professor für Didaktik an der Ruhr-Universität Bochum, in seiner Dissertation gezeigt hat.
Dabei ist empirisch belegt, dass sich allein die Präsenz muslimischer Lehrkräfte an öffentlichen Schulen positiv auf das Selbstbild und den Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern mit muslimischen Wurzeln auswirkt, da sie eine wichtige Vorbildrolle übernehmen können. Ihre interkulturelle und interreligiöse Kompetenz wird vor allem dort zum entscheidenden Vorteil, wo (wie an einigen Schulen in NRW) der Anteil muslimischer Schüler und Schülerinnen mehr als 50 % beträgt.
Dass sich Schulen kultureller und religiöser Vielfalt öffnen und sich diese auch in der Zusammensetzung der Kollegien spiegelt, sollte eigentlich als wünschenswert aufgefasst werden. Trotzdem scheint es, als werde das Potential muslimischer Lehrer, gerade im Hinblick auf ihre Schlüsselrolle als Vermittler und Identifikationsfiguren für Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien nicht anerkannt. Nach Auffassung des Verbandes muslimischer Lehrkräfte (VmL) übernehmen muslimische Lehrer im Schulalltag weit mehr Aufgaben als „nur“ die Vermittlung von Wissen. Sie sind Dolmetscher, Seelsorger, Familientherapeut, Beauftragte für Integrations-, Migrations- und Religionsfragen, Berater für nichtmuslimische Lehrer usw. Deshalb fordert der Verband ein Ende der strukturellen Diskriminierung muslimischer Lehrer. Ihre Leistungen müssten stärker als bisher wertgeschätzt werden.
Der VmL versteht sich als öffentliche Stimme muslimischer Lehrer. Gleichzeitig beobachtet der Verband mit Interesse die Entwicklungen rund um das Fach „Islamische Religion“, das 2012 erstmals in Niedersachen und NRW eingeführt wurde. Der VmL sieht darin vor allem eine Chance für junge Menschen muslimischer Herkunft, sich in deutscher Sprache reflektiert und kritisch mit ihrer Religion auseinanderzusetzen und ihre muslimische Identität innerhalb der Schule positiv zu entwickeln. Dadurch, sind sich Verbandsvertreter sicher, wird die Urteilsfähigkeit der Jugendlichen gestärkt, was ihnen auch in anderen Bereichen der Gesellschaft zugute kommt.
Der islamische Religionsunterricht vermittelt Toleranz und Respekt. Der Verband muslimischer Lehrkräfte begrüßt deshalb das Vorhaben von Landesschulministerin Yvonne Gebauer, den islamischen Religionsunterricht künftig weiter auszubauen, insbesondere die Pläne des Ministeriums, die fachbezogene Ausbildung muslimischer Lehrkräfte anzukurbeln. Schon jetzt gibt es einen Engpass an qualifiziertem Personal. Die aktuellen Maßnahmen, wie z. B. ein- bis zweijährige Zertifikatskurse können diesen nur begrenzt und auch nur kurzfristig auffangen. Mit praxisorientierten und fachbezogenen Fortbildungen, die in Zusammenarbeit mit den Lehrstühlen für islamische Religionspädagogik geplant werden, möchte der VmL auch selbst dazu beitragen, die pädagogische Arbeit muslimischer Lehrer zu begleiten und zu fördern. Gleichzeitig sieht sich der Verband aber auch als Austausch- und Netzwerkplattform, die eine Begegnung zwischen muslimischen Lehrern mit andersgläubigen Kollegen ermöglichen und damit einen Beitrag zur Entwicklung einer vielfältigen und demokratischen Gesellschaft leisten will.