Bei Behörden in ganz Deutschland gehen mehr als 200 Mails mit massiven Drohungen ein. Unterschrieben sind sie mit „NSU 2.0“ oder „Nationalsozialistische Offensive“. Nun gibt es einen Verdächtigen.
Nach einer bundesweiten Serie von Mails mit Bombendrohungen und rechtsextremistischen Inhalten hat die Polizei einen Verdächtigen aus Schleswig-Holstein ermittelt. Der Mann stehe unter dem Verdacht, Verfasser zahlreicher Mails unter anderem mit Drohungen an Gerichte und andere Einrichtungen zu sein, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft in Berlin am Freitag mit.
Kriminalpolizisten aus Berlin und Schleswig-Holstein durchsuchten am Donnerstagnachmittag die Wohnung des Verdächtigen in Schleswig-Holstein und beschlagnahmten Computer und Handys, wie der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, sagte.
Nach Informationen von NDR und „Hamburger Abendblatt“ soll die Wohnung in einem kleinen Ort nordwestlich von Hamburg liegen. Der dortige Bürgermeister bestätigte demnach, dass es „im Zusammenhang mit den Drohschreiben polizeiliche Maßnahmen“ gegeben habe.
Der Mann wurde nicht festgenommen. Für einen Haftbefehl lägen bislang keine ausreichenden Beweise vor, sagte Steltner. Aber es gebe zahlreiche Indizien und einen „Anfangsverdacht“ in dem sehr großen Ermittlungskomplex mit mehr als 200 Mails. Der Mann sei „durchaus kein Unbekannter“, sagte die Staatsanwaltschaft. Der Hauptvorwurf sei die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten.
Weder das Alter noch die Staatsangehörigkeit des Verdächtigen wurden mitgeteilt. Aus Ermittlerkreisen in Berlin hieß es, er sei psychisch labil, möglicherweise verwirrt. Er soll demnach vor Jahren wegen verschiedener Gewalttaten verurteilt worden sein.
Die Mails, die seit April 2018 verschickt wurden, seien unter anderem mit „NSU 2.0“ unterzeichnet gewesen, so die Staatsanwaltschaft. Sie gingen demnach an Behörden in Hamburg, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Brandenburg. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt federführend. Beteiligt war auch das Bundeskriminalamt.
Ob die komplette Serie aller Drohungen aus den Jahren 2018 und 2019, die bei Finanzämtern, Rathäusern, Anwaltskanzleien, Verlagen und einzelnen Politikern in ganz Deutschland eingingen, auch auf das Konto des aktuellen Verdächtigen gehen könnte, soll jetzt mit Hilfe der beschlagnahmten Beweise untersucht werden. Daraus ergebe sich, „ob sich der Tatverdacht gegen den Beschuldigten erhärten lässt“, hieß es.
Unterzeichnet wurden weitere Mails zum Teil auch mit „Wehrmacht“ oder „RAF“. Betroffen waren öffentliche Einrichtungen in Bundesländern wie Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und im Saarland. Gedroht wurde mit Bomben oder – wie im Fall der Bundestagsabgeordneten Martina Renner (Linke) – damit, „Bürger auf offener Straße zu exekutieren“. Mehrfach evakuierte die Polizei Gebäude wie einen Hauptbahnhof, Rathäuser, ein Finanzamt und auch einen Kindergarten. Sprengkörper wurden aber nicht gefunden. (dpa, iQ)