Kleine wurmartige Blutsauger sollen dem Menschen dabei helfen gesund zu werden. Klingt kurios, ist aber eine altbewährte Methode mit großen Heilerfolgen. Wie, warum und was überhaupt?
Kleine schwarze wurmartige Wesen, die sich in die Haut reinbeißen, mit Blut vollsaugen und sich dabei in ein dickes mutierendes Etwas verwandeln. Klingt wie aus einem „Men in Black“-Film, sieht genau so aus und erweckt in dem einen oder anderen ganz viel Ekel und Gänsehaut.
Doch so erschreckend es auch klingen mag, verbirgt sich in dieser Methode große Heilerfolge. Die Blutegel-Therapie ist schon über 3000 Jahre alt. In der chinesischen Medizin hat die Heilmethode Tradition. Aber nirgends war sie so beliebt wie in Europa, wo sie seit der Antike bis ins 19. Jahrhundert hinein, ein unverzichtbarer Bestandteil ärztlicher Behandlungen war.
Nachdem sie einige Jahrzehnte wieder in Vergessenheit geraten war, erlebt die Blutegel-Therapie derzeit eine Wiederauferstehung in der Naturheilkunde. Immer mehr Menschen legen große Hoffnungen in die kleinen Tierchen. Besonders bei Gelenkbeschwerden und bei Arthrose hört und liest man immer wieder von großen Heilungserfolgen.
Ibn Sînâ (Avicenna) hat die Blutegel bei Entzündungen, Fieber und Schmerzen eingesetzt. Den Einsatz von Blutegeln findet man auch in der Bibel. Die Ägypter haben das Egeln für die Heilung von Narben benutzt. Das Blutegeln ist vergleichbar mit dem Aderlass. Aderlass oder das Stechen der Venen ist eher geeignet, um das Blut der inneren Teile des Körpers abzugewinnen, während man durch Hidschama Blut aus den verschiedenen Schichten der Haut entfernt. Beides gehört zur Sunna des Propheten Muhammad (s). Durch das Saugen des Blutes werden – wie bei der Hidschama – Unreinheiten und Entzündungen aus dem Blut rausgefiltert.
Für Menschen mit Arthrose (Gelenkverschleiß), Arthritis (Gelenkentzündungen), schmerzhafte Sehnenentzündungen, Rückenschmerzen, Thrombose und Venen-Entzündungen verspricht die Blutegel-Therapie große Heilung. Insbesondere am Kniegelenk führt die Therapie mit Blutegeln nachweislich zu beeindruckenden Erfolgen. Die Studie der Charité in Berlin „Changes of Intestinal Microflora in Patients with Rheumatoid Arthritis during Fasting or a Mediterranean Diet“ im Jahr 2010 zeigte, dass bereits nach etwa einer Woche nach einmaliger Anwendung mit vier bis sechs Blutegeln am Knie, 80 Prozent aller Patienten von einer Schmerzreduktion berichteten. Da die Lymphen aktiviert werden und ein kleiner lokaler Aderlass stattfindet, schwillt das Gewebe rund um das Gelenk ab, weshalb das Gelenk deutlich besser bewegt werden kann.
Eine weitere Studie des Fachjournals „Acta orthophaedica“ von Dr. Stefan Andereya und seinen Kollegen, vom Universitätsklinikum Aachen aus dem Jahr 2008 zeigte, dass die Therapie eine wirksame Behandlung zur schnellen Verringerung der Schmerzen bei Osteoarthritis sein kann. Das Egeln ist jedoch nicht nur für Gelenkschmerzen gut, sondern auch gegen Migräne, Hörsturz und Bluthochdruck.
Vor der Blutegel-Therapie sollte der Körper gut vorbereitet werden. Die Haut darf drei Tage vor der Behandlung an den ausgewählten Stellen weder mit Seife gewaschen noch eingecremt werden. Da die Blutegel äußerst sensibel auf Gerüche reagieren, darf man die Haut davor nur mit Wasser reinigen. Bei Rauchern und Patienten, die bestimmte Medikamente, wie zum Beispiel Betablocker einnehmen, oder sehr gestresst sind, kann es passieren, dass die Blutegel sich nicht so leicht festsaugen.
Abhängig von der Erkrankung und der Größe des zu behandelnden Gebiets kommen zwei bis max. 12 Egel zum Einsatz. Der Blutegel wird mit Hilfe einer Pinzette aus dem Glas geholt und auf die gewählte Hautstelle platziert. Der Blutegel strömt beim ersten Biss ein Sekret aus, das die Poren der Haut öffnet. Dadurch kann er besser in die Haut eindringen. Der Biss ist nicht schmerzhaft. Im Zuge des Saugvorgangs geben sie ihre Substanzen ab, die blutgerinnend, gefäßerweiternd, antientzündlich und schmerzlindernd wirken.
Um die Durchblutung anzuregen, werden Hautareale vor der Behandlung mit einem feuchtwarmen Tuch abgerieben. Bei lokal begrenzten Krankheiten werden die Blutegel auch auf der erkrankten Stelle, zum Beispiel im Bereich eines Gelenkes, angebracht.
Die Egel fallen von alleine wieder ab, wenn sie sich vollgesogen haben. Das kann zwischen zehn bis 120 Minuten dauern. Der Blutverlust pro Egel beträgt ca. 10 ml. Im Anschluss an die Behandlung kommt es zu einer therapeutisch gewünschten Nachblutung. Die Stärke der Nachblutung ist individuell verschieden (ca. 20-40 ml je Bissstelle) und kann bis zu vier Stunden dauern.
Die Wunde wird mit einem Druckverband versorgt, der regelmäßig gewechselt werden muss. Meistens ist die Wunde nach rund einer Woche verheilt. Die Häufigkeit der Anwendung richtet sich nach dem Therapieerfolg, der sich oft schon nach der ersten Anwendung zeigt. Frühestens nach vier Wochen kann an der behandelten Stelle eine erneute Behandlung erfolgen.
Auch wenn diese Art der Behandlung unter Muslimen sehr beliebt ist, gibt es keinen spezifische Behandlung für Muslime. Anders als beim der Hidschama (Schröpfen) ist das Blutegeln nicht in der islamischen Heilkunde verankert. Es gehört zu den ausleitenden Verfahren, die ihren Ursprung im alten Griechenland und römischen Reich haben und stark von der traditionellen arabisch/islamischen und indischen Medizin beeinflusst wurden.
Bei Menschen, die unter Blutarmut leiden, sollte diese Therapiemethode nicht eingesetzt werden. Bei Kindern und Schwangeren ist ebenfalls vom Einsatz der Blutegel abzuraten. Weitere Kontraindikationen sind Blutgerinnungsstörungen, Erkrankungen im arteriellen Gefäßsystem, eine bekannte Allergie gegen das Sekret des Blutegel, Diabetes und Autoimmunkrankheiten.
Für den therapeutischen Einsatz werden die Blutegel in speziellen Zuchtbetrieben aufgezogen. Bevor sie bei Menschen angewandt werden dürfen, müssen sie acht Monate lang in einem Quarantäneteich hungern. Das schadet ihnen nicht. Sie kommen mit einer einzigen Blutmahlzeit ein Jahr und länger aus. So kann man aber sichergehen, dass sie frei von Krankheitserregern sind. Ebenfalls aus hygienischen Gründen, kann ein Blutegel nur ein einziges Mal in der Therapie verwendet werden. Die Blutmahlzeit am Patienten ist für den Egel auch die letzte.
Die Blutegel-Therapie gehört zu den alten Naturheilmethoden. Daher gilt es als nebenwirkungsarm. Doch auch wenn es zu der Kategorie der „Heilmedizin“ gehört, sollte vor der Behandlung zwingend mit einem Arzt, einer Ärztin gesprochen werden. Die Blutegel-Therapie darf nur von Fachleuten durchgeführt werden. Diese sind in der Regel Ärzte oder Heilpraktiker.