GEWERKSCHAFTEN

Muslime in der Gewerkschaftsbewegung

Gewerkschaften setzen sich gegenüber Arbeitgebern für Arbeiternehmerinteressen ein. Sind auch Muslime gewerkschaftlich organisiert? Und bieten Gewerkschaften spezielle Leistungen für Muslime an? Ein Beitrag von IslamiQ-Redakteurin Kübra Layık.

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04
2019
Muslime in der Gewerkschaftsbewegung, bearbeitet by iQ
Muslime in der Gewerkschaftsbewegung © shutterstock, bearbeitet by iQ

Seit den 1960er Jahren spielen muslimische Arbeitnehmer auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine wichtige Rolle. Die ersten Gastarbeiter, meist türkisch-muslimischer Herkunft, waren als Hilfskräfte in Fabriken oder auf dem Bau beschäftigt. Ihr Einsatz trug erheblich dazu bei, Deutschland nach dem Krieg rasch wiederaufzubauen. 

Aus Gastarbeitern wurden Bürger. Vor allem die zweite Generation der zugewanderten Muslime kann sich mittlerweile auf dem Arbeitsmarkt sehr gut behaupten. Laut einer 2017 veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung arbeiten derzeit 60 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime in Vollzeit, 20 Prozent in Teilzeit. Auch die Arbeitslosenquote gleicht sich immer mehr dem gesamtgesellschaftlichen Durchschnitt an. Deutschland bekommt deshalb mit Abstand die besten Noten bei der Integration von Einwanderern in den Arbeitsmarkt. 

Aber wie steht es eigentlich um die Interessen der muslimischen Arbeitnehmer? Werden diese bedacht? Sind Muslime gewerkschaftlich organisiert? Eine Gewerkschaft ist eine Organisation, deren Aufgabe in der Interessenvertretung der Arbeiternehmer gegenüber den Arbeitgebern besteht. Wichtige Ziele gewerkschaftlicher Arbeit sind z. B. die Arbeitsplatzsicherung und Lohnerhöhungen im Rahmen von Tarifverhandlungen. Um ihre Forderungen durchzusetzen, setzen Gewerkschaften z. B. auf den organisierten Streik als Druckmittel. 

Deutscher Gewerkschaftsbund 

Der „Deutsche Gewerkschaftsbund“ (DGB) wurde 1949 gegründet und vereint acht Mitgliedsgewerkschaften unter seinem Dach. Er vertritt die sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Gewerkschaftsmitglieder gegenüber politischen Parteien, Entscheidungsträgern und Verbänden, informiert politische Akteure über gewerkschaftliche Forderungen und nimmt gemeinsame Aufgaben in den EU-Gremien wahr. 

Der DGB setzt sich entschieden gegen Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Alter, ethnischer Herkunft, sexueller Orientierung, Behinderung, Weltanschauung und Religion ein. Auf Anfrage teilte uns die Pressestelle des DGB mit: „Wir wollen, dass sich alle Arbeitnehmer in ihren eigenen Interessen vertreten werden, egal welcher Religion oder Nationalität. Dies geben wir auch unseren Mitgliedern für ihre Gewerkschaften weiter.“

Einen weiteren Arbeitsschwerpunkt des DGB bildet der Einsatz gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz im Rahmen der Europäischen Migrations- und Antirassismuspolitik. Der DGB unterstützt die Initiative „Gelbe Hand“, die sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einsetzt.   

Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft 

Die „Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft“ (ver.di) wurde 2001 in Berlin gegründet. Zu ihren Mitgliedern zählen Angestellte, Selbstständige und Beamte aus über 1000 Berufen, aber auch Studierende. Ver.di setzt sich für sozial gerechtere Rahmenbedingungen in der Arbeitswelt, Teilhabe, Integration und die soziale, betriebliche und rechtliche Gleichstellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Migrationshintergrund ein. „Wir wollen, dass die Leistungen der Menschen anerkannt und wertgeschätzt werden. Wir setzen uns ein für menschengerechte Arbeitsbedingungen und kämpfen für den Erhalt von Arbeitsplätzen. Wir geben unseren vielen Mitgliedern mit Migrationshintergrund eine Stimme in der Politik und in der Gesellschaft“, betont ein Sprecher von ver.di Düsseldorf gegenüber IslamiQ. 

Mitglieder mit Migrationshintergrund können sich aktiv bei ver.di einbringen. Durch den Status als Personengruppe haben Muslime seit 2011 die Möglichkeit, auf allen ver.di-Ebenen eigene Migrationsausschüsse unter dem Dach des ver.di-Bundesmigrationsausschusses zu gründen. 

Ver.di ist aktiv im Verein „Mach mein Kumpel nicht an! – für Gleichbehandlung, gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus e.V.“ mit Sitz in Düsseldorf. Der Verein ist Teil des gewerkschaftlichen Engagements gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus, und setzt sich seit 30 Jahren für Gleichberichtigung und Chancengleichheit, insbesondere in der Arbeitswelt, ein. 

IG Metall

Die Branchengewerkschaft IG Metall zählt aktuell 2,2 Millionen Mitglieder. In mehreren IG Metall-Bezirken gibt es inzwischen einen Arbeitskreis Migration, so auch im Bezirk Köln-Leverkusen, in dem seit 2016 21 Mitglieder mehrheitlich türkisch-muslimischer Herkunft aktiv sind. 

Neben betrieblichen Themen, wie beispielsweise der Aus- und Weiterbildung von Muslimen oder dem hohen Anteil von Migranten in prekären Beschäftigungsverhältnissen, sollen zukünftig auch gesellschaftspolitische Fragen, z. B. das kommunale Wahlrecht für Migranten, diskutiert werden. „Neben der Problematisierung bestimmter Entwicklungen möchten wir auch aufzeigen, mit welchen Chancen und Potentialen Diversität und kulturelle Vielfalt – betrieblich wie gesellschaftlich – verbunden ist“, berichtet ein Mitglied des Arbeitskreis Migration IG Metall Köln-Leverkusen. 

Gesprächsrunden, Vorträge und Seminare, zu denen Politiker und Experten eingeladen werden, sollen für das Thema Rassismus und Diskriminierung in der Gesellschaft, aber auch kulturelle Vielfalt sensibilisieren. Daneben organisieren die Mitglieder des Arbeitskreises Schulungen und Weiterbildungen für Gewerkschaftsmitglieder und betreiben politische Aufklärung. 

Offene Türen 

Laut Vertretern des DGB, von ver.di und der IG Metall habe man in der Vergangenheit schon einige Anti-Rassismusinitiativen gestartet, Netzwerke gebildet und mit Migrantenverbänden kooperiert. Trotzdem sei das Engagement von Muslimen in Gewerkschaften weiterhin eher gering. „Die Interessen der Arbeitnehmer können nur dann vertreten werden, wenn sich auch jeder einbringt. Von jeder Nationalität, Religion und sexuellen Orientierung“, so ein DGB-Sprecher. 

„Muslime können eigene Gewerkschaften aufbauen und für ihre Rechte und Interessen einstehen“, heißt es vonseiten der IG Metall. Wichtig sei nur, dass die Toleranz, Offenheit und Einigkeit der Gewerkschaften gesichert werde. Muslime gestalten die Gesellschaft in Deutschland mit, Deshalb sollten sie auch als Arbeitnehmer ihre Rechte nutzen und für ihre Interessen eintreten. 

Leserkommentare

Kafira sagt:
Liebe Leser, " Muslime können eigene Gewerkschaften aufbauen und für ihre Rechte und Interessen einstehen“, heißt es vonseiten der IG Metall. " ------ So richtig ist es IslamiQ -Redakteurin Kübra Layık. offensichtlich nicht gelungen, der IG Metall vor ihrer Islamistischen Karren zu spannen. Die haben den Braten von weitem gerochen . Gut so, Kafira.
23.04.19
20:34
Enail sagt:
Genau das, was da oben geschrieben und gefordert wird, macht die Integration von Muslimen in einem westlichen Land so problematisch. Zunächst möchte ich sagen, der ich in den 60iger Jahren aufgewachsen bin, dass nicht die Muslime unser Land wieder aufgebaut haben. Es waren die Trümmerfrauen die den Schutt weggeräumt haben. Es waren meine Eltern und Großeltern und die von vielen anderen auch. Die Gastarbeiter, wie sie damals genannt wurden, kamen um hier Geld zu verdienen. Ich habe damals mitbekommen, dass viele auch auf dem Bau tätig waren, wie heute auch. Da waren aber auch Griechen und Italiener. Das so nebenbei. Meine Frage ist eigentlich, warum brauchen Muslime spezielle Leistungen durch die Gewerkschaft. Mit solchen Forderungen stellt sich diese Gruppe selbst außerhalb der Gesellschaft. Die Gewerkschaft ist für alle Arbeitnehmer da. Sie vertritt die Forderungen von Arbeitnehmern gegenüber Arbeitgebern. Nationalität und Religion schon mal gar nicht, spielen da keine Rolle. Beim Sport, im Berufsleben, in der Freizeitgestaltung, auf allen Gebieten, immer eine extra Wurst. Es nervt und ich frage mich, warum man nicht in ein Land geht, das all das bietet, was die Muslime sich unter einem religiösen Leben vorstellen. Das ist eben für mich das unsympathische an dieser Religion, weil sie auf allen Gebieten eine extra Wurst wollen, auch auf Gebieten, wo der Mensch im Vordergrund und keine Religion stehen sollte. Ständig wird geklagt, gefordert und um Toleranz gebeten. Und kommt man ihren Forderungen nicht nach, wird laut gejammert über Diskriminierung und Ablehnung. Leider bietet diese Religion nicht so sehr viel positives, schon gar nicht für eine Frau, weshalb sich die Begeisterung und Zustimmung in Grenzen hält, zumindest bei mir. Und solche Artikel, die in meinen Augen schon wieder eine Forderung sind, tragen nicht dazu bei, die Sympathie für diese Religion zu erhöhen.
23.04.19
23:25
Kafira sagt:
Liebe Enail, Einmal wieder haben Sie den Nagel auf dem Kopf getroffen. Vielen Dank. Die höfliche aber unüberhörbare Ablehnung der IG Metall: (Sinngemäss ) - - " Wenn du eine auch nur teil-Islame Gewerkschaft willst, nicht mit uns. Dann mach man selber eine auf." - - die habe auch ich wohltuend heraus gehört. Viele Grüsse, Kafira.
24.04.19
18:35
Dilaver Çelik sagt:
Wer sich bereits daran stört, dass Muslime Bedürfnisse haben und ihre Wünsche äußern, und deshalb Muslimen Schuldgefühle machen will, der hat ein massives Selbstwertproblem. Ein Therapeut kann da weiterhelfen. Für den Beitrag selbst möchte ich mich bedanken. Muslime müssen sich schließlich auch in Gewerkschaften sowie Betriebsräten einbringen, wenn sie ihre Bedürfnisse am Arbeitsplatz zur Geltung bringen wollen.
26.04.19
20:02
Landpirat sagt:
Neuesten Studien zufolge ist Muslimfeindlichkeit in die Mitte der Gesellschaft gerückt, wobei die Gewerkschaften davon nicht verschont geblieben sind. Wenn die Interessensvertretung des muslimischen Teils der Bevölkerung durch die renommierten Gewerkschaftsbunde nicht mehr gewährleistet ist, ist die Organisation einer Gewerkschaft für Muslime eine unabwendbare logische Schlussfolgerung.
26.04.19
22:05
grege sagt:
Jeder kann in diesem Land nach Lust und Laune eine Gewerkschaft gründen. Ob diese Gehör und Anerkennung auf der Arbeitgeberseite findet, steht auf einem ganz anderem Blatt Papier. Mir erschließen sich allerdings nicht Sinn und Zweck dieser Maßnahme, da die elementaren Interessen der Gewerkschaftsmitglieder nicht an die Religionszugehörigkeit gebunden sind. Muslime sollte in diesem Lande erst mal andere Hausaufgaben bewältigen, wie die Schaffung einer Repräsentanz, die frei ist von Extremismus, und daher als Ansprechpartner gegenüber dem Staat und seinen Behörden tauglich ist.
27.04.19
20:52
Enail sagt:
@Dilaver Celik und Landpirat. Das ist ja das traurige, habe ich in meinem Beitrag schon angesprochen. Für mich sind alle Menschen gleich, ob grün, ob gelb, ob rot oder schwarz und was es sonst noch für Farben gibt. Religion ist für mich eine Nebensache; kein Mensch kommt religiös auf die Welt, man ist zuerst immer nur Mensch. Alles andere ist anerzogen, und, so sehe ich es, auch nicht überlebenswichtig. Und da für mich alle Menschen gleich sind, sehe ich auch keine Notwendigkeit, warum grüne, gelbe, rote oder schwarze Menschen nicht von einer Gewerkschaft vertreten werden können, die für alle, da wir ja alle Menschen und gleich sind, die gleichen Forderungen an den jeweiligen Vertragspartner stellen. Da alle Menschen gleich sind, sollten alle gleich behandelt und keiner benachteiligt werden. Dies jedoch könnte leicht entstehen, wenn man für jede Farbe andere Forderungen stellen würde. Und da dann die Abschlüsse für alle Menschen, also jeder Farbe gleich sind, müssten doch alle zufrieden sein. Warum bezeichnet man solches mit Islamfeindlichkeit wenn man keinen Unterschied zwischen den Menschen möchte. Vielleicht sollte man das mal aus diesem Blickwinkel betrachten und kann dann verstehen, dass nicht jeder es gut findet, wenn eine Menschengruppe immer eine extra Wurst will. Dies mit Islamfeindlichkeit abzutun, ist eine, in meinen Augen, abgedroschene Phrase, die immer dann angewendet wird, wenn man dem Islam nicht sein Sonderrecht einräumt. Da stehe ich jedoch drüber und es tangiert mich nicht weiter. Am Ende sind wir doch alle gleich und leben auf einer Erde.
07.05.19
3:09
Landpirat sagt:
Enail Das sind ja tolle Aussichten und Ansichten, die wir Europäer im aktuellen Weltgeschehen unbedingt nach außen, aber zuerst nach innen tragen und vorleben müssen, weil uns eine sehr wichtige Rolle hierbei zukommt, wenn wir uns unserer eigenen Geschichte und damit einhergehendem Übeltun bewusster werden würden. Alle Errungenschaften der letzten Jahrzehnte machen unsere Fehler nicht wett und dennoch können wir (außer Fundis, Nazis und Antieuropäer sowie Hetzetreiber und Wutbürger/Populisten) als aktuelle Umweltbefürworter, Humanisten, Demokraten und Europäer stolz auf unsere europäische Identität sein, die niemals zuvor so multidimensional war als aktuell. Wenn die Realität doch tatsächlich so wäre, dann bräuchten Minderheiten, wie die Muslime gegenwärtig, sicherlich keine Extra-Sucuk, da sind wir ganz bei einander. Was aber tun, wenn die Realität eine ganz andere ist, als sie eigentlich sein sollte, wenn man von den europäischen Grundwerten ausgehend die Grundhaltung der Gewerkschaften hierzulande genauer unter die Lupe nimmt? Dann wird Gegenwehr zur Pflicht und da wäre es mehr als notwendig, dass wir im Kampf gegen Ungerechtigkeit immer den Menschen unvoreingenommen an erster Stelle sehen. Ganz besonders in der heutigen Zeit.....Aus deinen Erzählungen wird deutlich liebe Enail, dass du der islamischen Gemeinschaft nicht bewusst (islamisch theologisch gesehen, wird jeder Mensch mit einer Begabung zur Gotteserkenntnis geboren...z.B. haben Eingeborene, die niemals zuvor etwas von Gott gehört haben...Rituale zur Götteranbetung entwickelt....Atheisten suchen immernoch nach einer Erklärung für den ersten Beweger...nach dem Kausalitätsprinzip.) angehörst, was Dir wiederum die Möglichkeit raubt, die alltäglichen rassistischen Erfahrungen eines minoritätsangehörigen Individuums live mitzuerleben. Sei froh! Je niedriger der soziale Status, desto doller die ständige Erniedrigung. Dennoch sind zum Glück und Gott sei Dank die Populisten dem Niedergang geweiht, wenn man sich die aktuellen Statistiken anschaut. Die Menschen, die vor einem Jahr noch mit Pegida und den anderen Naziaufmärschen brüllend und keifend einem Armleuchter hinterher gedackelt sind, verhalten sich zivilisiert und proeuropäisch. Viva Europa! Viva la Revolućion! Abajo los populistas! Es ist Zeit für den linken Populismus!
18.05.19
21:04