Vergangene Woche wurde der erste Workshop der Deutschen Islam Konferenz (DIK) durchgeführt. Thema: „Islam- und Muslimfeindlichkeit“. Murat Gümüş vom Islamrat meint: Zivile Initiativen gibt es viele, doch der Staat muss mehr tun. Ein Gastbeitrag.
Angesichts der aktuellen Lage ist das Thema („Islam- und Muslimfeindlichkeit – Aktuelle Ansätze und Herausforderungen“) des ersten DIK-Workshops passend gewählt. Denn gleich mehrere Studien wie die der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) oder die Autoritarismus-Studie zeigen: Die Ablehnung des Islams und der Muslime hat in den vergangenen Jahren in Deutschland deutlich zugenommen. Sie ist nicht nur an den Rändern der Gesellschaft anzutreffen, sondern scheint darüber hinaus in der Mitte der Gesellschaft viele Menschen anzusprechen. Das zeigen unter anderem auch tägliche Diskriminierungen, Verbalattacken, Angriffe auf kopftuchtragende Musliminnen oder Moscheen. Fazit: Das Ausmaß der Ablehnung ist „erschreckend hoch“. Der antimuslimische Rassismus findet täglich statt.
Im Bereich der Bildung haben wir als Islamrat leider oftmals die Erfahrung machen müssen, dass Institutionen, wie beispielsweise Schulen, es nicht gerne sehen, dass ihre internen Verhaltensweisen hinterfragt werden. Generell wird den Betroffenen ihre Wahrnehmung bzw. das Erlebte abgesprochen oder gar ignoriert. Nicht selten handelt es sich dabei um sogenannte „Schulen ohne Rassismus“. In letzter Zeit erreichten den Islamrat vermehrt Diskriminierungsfälle aus unterschiedlichen Bereichen des täglichen Lebens. Darüber hinaus werden kopftuchtragende Musliminnen häufiger auf offener Straße oder beim Einkaufen angefeindet und angegriffen. Die Gewaltbereitschaft hat zugenommen, die Ausmaße sind besorgniserregend. Drei Angriffe auf kopftuchtragende Musliminnen an einem Wochenende in Berlin haben das nochmal verdeutlicht. Es muss konkret etwas unternommen werden.
In diesen Kontext fiel der erste Workshop der DIK. Drei Fragestellungen wurden vom Veranstalter in den Mittelpunkt gerückt: Welche Modelle der Arbeit gegen antimuslimischen Rassismus haben sich bewährt? Welche Probleme konnten behoben werden und was müsste noch getan werden?
Der inhaltliche Einstieg erfolgte durch einen Vortrag über Unterschiede zwischen Islam- bzw. Muslimfeindlichkeit, Islamophobie und antimuslimischem Rassismus und wie sich Anfeidungen gegenüber Muslime sich äußern. Der erste Tag endete mit der Darstellung des Islambildes in deutschen Medien. Am zweiten Tag wurden erste Einblicke in Räume vorgenommen, in denen Diskriminierungen sehr häufig vorkommen. Es wurden erste Ergebnisse aus der Studie der Universität Duisburg-Essen zum Thema „Islamfeindlichkeit im Jugendalter und im schulischen Kontext“ vorgestellt und zum Thema „Diskriminierung von kopftuchtragenden Frauen bei der Arbeitssuche“ referiert.
An beiden Workshoptagen gab es zahlreiche Vorträge von islamsichen Religionsgemeinschaften – unter anderem des Islamrates – und Projektträgern, die ihre Projekte zur Bekämpfung des antimuslimsichen Rassismus vorstellten.
Das Projekt „ADAS – Anlaufstelle Diskriminierungsschutz an Schulen“ von Life e. V. war besonders interessant. Referentin Aliyeh Yegane gab einen alltagsnahen Einblick, mit was für welchen schulischen Diskriminierungsfällen sie konfrontiert werden, wie sie mit Schulen versuchen zu kooperieren, welche Erfolge sie bis jetzt verzeichnen konnten und vor welchen Hindernissen sie sich immer wieder sehen.
Zivilgesellschaftliche Projekte und Initiativen gegen den antimuslimischen Rassismus sind wichtig. Auch der Austausch zwischen den Projektträgern. Das hat der erste Workshop der DIK gezeigt. Was jedoch ausblieb, war die Beantwortung der Frage, was eigentlich staatliche Stellen zur Bekämpfung des antimuslimischen Rassismus unternehmen. Denn: zivilgesellschaftliche Projekte stoßen an ihre Grenzen, wenn nicht entsprechende Maßnahmen auch von der Politik ergriffen und umgesetzt werden. Antidiskriminierungsvereine zum Beispiel können noch so viele Beschwerden aufnehmen und bearbeiten, wenn nicht gleichzeitig von staatlicher Stelle aus gewährleistet wird, dass zum Beispiel diskriminierende Fehlverhalten von Beamten in Schulen oder Behörden geahndet oder effektiv bekämpft werden.
Religionsgemeinschaften, Wissenschaftler und Projektträger können noch so lautstark auf die tagtägliche Diskriminierung von kopftuchtragenden Musliminnen aufmerksam machen. Wenn durch staatliche Kopftuchverbote von privaten Betrieben als Vorbild genommen werden, ein ähnliches Verbot mit derselben Begründung auch bei sich einzuführen, fassen auch sie sich an den Kopf.
Es ist allgemein Aufgabe des Staates, seine Bürger – und dabei vor allem Minderheiten – vor Angriffen und Diskriminierung zu schützen. Zwei konkrete Handlungsfelder für gerade staatliche Maßnahmen haben sich aus den Vorträgen ergeben:
Das sind nur einige Problembereichen von vielen, die Maßnahmen von Seiten des Staates zur Vermeidung von Ungleichwertigkeit, Ungleichbehandlungen und Diskriminierung bedürfen. Denn in bestimmten Bereichen, wie z. B. der Schule, können zivilgesellschaftliche Projekte zwar auf die Problematik hinweisen und versuchen sie einzudämmen. Aber um sie dann auch effektiv zu unterbinden, bedarf es Maßnahmen des Staates durch z. B. Verbesserung der Rechtsschutzmöglichkeiten, Implementierung der Thematik in der Beamtenausbildung etc. Daher ist es wichtig und richtig, dass Projekte zur Bekämpfung des antimuslimischen Rassismus gefördert werden. Muslime können sich für ein friedliches gesellschaftliches Miteinander einsetzen, Entwicklungen beobachten, Diskriminierungsfälle melden, ihre Sorgen den politischen Verantwortlichen mitteilen. Der Staat aber muss auch handeln. Bei Vorträgen von Religionsgemeinschaften und Projektträgern zur Bekämpfung des antimuslimischen Rassismus darf es nicht bleiben.
Es ist wichtig, dass das Thema weiter auf der Tagesordnung der DIK bleibt und eine besondere Aufmerksamkeit bekommt. Die versäumte Bestandsaufnahme darüber, was der Staat macht, müsste nachgeholt werden. Erste Anhaltspunkte hat der erste Workshop geliefert: Es wurden konkrete Räume vorgestellt, in denen Diskriminierungen stattfinden: in Schule, Beruf, in den Medien, etc. Nun müsste genauer geschaut werden, wie der antimuslimische Rassismus in diesen Räumen zum Vorschein kommt, wie und mit wem er dort bekämpft werden kann.
Vor allem müssen die Zuständigen für diese Bereiche mit ins Boot genommen werden. Die DIK müsste eine Expertenkommission etablieren, bestehend vor allem aus Vertretern aus dem Bundesinnenministerium, dem Bundeskanzleramt, der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, der Wissenschaft, den islamischen Religionsgemeinschaften und Antidiskriminierungsvereinen. Sie müssten weitere Workshops zu bereits lokalisierten Diskriminierungsräumen durchführen und dabei die Zuständigen für diese Räume einbinden. Ihr Ziel müsste es sein, lösungs- und praxisorientierte Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Weiter darf sich die Bekämpfung des antimuslimischen Rassismus nicht auf die Dauer und Schwerpunktsetzung der DIK beschränken. Denn: Ob und wie die DIK nach der aktuellen Legislaturperiode weiter fortgeführt wird, kann niemand sagen. Die Auseinandersetzung mit ihm hingegen muss kontinuierlich weitergeführt werden. Hierfür bedarf es neben dauerhafter finanzieller Mittel zur Unterstützung sinnvoller Projekte auch der Installierung einer bundesweiten Expertenkommission zur Bekämpfung von antimuslimischem Rassismus mit einem Beauftragten.
Der erste Workshop der DIK zum Thema antimuslimischer Rassismus war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Dem müssen nun konsequenterweise weitere folgen. Für eine erfolgs- und zielorientierte Weiterführung dieses wichtigen Themas muss das Bundesministerium des Innern zum einen seinen Blick auf sich und die Politik im Allgemeinen richten und die Frage stellen: „Was kann der Staat tun, um Muslime vor Angriffen und Diskriminierung besser zu schützen?“ Zum anderen muss es die relevanten Akteure in die Vorbereitung und Durchführung der DIK-Veranstaltungen einbinden.