Österreich

Nationalrat beschließt Kopftuchverbot für Grundschulkinder

Das Parlament in Österreich hat mit den Stimmen der konservativen ÖVP und der rechten FPÖ ein Kopftuchverbot an Grundschulen beschlossen.

16
05
2019
Nationalrat beschließt Kopftuchverbot
Nationalrat © shutterstock, bearbeitet by IslamiQ.

Das Parlament in Österreich hat am Mittwochabend ein Kopftuchverbot an Grundschulen beschlossen. Das mit den Stimmen der Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ verabschiedete Gesetz untersagt das „Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist“.

Das Verbot gilt vor allem für das islamische Kopftuch und nach Angaben der Regierung ausdrücklich nicht für die jüdische Kippa oder die Patka der Sikhs. Sollten sich die Kinder nicht an das Verbot halten, droht den Eltern eine Geldstrafe von bis zu 440 Euro oder eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen. Das Gesetz muss noch durch den österreichischen Bundesrat.

Das Gesetz solle ein „Signal gegen den politischen Islam“ sein und muslimische Mädchen von einer „Unterwerfung“ befreien, hieß es aus ÖVP und FPÖ. Die Opposition stimmte bis auf zwei Abgeordnete gegen das Gesetz und warf der Regierung vor, es gehe ihr nicht um das Wohl der Kinder, sondern vor allem um Schlagzeilen. Auch islamische Religionsgemeinschaften hatten das Gesetzesvorhaben kritisiert.

„Es geht nicht um das Kindeswohl“

Auch der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ) Ümit Vural äußert sich zum neuen Gesetz. „Das Kopftuchverbot an Volksschulen führt erst zu Segregation und Diskriminierung von muslimischen Mädchen. Und dass es beim gestern beschlossenen Verbot nicht um das Kindeswohl geht, wie von der Regierung vorgebracht, sehen wir daran, dass die FPÖ noch während der gestrigen Plenarsitzung nach einem Kopftuch-Verbot für Lehrerinnen gerufen hat“, so Vural.

„Dieses Gesetz, das ohne Verfassungsmehrheit zu Stande kam, betrifft gleich mehrere Grundrechte. Eben diese Grundrechte stehen ÖsterreicherInnen muslimischen Glaubens zu. Daher werden wir uns gewissenhaft vorbereiten und dieses diskriminierende Gesetz vor den VfGH bringen,“ so Vural abschließend.

Die Regierung selbst hatte vorab betont, sie rechne mit Beschwerden vor dem Verfassungsgericht. Da es nicht mit Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedet wurde, hat das neue Gesetz keinen Verfassungsrang. (KNA, iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Konsequenter wäre gewesen, wenn sich die österreichische Regierung Frankreich zum Vorbild genommen hätte. Dort gilt für Lehrer schon seit 1905 (!), für Schüler seit 2004 eine generelle und unterschiedslose optische Neutralitätsverpflichtung betreffend Religion und Weltanschauung innerhalb des öffentlichen Schulsystems. Diese diskriminierungsfreie französische Regelung wurde von Muslimen mit einen dogmatischen Religionsverständnis vor 15 Jahren dennoch erbittert, aber vergeblich gekämpft. Frankreich erhielt vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein Gütesiegel. Der EGMR hat in den Urteilen Dogru und Kervanci gegen Frankreich Folgendes erkannt: Die Beschwerdeführerinnen sind Musliminnen. Nachdem sie wiederholt erfolglos aufgefordert worden waren, im Turnunterricht ihr Kopftuch abzunehmen, wurden sie aus der Schule ausgeschlossen, weil sie am Turnunterricht nicht aktiv teilgenommen und damit ihre schulischen Verpflichtungen verletzt hätten. In ihren Beschwerden an den EGMR rügten sie die Verletzung von Art 9 EMRK (Religionsfreiheit) und Art 2 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK (Recht auf Bildung). Für den Gerichtshof ist offensichtlich, dass ein Eingriff in die Religionsfreiheit vorliegt, dieser gesetzlich vorgesehen ist und mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung sowie der Rechte und Freiheiten anderer legitime Anliegen verfolgt. In einer demokratischen Gesellschaft könne es sich für das Zusammenleben als notwendig erweisen, die Religionsfreiheit einzelner Gruppierungen einzuschränken, um die Interessen der verschiedenen Glaubensrichtungen auszugleichen. Die innerstaatlichen Entscheidungsträger würden gerade in derart kontroversen Bereichen über einen erheblichen Entscheidungsspielraum verfügen. Der Eingriff in die Religionsfreiheit sei nicht nur aus Gründen der Sicherheit und der Gesundheit erfolgt. Er treffe alle Schülerinnen und Schüler unterschiedslos und bezwecke generell, die Laizität der staatlichen Schulen aufrechtzuerhalten. Letztere sei in Frankreich genauso wie in der Türkei oder der Schweiz ein zentraler, von breitem Konsens getragener Verfassungswert, dessen Verteidigung vorrangig sei. Es liege keine Verletzung von Art 9 EMRK vor (einstimmig).
16.05.19
13:05
Stéphanie sagt:
Gibt es denn in Österreich keine Religionsfreiheit und so etwas wie Gleichbehandlungsgesetze? Warum gilt das Verbot vor allem für das islamische Kopftuch und nach Angaben der Regierung ausdrücklich nicht für die jüdische Kippa oder die Patka der Sikhs ? Heute soll es die Grundschule sein, morgen die weiterführenden Schulen, dann die Lehrerinnen und so weiter. Es ist doch offensichtlich, dass das Gesetz ein Signal gegen den Islam sein soll um die Moslems zu erniedrigen. Wenn es um das Kindeswohl ginge, hätte man ganz andere (humane) Lösungswege gesucht und gefunden. Was die Regierung vor hat, ist eine menschenverachtende Unterdrückung einer Gruppe Menschen, die einer Weltreligion angehört. Da kann ich Herrn Vural und all den Vertretern der Gerechtigkeit von ganzem Herzen viel Erfolg wünschen. Möge Gott / Dieu / ALLAH sie darin unterstützen, dass auf dieser Welt ein friedliches Miteinander angestrebt wird. INSALLAH
16.05.19
15:45