Heute schreibt unsere Autorin wie sie den Ramadan ihren Kindern näher bringt. Auch wenn das bedeutet, dass ein Kindergeburtstag im großen Kreis ausfallen muss. Warum und was haben bolivianische Handpuppen damit zu tun? Heute im Ramadan-Journal.
Mein Sohn war schon ein bisschen enttäuscht darüber, dass wir seinen fünften Geburtstag nicht größer gefeiert haben. Anstatt Familie und Freunde einzuladen, habe ich einfach ein paar Süßigkeiten mit zum Spielplatz genommen und Muffins gebacken, die mein Sohn sich gewünscht hatte. Denn ich hatte keine Lust, im Ramadan mit meiner Familie – die natürlich nicht fastet* – den Geburtstag vorzubereiten und zu verbringen.
Sie feiern und ich faste? Nein, danke! Doch für meinen Sohn ist der Geburtstag, wie wohl für fast alle Kinder, etwas ganz besonderes. Eine kleine Spielplatz-Party war da wohl ein ganz guter Kompromiss. Die Familienfeier wird, wie im letzten Jahr, auf später verschoben. Es ist nicht immer einfach, meinem Sohn beizubringen, dass der Ramadan vorgeht, ohne ihm dabei das Gefühl zu vermitteln, dieser Monat des Fastens sei ein Spaßverderber. Mein Sohn hat es am Ende aber sehr gut aufgenommen. Sich im Supermarkt verschiedene Süßigkeiten für den Spielplatz aussuchen zu dürfen, besänftigt enorm!
Interessanterweise ist es für meinen Sohn auch ganz selbstverständlich, dass wir eben im Ramadan fasten und von morgens bis abends nichts essen und trinken. Er bildet sich sogar gerne ein, dass er auch mitfasten würde. Für meinen Sohn steht der Ramadan übrigens in unmittelbarer Verbindung zu bolivianischen Fingerpuppen. Vor zwei Jahren habe ich ihm nämlich anhand dieser Fingerpuppen den Ramadan erklärt. Damals war mein Sohn drei Jahre alt. Er war gerade so alt, dass er in etwa verstehen konnte, was im Ramadan passiert, und so ließ ich die Puppen sprechen: Juanita, eine bolivianische Muslimin, erklärte den Tieren, dass sie von morgens bis abends auf Nahrung und Flüssigkeit verzichte und nur in der Nacht etwas zu sich nehme. Natürlich waren die Tiere sehr erstaunt und konnten nicht fassen, dass Juanita auch kein Wasser trinkt. Sie erklärte ihnen, dass man auch das schaffen könne und noch vieles mehr über den Ramadan. Erstaunlich finde ich, dass mein Sohn, als ich den Ramadan in diesem Jahr erneut ankündigte, auch zwei Jahre später beim Thema Ramadan noch an die Fingerpuppen denkt.
Damals bastelten wir auch ein Ramadan-Plakat und formten eine Moschee aus Knete. Auch daran erinnert mein Sohn sich nur zu gut. Vielleicht, weil ich sonst eher unkreativ bin und nur zum Ramadan den Drang verspüre, mit den Kindern etwas Thematisches künstlerisch zu machen. Als Mutter möchte man den Kindern den Ramadan eben als eine Freude und etwas besonderes vermitteln und präsent machen. Die kleinen Mäuse fasten ja noch nicht.
So bastelte ich auch einen Ramadan-Kalender, den ich mit Süßigkeiten befüllte. Aber ich vergaß oft, meinem Sohn das Geschenk zu geben, und zum Iftar fand ich es schon zu spät für Süßes. Weder war er besonders scharf darauf, noch hatte ich das Gefühl, mit diesem Süßigkeiten-Kalender wirklich etwas über den Ramadan aussagen zu können, schließlich geht es dabei eben nicht um den Genuss der weltlichen Dinge.
Besonders in diesem Jahr habe ich das Gefühl, es bedarf gar nicht so viel gekünstelter pädagogischer Maßnahmen, um die Kinder den Ramadan erfahren zu lassen. Sie bekommen automatisch so viel mit und fragen dann nach. Dabei geht es nicht nur ums Essen und Trinken. Natürlich habe ich meinem Sohn auch erklärt, dass er im Ramadan besonders lieb sein soll, dass man nicht streiten darf. So erinnerte er uns einmal daran, dass wir uns nicht streiten dürften, als sein Vater und ich eine Diskussion führten. Da war ich aber baff! Er hingegen war total baff, als ich ihm erzählte, dass meine Freundin, die kein Kopftuch trägt, auch fastet, Muslimin ist, betet und manchmal schon ein Kopftuch trägt. Dieses Phänomen war ihm scheinbar neu. Er fragte neulich nach der Ramadan-Geschichte in einem unserer Kinderbücher, und auch mit seiner muslimischen Erzieherin unterhielt er sich über das Fasten.
Das intensivste Gefühl für die Kinder sind aber, genau wie für mich, die vermehrten Gottesdienste. So wachte mein Sohn eines morgens zum Sahûr auf und leistete mir am Esstisch Gesellschaft. Das war ein unglaublich schöner Moment, nur er und ich in dieser ruhigen Nacht. Wie ich, wollte er dann auch die Gebetswaschung vornehmen – zum ersten Mal. Wir verrichteten dann natürlich auch gemeinsam das Morgengebet, was auch nicht häufig vorkommt. Im Anschluss faltete er seinen Gebetsteppich zusammen, legte ihn zur Seite und kuschelte sich beim Koran lesen an mich.
Auch meine Tochter sieht, dass ich mehr bete im Ramadan. Wie ihr Bruder möchte sie mitbeten. Die beiden gehen dann an unser Gebetsfach, holen ihre kleinen Teppiche hervor und ziehen sich die Gebetskleidung an. Dann stellen sie sich neben mir auf und versuchen, meine Bewegungen nachzuahmen. Ich liebe diesen Anblick, wenn meine Kinder in ihrer Mini-Version von Gebetskleidung – er mit Gebetsmütze und sie mit Kopftuch und Rock – auf ihren kleinen Teppichen sitzen und den rechten Zeigefinger heben. Wenn ich sie beobachte, in ihrer Selbstverständlichkeit, Muslime zu sein.
Es ist eine riesige Freude zu sehen, wie die Kinder den Ramadan spüren und erleben. Für nichts auf der Welt möchte ich diesen Anblick missen. Nicht mal für Schlaf!
*die Autorin ist zum Islam konvertiert.