Österreich hat Kopftücher an Grundschulen verboten. Jetzt ist auch in Deutschland die Debatte über ein Kopftuchverbot entbrannt. Ein Verbot wird juristisch geprüft. Es gibt aber viele Bedenken.
Zieht Deutschland nach dem Kopftuchverbot an Schulen in Österreich nach? Ausgeschlossen ist das nicht: Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann–Mauz (CDU), forderte am Freitag zumindest die Prüfung eines Verbots.
Der „Bild“-Zeitung (Freitag) sagte Widmann–Mauz: „Dass kleine Mädchen Kopftuch tragen, ist absurd – das sehen auch die meisten Muslime so. Alle Maßnahmen, die Mädchen davor schützen – vom Elterngespräch bis zum Verbot – sollten geprüft und angegangen werden“. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, würde ein Verbot befürworten. Seiner Ansicht nach sind Kopftücher in der Schule „integrationsfeindlich, weil sie zur äußerlichen Abgrenzung beitragen“.
Die Debatte ist nicht neu. Nordrhein-Westfalen hatte schon vor einem Jahr angekündigt, ein Kopftuchverbot für junge Mädchen zu prüfen. In Deutschland tritt laut Gesetz mit dem 14. Geburtstag die sogenannte Religionsmündigkeit ein. Vorher könnten Mädchen nicht selbstbestimmt entscheiden, ob sie das Kopftuch tragen wollen, lautete damals die Argumentation von Landes-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) für ein Verbot. Die NRW-Landesregierung hat nach eigenen Angaben ein Gutachten zum Thema in Auftrag gegeben, das noch ausgewertet wird.
Fraglich ist, ob Kopftücher für Schülerinnen überhaupt verboten werden dürften. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt in einer Einschätzung von 2017 zu dem Ergebnis, dass ein Kopftuchverbot für Schülerinnen, verfassungsrechtlich „wohl nicht zulässig“ wäre und bezieht sich dabei unter anderem auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Lehrerinnen mit Kopftuch. „Ein Verbot ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar“, sagte am Freitag auch Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU).
Es geht bei der Frage unter anderem um das Recht auf Religionsfreiheit – Artikel 4 des Grundgesetzes.
„Die Diskussion um ein Kopftuchverbot für Kinder an Schulen ist eine diskriminierende und unnötige Diskussion“, erklärt Burhan Kesici, Vorsitzender des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland. Festzuhalten sei, dass es – wie Verbotsbefürworter selbst immer wieder einräumen müssten – keinerlei Fakten über kopftuchtragende Kinder an Schulen gebe und es sich hierbei augenscheinlich um Einzelfälle handele. „Eine überflüssige Phantomdebatte wird immer wieder aufgerührt“, so Kesici.
Der Islamrat fordert, dass Politiker verantwortungsbewusster mit Verbotsforderungen in Bezug auf islamische Rituale und Lebensweisen umgehen sollten. Diese Diskussionen führen zu einem Klima der Angst und Unsicherheit. „Unnötige Diskussionen befeuern den antimuslimischen Rassismus in Deutschland und sind Wind auf den Segeln der Rechtsextremisten“, erklärte der Islamrat-Vorsitzende abschließend.
„Aufgabe der Integrationsbeauftragten ist es, die Integration zu fördern und nicht die Ausgrenzung. Ihre Forderung nach Kopftuchverbot schürt Vorurteile und grenzt Muslime aus.“, erklärt Handan Yazıcı, Vorsitzende der Frauenorganisation Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG). Der Vorstoß sei absurd. Solche Debatten polarisieren, schüren Vorurteile gegenüber Muslimen und grenzen sie aus. „Der gesetzliche Auftrag der Integrationsbeauftragten ist die Förderung der Integration und nicht die Ausgrenzung von Muslimen“, betont Yazıcı.
Gründe, die für ein Verbot vorgeschoben werden, seien hingegen allesamt spekulativ und damit substanzlos. Weder liegen Erhebungen zum Thema vor, noch eine einzige Untersuchung darüber, ob die Vorwürfe zutreffen. „Widmann-Mauz fordert hier etwas ins Blaue hinein und tut niemandem einen Gefallen damit“, so Yazıcı abschließend.
Der Vorsitzender des Zentralrats der Muslime (ZMD) Aiman A. Mazyek postet auf Facebook, dass das „Verbot nicht rechtlich mit unserer Verfassung vereinbar“ sei. „Die Verbotsdiskussion (insb.vor Wahlen) helfen am Ende den Rechtspopulisten und das braucht kein Mensch“, so Mazyek weiter.
Kritiker aber zweifeln am Sinn eines Verbots. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE), der nach eigenen Angaben mehr als 160 000 Pädagoginnen und Pädagogen vertritt, lehnt im Gegensatz zum Lehrerverband ein Kopftuchverbot an Schulen ab. Ihm seien keine Beispiele bekannt, dass das Tragen von Kopftüchern bei Schülerinnen an sich schon zur Störung des Schulfriedens geführt habe, sagte VBE-Chef Udo Beckmann am Freitag.
Genaue Zahlen, um wie viele Mädchen mit Kopftuch es eigentlich geht, gibt es nicht. Die baden-württembergische Bildungsministerin Eisenmann sagt, ihrem Ministerium sei bislang kein Trend bekannt, dass junge Mädchen immer häufiger bereits im Kindergarten oder in der Grundschule ein Kopftuch tragen. In Gesprächen mit Schulleitungen von Grundschulen und mit Trägern und Trägerverbänden von Kitas sei das Thema bislang nicht problematisiert worden. (dpa, iQ)