Die nordrhein-westfälische Regierungskoalition plant eine Kommission für den Islamunterricht. Der Koordinationsrat der Muslime äußert seine Bedenken.
Das aktuelle Beiratsmodell für den islamischen Religionsgemeinschaften in Nordrhein-Westfalen läuft zum 31. Juli aus. Kurz vor Fristende versuchen die Regierungsparteien CDU und FDP ein Alternativmodell durchzubringen und ernten viel Kritik.
In Grundgesetz und Landesverfassung ist Religion als ordentliches Lehrfach verankert. Über die Inhalte sollen Muslime selbst bestimmen, so wie es bei den Kirchen der Fall ist. Voraussetzung ist eine das Vorhandensein einer entsprechenden Religionsgemeinschaft. 2011 wurde von SPD, Grünen und CDU die Beiratslösung in der Erwartung beschlossen, dass dies bis 2019 gelingt, doch wurde der Prüfprozess noch nicht beendet.
Der Anfang April eingebrachte Gesetzentwurf von CDU und FDP geht davon aus, dass die islamischen Religionsgemeinschaften „im Regelfall“ keine Religionsgemeinschaften sind. Die Fraktionen sehen erneut eine bis 2025 befristete Übergangslösung in Form einer Kommission vor. Mit den einzelnen Organisationen soll künftig ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen werden. Sie entsenden jeweils einen Vertreter in die Kommission, die mit Mehrheit über Unterrichtsinhalte und Lehrerauswahl befindet.
Die Fraktionen verweisen auf die „Staatsferne“ des neuen Gremiums, in das die Landesregierung keine eigenen Vertreter mehr entsendet. Zudem sei das Gremium offen für viele Organisationen; im aktuellen Beirat sind die vier Mitglieder des Koordinationsrat der Muslime (KRM) vertreten.
In einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme zeigen die vier im Koordinationsrat der Muslime organisierten islamischen Religionsgemeinschaften der Regierungskoalition die rote Karte. Sie fordern, die aktuelle Übergangslösung um ein Jahr zu verlängern. In dieser Zeit könnte die Landesregierung die Prüfung abschließen, ob ihnen der Status als Religionsgemeinschaft zukomme. Die islamischen Religionsgemeinschaften betonen, dass nach dem Grundgesetz nur eine Religionsgemeinschaft über die Inhalte des Bekenntnisunterrichts und das Lehrpersonal entscheiden dürfe.
Die Pläne von CDU und FDP bedeuteten nur, einen verfassungswidrigen Zustand fortzusetzen, so die zum Koordinationsrat der Muslime gehörenden Religionsgemeinschaften. Denn danach bestimme das Land entscheidend über die Zusammensetzung der Kommission und erhalte damit indirekt Zugriff auf die Inhalte des Religionsunterrichts. Zudem erhielten Organisationen mit wenigen Mitgliedern das gleiche Stimmrecht wie die islamischen Religionsgemeinschaften, die viele Muslime verträten.
In einer Zusatzerklärung wendet sich die DITIB dagegen, dass sie mehr als die Hälfte der Moscheegemeinden und die anderen etablierten Religionsgemeinschaften zu „Statisten degradiert“ würden. Kritisiert wird, dass die Politik „regionale Vereine“ nach politischem Kalkül und nicht „nach Basisrelevanz“ aussuche. Solche Vereine dienten nur „als Meinungsplattform der eigenen Vorstandsmitglieder“.
Die Opposition von SPD und Grünen kritisieren ebenfalls den Vorstoß der Koalition. Es bedürfe viel mehr Zeit, die verfassungsrechtlichen Fragen zu erörtern, betont der schulpolitische Sprecher der SPD, Jochen Ott. Die Landesregierung habe viel zu lange mit einem eigenen Gesetzgebungsverfahren gezögert. In einem Antrag fordert die SPD, die jetzige Regelung um ein Jahr zu verlängern. Auch die Grünen-Schulexpertin Sigrid Beer betont, dass „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ gehe.
NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) sieht im Kommissionsmodell eine Weiterentwicklung, da es auch die Vielfalt des Islams berücksichtige. Wie Experten die Sache sehen, wird sich am Dienstag kommender Woche bei einer Anhörung des Schulausschusses zeigen.
Im Jahr 2012 führte Nordrhein-Westfalen erstmals den Islamunterricht an Grundschulen und später auch an weiterführenden Schulen ein. Aktuell wird das Modellprojekt an 234 Schulen für 19400 Schüler umgesetzt. 215 Pädagogen mit Lehrerlaubnis sind berechtigt diesen Unterricht zu erteilen. Die vier großen islamischen Religionsgemeinschaften sind seit 2012 in einem Beirat an der Erstellung von Lehrplänen oder der Erteilung einer Lehrerlaubnis für die Religionslehrer beteiligt. (KNA, iQ)