Der Ramadan ist bald vorbei. Die meisten haben ihn in der Gemeinschaft verbracht. Nicht unsere Autorin. Die konvertierte Muslimin verbringt den Fastenmonat, sowie das Ramadanfest oft alleine. Das weist auf ein Problem hin, hat aber auch Vorteile.
Nicht so für mich. Das alles kenne ich nicht. Es sind nur Bilder in meinem Kopf aus Erzählungen meiner Freunde und aus dem Fernsehen. Es sind nur Geschichten für mich, Vorstellungen, wie es wohl sein könnte. Ich bin zum Islam konvertiert. Habe keine große muslimische Familie. Zugegeben, ich bin schon ein bisschen neidisch dass andere große Familien haben, mit denen sie gemeinsam die Abende im Ramadan verbringen.Denn für mich bedeutet der Ramadan vor allem eins: viel allein zu sein, vor allem beim Essen. Normalerweise esse ich tagsüber gemeinsam mit anderen: ob das Mittagessen bei der Arbeit oder das Stück Kuchen am Nachmittag im Café. Klar, den einen oder anderen Iftar habe ich in Gesellschaft verbracht. Genau vier sind es in diesem Jahr.
Eigentlich finde ich es aber auch ganz praktisch, mein Iftar alleine Zuhause zu verbringen, auch wenn ich manchmal etwas wehmütig beim Fastenbrechen bin. Die Nächte im Ramadan alleine zu verbringen hat nämlich viele Vorteile: Ich kann mein Iftar sehr einfach halten und werde nicht in die Versuchung gebracht, meinen Magen zu überfüllen, weil das Essen einfach zu lecker ist und ich mich nicht für ein Gericht entscheiden kann. Genau das Gegenteil von dem, was ich im Ramadan will. Zuhause kann ich mir mein Butterbrot aus Vollkornmehl schmieren. Ich esse viel Gemüse und wenn ich doch mal eine Suppe koche, dann dient diese nicht als Vorspeise, sondern reicht mir zur Sättigung völlig aus. All das leckere Essen überreizt den Magen und überfordert den Metabolismus beim Fasten am nächsten Tag. Das wirkt sich auf das Wohlbefinden während des Fastens am Tage aus. Der Unterschied macht sich bei mir nach einem Abend im Restaurant sofort bemerkbar. Kopfschmerzen, Magenprobleme und Müdigkeit sind keine notwendigen Übel des Fastens, sondern ein Resultat von falscher Ernährung. Tatsächlich ist es leichter, sich im Ramadan gesund zu ernähren, wenn man keine leckeren Speisen vorgesetzt bekommt. Jedenfalls geht es mir so.
Wenn weniger gegessen und gequatscht wird, dann bleibt im Übrigen auch mehr Zeit für die Gottesdienste. Wenn ich in Gemeinschaft esse, dann versäume ich viel zu häufig, aus dem Koran zu lesen. Das Gebet verrichte ich spät und in Eile, um schnell wieder zur Gruppe zurückzukehren. Das Nachtgebet bete ich Zuhause, wenn es bereits sehr spät ist und ich mich nicht mehr konzentrieren kann. Alleine habe ich aber alle Zeit der Welt, um mich in Ruhe den Gottesdiensten zu widmen und bleibe gleichzeitig in meinem Zeitplan, den ich mir hierfür am Anfang des Ramadans gesetzt habe. Auch der Schlaf ist eingeplant. Jeder Abend in Gemeinschaft bringt mich raus.
Was ich allerdings nie verstanden habe ist, dass Muslime in Deutschland so exklusiv ihre Abende verbringen. Ich kenne es aus Malaysia, dass Menschen, die ohne Familie sind, eingeladen werden zum Fastenbrechen in die Familie. Die Definition von Familie ist dort viel weiter gefasst. Jeder gehört irgendwie dazu, niemand wird allein gelassen. Ein Gast ist ein Geschenk, ein Segen und eine Möglichkeit für mehr Sadaka. Ich habe von anderen gehört, dass auch in der Türkei beispielsweise – ich denke in vielen muslimisch geprägten Ländern – diese Tradition herrscht, dass Menschen, die alleine sind, eingeladen werden, beim Fastenbrechen dabei zu sein, egal wie arm der Gastgeber ist.
Die muslimische Exklusivität in Deutschland erinnert mich ein bisschen an die deutsche Weihnachtstradition, die ausschließlich den engen Familienkreis vorsieht. Ich verstehe das als eine Form der Integration. Die Muslime haben sich den deutschen Sitten meines Erachtens nach stark angepasst. Zumindest nach dem, was ich aus christlichen Familien in Deutschland kenne. Es fehlt aber auch einfach an dem Bewusstsein dafür, dass es Menschen gibt, die im Ramadan alleine sind und keine Familie haben, mit der sie das Fasten brechen können. Das gleiche gilt übrigens auch für das Ramadanfest. Muslime, die konvertiert sind oder aus anderen Gründen keine Familie in Deutschland haben, sind häufig auf sich allein gestellt, wenn sie die Feste feiern wollen und organisieren sich selber. Ich würde mir wünschen, dass wir Muslime uns mehr als eine Familie verstehen und die Floskeln von “Bruder” und “Schwester” etwas ernster gemeint wären und wir alle zusammen die Feste feierten.
Und bis dahin zähle ich die Tage des Fastens herunter. Ich freue mich auf mehr Konsum. Endlich wieder einen Film zu sehen und dabei eine Tüte Chips zu futtern. Endlich wieder in der Sonne zu sitzen und dabei ein Eis zu essen oder mit Freundinnen zu picknicken. Ich freue mich auf Grillabende und ein ausgiebiges Frühstück. Vor allem aber freue ich mich auf meinen Becher Kaffee am morgen und auf ganz viel Schlaf! Gleichzeitig habe ich mir aber fest vorgenommen, im nächsten Monat noch einige Tage nach zu fasten, damit ich es nicht das ganze Jahr vor mir her schiebe. Ich möchte meine freiwilligen Gebete beibehalten, die ich für den Ramadan eingeführt habe und hoffe, dass mein Glaube nach dem Ramadan wächst und nicht durch den Alltag ausgebremst wird. Denn im Grunde geht es doch auch außerhalb des Ramadans bei der Suche nach Gottes Nähe und der Rückbesinnung zu sich selber vor allem um eins: um das Streben, ein besserer Mensch zu werden.
Das war der letzte Text des Ramadan-Journals. In insgesamt neun Texten hat sie uns ihren Ramadan näher gebracht. Die anderen Journal-Beiträge finden Sie als Links in den jeweiligen Texten.