Altbundespräsident Joachim Gauck warnt vor einem neuen Nationalismus und wirbt zugleich für eine „erweiterte Toleranz in Richtung rechts“.
Altbundespräsident Joachim Gauck warnt vor einem neuen Nationalismus und wirbt zugleich für eine „erweiterte Toleranz in Richtung rechts„. In einem „Spiegel“-Interview (Samstag) sagte er: „Der neue Nationalismus setzt die eigene Nation an erste Stelle und schürt Fremdenhass, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit.“ Es befremde ihn, wenn Politiker Unterstützung gewännen, „weil sie ohne jede Abstriche die eigene Nation ‚first‘ setzen und die ethnische, kulturelle und sexuelle Pluralität ablehnen, die Deutschland und andere europäische Staaten in Zeiten der Globalisierung unwiderruflich gewonnen haben“.
Zugleich warnte Gauck davor, zu schnell kritische Anfragen pauschal als „rechts“ zu charakterisieren und den Dialog abzubrechen. Er werbe bewusst für eine „erweiterte Toleranz in Richtung rechts. Wir müssen zwischen rechts – im Sinne von konservativ – und rechtsextremistisch oder rechtsradikal unterscheiden.“
Toleranz, so der Theologe weiter, sei auch eine Zumutung, denn „sie fordert viele – und auch mich – immer wieder heraus auszuhalten, was uns nicht gefällt. Und beispielsweise nicht jeden, der schwer konservativ ist, für eine Gefahr für die Demokratie zu halten und aus dem demokratischen Spiel am liebsten hinauszudrängen.“
Andererseits müsse man auch lernen, „mutiger intolerant zu sein“. Es sei „Schluss mit Nachsicht, wenn Menschen diskriminiert werden oder Recht und Gesetz missachten“. Toleranz enthalte „das Gebot zur Intoleranz gegenüber Intoleranten, gleichgültig ob sich diese politisch links oder rechts verorten.“
Zum Thema Migration ergänzte Gauck, man müsse auch darüber reden können, „dass Zuwanderung in diesem Maße nicht nur Bereicherung ist“. Natürlich müsse ein verantwortlicher Politiker auch sagen: „Werdet nicht hysterisch, niemand nimmt euch euren Lebensraum, ihr könnt weiter eure Kirchen und Kneipen besuchen.“ Aber nicht ernsthaft aufzugreifen, was den Bürgern Sorgen mache „oder den jungen Frauen, die in der Kölner Silvesternacht unterwegs waren, ist ein Fehler“.
Vielleicht gehe die Gesellschaft, so Gauck, auch manchmal zu lax mit Regelverstößen um, „weil wir fortschrittlich sein wollen, liberal, anständig, demokratisch“. Probleme nicht anzusprechen, funktioniere aber nicht. Sie würden dennoch besprochen – „an den Stammtischen, in den Familien, am rechten und am linken Rand“. (KNA/iQ)