Nachgefragt

„Misstrauen überwinden, Allianzen bilden“

Autoren schreiben hunderte Seiten. Doch was passiert, wenn sie ihr Buch auf seine Essenz herunterbrechen müssen? Unsere Serie „Nachgefragt“ liefert Antworten. Heute Susannah Heschel und ihr Buch „Jüdischer Islam“.

17
06
2019
Jüdischer Islam
Jüdischer Islam von Susanna Heschel

IslamiQ: Wem würden Sie Ihr Buch „Jüdischer Islam“ gerne schenken und warum?

Susannah Heschel: Ich würde mich freuen, wenn mein Buch ins Arabische übersetzt und von Muslimen gelesen werden würde, die vielleicht nicht wissen, dass sich europäische Juden mit dem Islam beschäftigt haben. Auch die jüdische Gemeinde, die Muslimen im Moment sehr skeptisch gegenübersteht, sollte mein Buch kennen. Ich möchte dieses Misstrauen überwinden und daran erinnern, dass es einmal bessere Zeiten gegeben hat.

IslamiQ: Warum ist die Thematik Ihres Buches im Lichte aktueller Debatten wichtig?

Heschel: Gerade unter dem Eindruck wachsender Islam- und Judenfeindlichkeit hoffe ich, dass mein Buch ein Beispiel dafür aufzeigt, wie deutsche Juden im 19. Jahrhundert versucht haben, Antisemitismus zu beseitigen, indem sie auf Gemeinsamkeiten zwischen dem Judentum und dem Islam hinwiesen. Beide Religionen, so argumentierten sie, basieren auf einem moralischen Gesetz, beide sind monotheistisch, beide lehnen die bildliche Darstellung Gottes ab, beide stehen sowohl Naturwissenschaften, Mathematik und Philosophie als auch internationalem Handel und kosmopolitischem Denken offen gegenüber.

Susannah Heschel
Jüdischer Islam
Matthies & Seitz Berlin
ISBN: 978-3-95757-341-4
153 Seiten
September 2018

IslamiQ: „Beim Lesen guter Bücher wächst die Seele empor.“ Warum trifft dieses Zitat von Voltaire auf Ihr Buch zu?

Heschel: Die Recherche für das Buch „Jüdischer Islam“ war faszinierend. Die Juden, die sich dem Studium einer anderen Religion widmeten, haben mich beeindruckt. Rabbi Ludwig Ullmann z. B., der aus reiner Bewunderung für die Poesie und religiöse Bedeutung der Suren die gewaltige Aufgabe einer Übertragung des Korans ins Deutsche auf sich genommen hat. Diese Juden haben sich dem Islamstudium größtenteils deshalb zugewandt, weil sie genug hatten von der schlechten Behandlung durch christliche Theologen.

IslamiQ: Ihr Buch „Jüdischer Islam“ in drei Wörtern zusammengefasst?

Heschel:Spannend, neu, inspirierend.

IslamiQ: Eine spezielle Frage für Sie: In Deutschland wird Antisemitismus als importiertes muslimisches Phänomen dargestellt. Wie erklären Sie sich das?

Heschel: Judenfeindlichkeit gibt es in Deutschland und anderswo in Europa schon seit Jahrhunderten. Das ist kein neues Phänomen und kein Resultat muslimischer Einwanderung. Der Antisemitismus hat viele Formen. In Hass und Verachtung gegenüber Juden drücken sich abstoßende politische Positionen aus, sie dienen aber auch dazu, sich selbst als überlegen zu präsentieren. Es gibt christliche und islamische Formen des Antisemitismus – beide Religionen liefern dahingehende Argumente – sowie links- und rechtsgerichtete Judenfeindlichkeit. Es gibt visuelle und verbale Ausdrucksformen einer antisemitischen Ideologie.  Es wird noch Generationen dauern, um Judenfeindlichkeit zu überwinden. Um dieses große Ziel zu erreichen, braucht es Allianzen. Ich hoffe, mein Buch kann dazu beitragen.

Leserkommentare

Kafira sagt:
Liebe Leser, " Judenfeindlichkeit gibt es in Deutschland und anderswo in Europa schon seit Jahrhunderten. " ------------ Die klammheimliche Feststellung einer angeblichen? Juden- wie-Muslim Feindlichkeit, konstruieren Muslims gerne. Ohne die konstruierte Judenfeindlichkeit, ( die den Muslims ja eigentlich gar nichts angeht) , da wären sie auf breiter Flur die einzige Ideologie, die angefeindet wird. Dabei wird die Verschiedenheit wohl bewusst verwischt. Viele Bundesbürger betrachten Muslims als ihre Feinde. Es gibt gute Gründe dafür. Muslims legen eine Blutspur, wo immer sie auftauchen: Nizza, Brussel Utrecht Kopenhagen Berlin Freiburg - - - Zuletzt die hunderte der von Muslims ermordeten Christen in Sri Lanka. Im Gegensatz dazu sind unsere Juden ein total friedliches Völkchen.. Auch nicht ein einziges Todesopfer haben unsere Juden auf dem gewissen. Zudem ist von jüdischer Top-Rabbi-Seite öfters empfohlen, das Capi doch wegzulassen, "es verursache doch nur Ärger " Hier zeigt sich der himmelweite Unterschied zwischen den friedlichen Juden und den alles-andere-als-friedlichen Muslims. Ein " wir, Juden und Muslims " ist daher fadenscheinend heuchlerisch. In der Hoffnung, dass die Muslims ein wenig Friedfertigkeit von den Juden lernen mögen, Kafira
24.06.19
23:29
Ute Fabel sagt:
Wieder ein Buch, in dem schöngeredet statt aufgearbeitet wird. Die monotheistischen Religionen sind wissenschafts- und philosophiefeindlich. Der regierende politische Islam in der Türkei kämpft gerade gegen die Vermittlung der Erkenntnisse der Evolutionsforschung in den Schulen. Die Organisatoren eines christlichen Großevents in Wien, bei der sich Ex-Bundeskanzler Kurz kürzlich segnen ließ, verkünden unverhohlen, dass sie an den christlichen Schöpfungsmythos glauben. Ich finde in jeder religiösen Tradition die entschlossenen Ketzer am interessantesten. Sie bringen die Menschheit voran. Als Wienerin denke ich da natürlich zuerst an den abtrünnigen Juden Sigmund Freud. Oder den großartigen Philosophen Baruch Spinoza, der im 18. Jahrhundert von der jüdischen Gemeinde in Amsterdam mit einem gehässigen Bannfluch belegt wurde. Oder an den Ex-Juden Hugo Breitner, der der jüdischen Gemeinde bereits im Jahr 1900 den Rücken gekehrt und im Wien der Zwischenkriegszeit als Finanzstadtrat durch Kreativität und Entschlossenheit im sozialen Wohnbau Maßstäbe gesetzt hat. Denken kann Berge versetzen!
25.06.19
9:40
Dilaver Çelik sagt:
Es ist immer wieder erstaunlich, wie religionsfeindliche Gestalten hier im Kommentarbereich immer wieder versuchen, Religionsgemeinschaften gegeneinander auszuspielen und damit lediglich ihre eigene Unzufriedenheit auf andere projizieren. Ein Trost zu wissen, dass diese armseligen Gestalten, mit denen man deswegen fast Mitleid haben könnte, damit sowieso scheitern werden. Das Buch habe ich mir im Übrigen vermerkt. Für den jüdisch-islamischen Dialog ist es ganz bestimmt eine hilfreiche Lektüre.
26.06.19
15:15